Deutlicher Anstieg in Dortmund im Vergleich zu den Lockdown-Zeiten

„Normalisierung“ bei den Straftaten: Die Kriminalität lag 2022 auf dem Niveau vor Corona

Gregor Lange und Robert Hermann stellten die Statistik vor.
Gregor Lange und Robert Hermann stellten die Statistik vor. Foto: Lina Khyat für nordstadtblogger.de

Die Polizei hat die Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung in Dortmund vorgestellt. Die Zahlen für das Jahr 2022 weisen auf eine „Normalisierung“ hin – nach Jahren der Corona-Lockdowns und Pandemieeinschränkungen liegen die Zahlen leicht über dem Niveau von 2019. Das Niveau der Kriminalität war zwar in Dortmund zwar wieder vergleichsweise hoch. Allerdings liegt Dortmund im Pro-Kopf-Vergleich erstmals hinter Köln und Düsseldorf.

Straftaten liegen wieder leicht über dem „Vor-Corona-Niveau“

Immer im Februar wird die offizielle „Polizeiliche Kriminalstatistik“ (PKS) vorgestellt. Darin wird die Anzahl aller bekannten Straftaten nach Deliktkategorien erfasst und ausgewertet* (mehr dazu am Ende). Das soll die Polizei dabei unterstützen, Entwicklungen zu erkennen, um dann gegensteuern zu können.

Anzahl an registrierten Straftaten steigt und liegt auf Niveau vor der Corona Pandemie
Anzahl an registrierten Straftaten steigt und liegt auf Niveau vor der Corona Pandemie.

Durch die Corona-Einschränkungen sind die Zahlen gesunken, weil auch die Möglichkeiten zur Tatbegehnung eingeschränkt waren. Daher wird der Fokus auf den Vergleich zu den Zahlen vor Corona gelegt und mit der Statistik von 2019 gezogen. Insgesamt gab es im vergangenen Jahre 62.761 angezeigte Straftaten (2021 waren es 55.206). Verglichen mit dem Jahr 2019 ist das eine Steigerung um „nur“ 1,7 Prozent.

„Rückblickend auf die letzten zehn Jahre, in denen wir im Jahr 2012 noch 80.851 Straftaten zu verzeichnen hatten, schreiben wir für das Jahr 2022 die zweitniedrigste Zahl, wenn wir die Corona-Jahre 2020 und 2021 ausblenden. Somit geht die Tendenz weiterhin in Richtung sinkender Fallzahlen“, betont Polizeipräsident Gregor Lange. Dabei konnten – wie in den vergangenen Jahren auch – mehr als die Hälfte dieser Straftaten aufgeklärt werden (ca. 55 Prozent).

Mehr Gewalt und Straßenraub, aber weniger Einbrüche als 2019

Anstieg im Deliktsbereich der Gewaltkriminalität - gefährliche und schwere Körperverletzungsdelikte steigen deutlich.
Anstieg der Gewaltkriminalität – gefährliche und schwere Körperverletzungsdelikte steigen deutlich.

Aber nicht alle Zahlen bewegen sich auf dem „Vor-Corona-Niveau“: Bei Delikten, die das Sicherheitsgefühl in besonderem Maße beeinflussen, gibt es unterschiedliche Entwicklungen.

Die Taten im Bereich der Gewaltkriminalität stiegen um rund 30 Prozent auf 2.912.  Auch im Vergleich zu 2019 ist das noch eine Steigerung von 11,5 Prozent.

Straßenkriminalität auf Niveau vor der Corona Pandemie.
Straßenkriminalität auf Niveau vor der Corona Pandemie.

Eine Steigerung um 13,45 Prozent auf 13.728 Fallzahlen gibt es auch im Bereich der Straßenkriminalität.

„Dies war für uns allerdings ein erwartbarer Anstieg, da mit dem Wegfall der einschränkenden Maßnahmen auch das Leben auf der Straße wieder aufblühte. Insgesamt gesehen befinden wir uns jedoch mit einer Steigerung von 0,4 Prozent auf dem Niveau von 2019.“

Anzahl an Wohnungseinbrüchen sinkt seit 2015 um 68 Prozent - Anstieg auf Niveau vor der Corona Pandemie.
Anzahl an Wohnungseinbrüchen sinkt seit 2015 um 68 Prozent – Anstieg auf Niveau vor der Corona Pandemie.

Ein besonders belastendes Delikt für das Sicherheitsgefühl der Dortmunder:innen ist der Straßenraub. Hier gab es eine Steigerung um rund 44 Prozent auf 361 Taten. Dies sind zehn Taten mehr als 2019 (+2,8 Prozent).

Ein weiterer Deliktsbereich, der direkten Einfluss auf das Sicherheitsempfinden hat, ist der der Wohnungseinbrüche. Trotz einer Steigerung um 42,14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sinken die Fallzahlen im Vergleich zum Jahr 2019 um rund neun Prozent auf 1.076 Taten.

Die Polizei verzeichnet eine zunehmende Brutalität

Der rückläufige Trend der Fallzahlen der Gewaltkriminalität ist im Jahr 2022 erstmals seit 2014 ausgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahr 2021 kam es zu einem Anstieg von 671 Fällen, was einem prozentualen Anstieg von 29,94 Prozent entspricht. Verglichen mit 2.611 Fällen vor der Corona Pandemie im Jahr 2019, so kann ein Anstieg von 301 Fällen festgestellt werden, was einer Erhöhung von 11,53 Prozent entspricht.

Gregor Lange und Robert Hermann stellten die Statistik vor.
Gregor Lange und Robert Hermann stellten die Statistik vor. Foto: Lina Khyat für nordstadtblogger.de

Seit dem Höchststand von 3.297 registrierten Fällen im Jahr 2014 konnte eine Abnahme von 11,68 Prozent verzeichnet werden. Die Aufklärungsquote erreicht mit 66,48 Prozent den niedrigsten Wert der vergangenen sechs Jahre.

Delikte der gefährlichen und schweren Körperverletzung stellen mit 2.103 erfassten Straftaten fast drei Viertel (72,22 Prozent) und damit den größten Anteil des abgebildeten Gruppenschlüssels dar. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 453 Fälle der genannten Delikte mehr registriert, was einem prozentualen Anstieg von 27,45 Prozent entspricht.

Dieser Anstieg liegt 12,4 Prozentpunkte über dem Anstieg der einfachen Körperverletzungsdelikte (kein Bestandteil der Gewaltkriminalität), was für eine zunehmende Brutalität steht.

25 „Straftaten gegen das Leben“ – der Fall Mouhamed zählt nicht dazu

Anzahl der Straftaten gegen das Leben angestiegen jedoch weiterhin auf geringem Niveau
Anzahl der Straftaten gegen das Leben angestiegen jedoch weiterhin auf geringem Niveau.

Die Anzahl an „Straftaten gegen das Leben“ ist im Vergleich zum Vorjahr 2021 von 17 auf 25 Fälle gestiegen. Diese Straftaten machen einen sehr geringen Anteil (0,86 Prozent) im Deliktsbereich der Gewaltkriminalität sowie 0,04 Prozent der Gesamtkriminalität aus.

Im Jahr 2022 wurden 22 der 25 registrierten Fälle aufgeklärt und damit eine Aufklärungsquote von 88 Prozent erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Aufklärungsquote um 5,65 Prozentpunkte gesteigert.

Der Fall des 16-jährigen Flüchtlings Mouhamed Dramé findet sich nicht unter den 25 Fällen von Mord und Todschlag. Der Jugendliche war im August 2022 bei einem Polizeieinsatz in der Nordstadt von einem Polizisten erschossen worden. Mittlerweile wurde gegen den Schützen Anklage wegen Todschlags erhoben. Weil dies erst in vergangenen Woche erfolgt ist, wird der Fall in die PKS für 2023 einfließen.

Polizei hat zeitnah auf das „ erhöhte Aggressionspotenzial“ reagiert

„Abgesehen von der Gewaltkriminalität, befinden wir uns zusammengefasst also bei all diesen die Bevölkerung stark verunsichernden Delikten in etwa auf dem Niveau vor der Pandemie“, zieht Polizeichef Gregor Lange eine Bilanz.


Angebote statt Kriminalität: Mit „Vielfalt durch Einheit“ erfolgte der Startschuss für eine Reihe an Veranstaltungen, die das gesamte Umfeld zwischen der Kampstraße, dem Hauptbahnhof und dem MKK aufwerten sollen. Dortmund-Agentur / Roland Gorecki

„Wir konnten im Laufe des Jahres jedoch ein erhöhtes Aggressionspotenzial, insbesondere auch bei jüngeren Menschen, feststellen. Auf diese Feststellungen und die damit einhergehende Steigerung der Fallzahlen im Bereich der Gewaltkriminalität sind wir daher frühzeitig aufmerksam geworden, sodass wir adäquate Maßnahmen einleiten konnten“, so Lange.

„So habe ich unter anderem strategische Fahndungen in der Innenstadt und der Nordstadt angeordnet, wir haben die temporäre Videobeobachtung auf der Kampstraße installiert und zahlreiche Schwerpunkteinsätze durchgeführt“, verweist er auf ergriffene Sofortmaßnahmen.

Hoher Ermittlungsdruck lässt Zahl der Straftaten deutlich steigen

Nicht jeder Anstieg ist für die Polizei per se negativ – insbesondere solche nicht, wo die steigenden Zahlen alleine auf dem Kontrolldruck (zum Beispiel Drogenhandel) und Ermittlungsverfahren (wie beim Themenfeld Kinderpornografie) beruhen.

Deliktsbereich mit 364 Prozent Anstieg seit 2019 - Sonderkommission Kinderpornographie beim PP Dortmund eingerichtet.
Deliktsbereich mit 364 Prozent Anstieg seit 2019 – Sonderkommission Kinderpornographie beim PP Dortmund eingerichtet.

„Im Bereich der Sexualdelikte erkennen wir im Vergleich zum Vorjahr einen leichten Rückgang der Fallzahlen um 0,73 Prozent auf 1.082 Straftaten. Verglichen jedoch mit den Zahlen aus dem Jahr 2019 sehen wir eine Steigerung von 42,9 Prozent“, so Lange.

Einen Großteil dieser Fallzahlen machen die Straftaten im Bereich der Herstellung und Verbreitung sowie des Erwerbes und Besitzes von Kinderpornographie aus. Hier ist die Zahl der Straftaten von 53 (2019) auf 246 angestiegen.

„So fassungslos mich diese Zahlen machen, so froh bin ich, dass es uns durch eine intensive Ermittlungsarbeit in diesem Deliktsfeld gelingt, immer mehr Taten – und auch Netzwerke hinter diesen Taten – aufzuklären, die diejenigen betreffen, die sich oft nicht selbst schützen können: unsere Kinder“, so der Polizeipräsident .

„Seit September 2019 greift in meiner Behörde das neu entwickelte Maßnahmenkonzept im Kampf gegen Kinderpornographie. Die personelle Verstärkung und Schwerpunktsetzung bedeutet: mehr Durchsuchungen, mehr Funde von Datenträgern, mehr Daten und somit auch mehr Ermittlungsansätze und mehr Strafverfahren. Das bestätigt uns die Statistik.“

Die Täter und die Opfer sind überwiegend männlich

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik sind im Jahr 2022 sind 75,4 Prozent der Tatverdächtigen Männer. Wenn man auf das Alter der Tatverdächtigen blickt, sind 3,8 Prozent der mutmaßlichen Täter:innen unter 14 Jahren alt. Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren werden für 8,2 Prozent der Taten verantwortlich gemacht, Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren für 8,6 Prozent.

Deutsche Tatverdächtige machen 54,3 Prozent aus. 35,2 Prozent der Tatverdächtigen haben keinen deutschen Pass, halten sich aber legal in Deutschland auf. Weitere 10,6 Prozent haben keine Aufenthaltserlaubnis und wären ausreisepflichtig.

Auch die Opfer sind mit 60,6 Prozent Männer. Mit Blick auf das Alter zeigt sich, dass 6,1 Prozent der Opfer unter 14 Jahren alt sind, 6,9 Prozent zwischen 14 und unter 18 Jahren sowie 7,6 Prozent Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren. Nur 5,6 Prozent der Opfer sind über 60 Jahren alt.


* Mehr Informationen zur PKS:

  • Die Polizeiliche Kriminalstatistik wird jährlich erstellt.
  • Eingeteilt sind die Kategorien in Gewaltskriminalität, Tote, Straßenkriminalität, Raubüberfälle, Taschendiebstahl, Wohnungseinbrüche, Sexualdelikte, Kinderpornographie, Angriff auf die Staatsgewalt, Computerkriminalität und Betrug.
  • Dabei stehen die aufgeklärten Fälle, die Aufklärungsquote, wie auch die ungelösten Fälle im Vergleich zu den Werten der vorherigen Jahren. 
  • Die sogenannte „Aufklärungsquote“ stellt dar, wie viel Prozent der Fälle im jeweiligen Jahr aufgeklärt wurden. Die aufgeklärten Fälle geben dagegen eine genaue Anzahl an Fällen wieder.
  • Es ist allerdings zu bemerken, dass die Dunkelziffer der meisten Delikte nicht berücksichtigt werden kann und die angegebenen Fallzahlen nur die registrierten Straftaten widerspiegeln.
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