Haben Eving und der Dortmunder Hafen eigentlich etwas miteinander zu tun? Das ist die Frage, der Peter Kocbeck am 23. Januar 2023 im Evinger Geschichtsverein nachgeht. Er hat die Geschichte des Dortmunder Hafens, des größten Kanalhafens Europas, erforscht und erklärt: „Klar wurde die von Evinger Zechen geförderte Kohle über den Kohlehafen, der sich auf Evinger Gebiet befindet, verschifft. Aber da ist auch noch die spannende Geschichte einer der ersten geplanten Industrie-Siedlungen, der Union-Vorstadt mitten im Hafen, die 1961 abgerissen wurde und einige Gemeinsamkeiten mit der größeren Schwester, der Alten Kolonie in Eving ausweist“.
Hochwertige Werkssiedlungen mit günstigen Mieten für Beschäftigte
Wohnungen waren im Ruhrgebiet zum Beginn der Industrialisierung knapp, weil die Industrie wuchs und einen immer größer werdenden Arbeitskräftebedarf hatte. Wegen des Arbeitskräftemangels und um eine zuverlässige Stammbelegschaft zu erhalten, sahen sich die Eisenindustrie und die Zechen vor 150 Jahren gezwungen, Wohnungen zu schaffen.
Nach den damaligen Maßstäben bauten die Unternehmen hochwertige Werkssiedlungen ebenso im Hafen wie in Eving mit günstigen Mieten für Beschäftigte. Die Häuser der Union-Vorstadt besaßen ebenso wie die Häuser der Alten Kolonie einen Stall und waren nach englischen Vorbildern von Gärten umgeben. Das Werk Union schickte sogar Werksaufseher durch die Siedlung, die streng darauf achteten, dass die Gärten gepflegt waren.
„Zwar bauten Unternehmer damals die Siedlungen keinesfalls uneigennützig, aber immerhin schufen sie Wohnraum. Das könnte ein historisches Vorbild für die Gegenwart sein“, merkt Wolfgang Skorvanek, Vorsitzender des Evinger Geschichtsvereins, an.
In der Hafensiedlung fanden nur knapp 100 Familien Wohnraum
1871 wurde hinter dem heutigen Alten Hafenamt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite des heutigen Container Terminals Dortmund von dem nahegelegenem Eisen- und Stahlwerk „Union“ mit dem Bau der Union-Vorstadt begonnen. Mit dem Baubeginn der Alten Kolonie, die ebenfalls auf der grünen Wiese entstand, wurde erst 28 Jahre später von der Gelsenkirchener Bergbau AG begonnen.
Stadt und Kirche stritten mit der Bergbau AG darüber, wer die Kosten zu übernehmen hat für eine Schule, die Bereitstellung einer Wohnung für einen Polizisten, den Straßenbau und die zusätzlichen Lasten für die Kirchengemeinde, beispielsweise für den Friedhof.
Ebenso wie zunächst in der Alten Kolonie, im heutigen „Evinger Schloss“, gab es für die Bewohner der Union-Vorstadt einen Lebensmittelladen innerhalb der ebenfalls geometrisch angelegten Siedlung. Anders als in Eving, fanden in der Hafensiedlung nur knapp 100 Familien Wohnraum, anfangs ausschließlich höhergestellte Arbeiter, wie Meister und Schichtleiter.
Die ehemalige Siedlungsfläche wurde zur allgemeinen Gewerbefläche
Durch die Hafenerweiterung wurde die Siedlung förmlich vom Hafenneubau umzingelt. Lärm und Staub nahmen mit der Folge zu, dass die Bewohner auszogen und einfache Arbeiter mit ihren Familien hier einzogen. Unter den Bewohnern befand sich Erich Grisar, bekannt als Fotograf und Arbeiterschriftsteller, der im Roman „Ruhrstadt“ auch die Union-Vorstadt beschreibt.
„Cäsar 9 hieß das Planquadrat auf den Karten britischer Bomber für den Hafenbereich“, sagt Peter Kocbeck. Die im Zweiten Weltkrieg zu fast 90 Prozent zerstörte Vorstadt-Siedlung, wurde nur noch schleppend und provisorisch wieder aufgebaut. Die Entscheidung zum Abriss fiel 1960. Die Bewohner wurden umgesiedelt und 1961 das letzte Gebäude abgerissen.
Anders als Atlantis stürzte die ehemalige Siedlungsfläche nicht ins Wasser einer Hafenerweiterung, sondern wurde den allgemeinen Gewerbeflächen des Hafens zugewiesen. Der Alten Kolonie blieb der Abriss aufgrund des Widerstands einer Mieterinitiative in den 70er Jahren erspart und sie gilt heute als städtebauliches Schmuckstück.
Mehr Informationen:
- Die Union-Vorstadt ist ein Kapitel aus dem Buch von Peter Kocbeck „Der Dortmunder Hafen“.
- Der Autor stellt viele Geschichten aus und über den Dortmunder Hafen beim Treffen des Evinger Geschichtsvereins am Montag, 23. 01. 2023, 18.00 Uhr, Nollendorfplatz 2, vor.
- Der Eintritt für Besuchende frei und auch barrierefrei.
Mehr zum Thema auf Nordstadtblogger.de:
Neues Buch erschienen: „Der Dortmunder Hafen – eine Zeitreise in Bildern und Erzählungen“