Es war einer größten Einsätze der letzten Jahre: Rund 3000 Einsatzkräfte waren heute an den Festnahmen und Hausdurchsuchungen von 25 mutmaßlichen Mitgliedern und Unterstützern einer terroristischen Vereinigung sowie Durchsuchungsmaßnahmen in elf Bundesländern bei insgesamt 52 Beschuldigten beteiligt. Sie werden dem Reichsbürger- und Querdenker-Milieu zugerechnet. In Dortmund gab es zwar keine Hausdurchsuchungen – aber einige der Verhafteten sind in Dortmund keine Unbekannten – einzelne waren u.a. als Redner bei „Querdenken231“ und bei anderen Anlässen dabei.
Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten
Die Bundesanwaltschaft hat in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages (7. Dezember 2022) auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs 22 mutmaßliche Mitglieder sowie drei mutmaßliche Unterstützer einer terroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Die Festnahmen erfolgten an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in einem Fall in Österreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia).
Zeitgleich haben dort und in anderen Bundesländern (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland) richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen in bislang über 130 Objekten begonnen. Sie richten sich auch gegen weitere 27 Beschuldigte. Zudem werden Räumlichkeiten von nichttatverdächtigen Personen durchsucht.
Die Haftbefehle gehen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus: Die festgenommenen Beschuldigten gehören nach Ansicht der Bundesanwaltschaft zu einer spätestens Ende November 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung, „die es sich zum Ziel gesetzt hat, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen“.
„Den Angehörigen der Vereinigung ist bewusst, dass dieses Vorhaben nur durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten verwirklicht werden kann. Hierzu zählt auch die Begehung von Tötungsdelikten. Die Beschuldigten verbindet eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die im Laufe der Zeit bei ihnen den Entschluss hat wachsen lassen, sich an ihrer gewaltsamen Beseitigung zu beteiligen und hierfür in konkrete Vorbereitungshandlungen einzutreten“, heißt es dazu aus Karlsruhe.
Verschwörungsmythen mit Narrativen der sog. Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie
Die Mitglieder der Gruppierung folgten einem „Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sog. Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie“. „Sie sind der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sog. ,Deep State‘ regiert wird.“
Weiter heißt es: „Befreiung verspricht nach Einschätzung der Mitglieder der Vereinigung das unmittelbar bevorstehende Einschreiten der ,Allianz‘, eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika“, erklärt die Bundesanwaltschaft. „Die Vereinigung ist der festen Überzeugung, dass sich Angehörige der „Allianz“ bereits in Deutschland aufhalten und deren Angriff auf den ,Deep State‘ zeitnah bevorstehe.“
Die Bekämpfung der verbleibenden Institutionen und Repräsentanten des Staates sowie die Absicherung der Macht sollten durch die Vereinigung und ein deutschlandweites Netz von ihr gegründeter Heimatschutzkompanien übernommen werden. Diese gewaltsame Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen solle durch Angehörige eines „militärischen Arms“ durchgeführt werden.
„Der Vereinigung ist zwar bewusst, dass es dabei auch zu Toten kommen wird. Sie nimmt dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten ,Systemwechsels auf allen Ebenen‘ zumindest billigend in Kauf“, begründet Karlsruhe den Großeinsatz.
Die Vereinigung wollte eine (militärische) Übergangsregierung bilden
Weiter erklärt sie: „Hierzu soll von der Vereinigung eine (militärische) Übergangsregierung gebildet werden, die nach der Vorstellung der Vereinigungsmitglieder dem klassischen Reichsbürgernarrativ entsprechend die neue staatliche Ordnung in Deutschland mit den alliierten Siegermächten des 2. Weltkriegs verhandeln soll.“
Zentraler Ansprechpartner für diese Verhandlungen ist aus Sicht der Vereinigung derzeit ausschließlich die Russische Föderation. „Der Beschuldigte Heinrich XIII P. R. hat auch bereits Kontakt mit Vertretern der Russischen Föderation in Deutschland aufgenommen. Nach den bisherigen Ermittlungen gibt es allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ansprechpartner auf sein Ansinnen positiv reagiert haben“, betont die Bundesanwaltschaft.
Auf Basis dieser Ideologie hätten die Beschuldigten spätestens seit Ende November des Jahres 2021 mit sich seitdem immer weiter in ihrer Intensität steigernden Vorbereitungen begonnen. Diese umfassten nach Ansicht der Karlsruher die Planung verwaltungsähnlicher Strukturen, die Beschaffung von Ausrüstung, die Durchführung von Schießtrainings sowie die Rekrutierung neuer Mitglieder.
Bei der #Reichsbürger-Razzia in Frankfurt am Main wurde der mutmaßliche Rädelsführer Heinrich XIII. Prinz Reuss soeben abgeführt. @WDRinvestigativ pic.twitter.com/TV2NgerKCG
— Katja Riedel (@KatjaRiedel) December 7, 2022
Zentrales Gremium der Gruppierung sei der „Rat“, dem Heinrich XIII P. R. vorstehe. Er gilt innerhalb der Vereinigung als zukünftiges Staatsoberhaupt. Als sein persönlicher Referent fungiert Thomas T. Die Mitglieder des „Rates“ haben sich nach Angabe der Bundesanwaltschaft seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen,„ um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen.“ Das Gremium soll ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über verschiedene Ressorts, beispielsweise „Justiz“, „Außen“ und „Gesundheit“ verfügen. Für die Leitung solcher Ressorts seien jedenfalls die Beschuldigten Birgit M.-W., Paul G., Ruth L., René R. und Melanie R. vorgesehen gewesen.
Machtübernahme sollte mit Waffengewalt durchgesetzt werden
Angegliedert an den „Rat“ sei der „militärische Arm“. Einige seiner Mitglieder sollen in der Vergangenheit aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet haben. „Diesem Teil der Vereinigung obliegt es, die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchzusetzen. Bewerkstelligt werden soll dies über ein bereits im Aufbau befindliches System sog. ,Heimatschutzkompanien‘, mithin von militärisch organisierten, in der Planung auch bewaffneten Verbänden“, berichtet die Bundesanwaltschaft.
An der Spitze des „militärischen Arms“ steht nach Ansicht von Karlsruhe Rüdiger v. P. Dieser habe einen Führungsstab eingesetzt, dem die Beschuldigten Maximilian E., Michael F., Frank H., Thomas M., Wolfram S., Marco v. H., Christian W. und Peter W. angehören.
„Der Führungsstab befasste sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur, der Durchführung von Schießübungen sowie Plänen für die künftige Unterbringung und Verpflegung der ,Heimatschutzkompanien‘. In die Umsetzung dieser Maßnahmen waren auch die Beschuldigten Norbert G., Markus H., Matthias H., Harald P. und Ralf S. eingebunden“, begründet die Bundesanwaltschaft die Festnahmen.
Gezielte Ansprache von Polizisten und Soldaten in verschiedenen Bundesländern
Im Fokus der Rekrutierungsbemühungen der Vereinigung standen vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei. In Umsetzung dieses Ziels kam es im Sommer 2022 zumindest in Baden-Württemberg jedenfalls zu vier Treffen, anlässlich derer u.a. der Beschuldigte Rüdiger v. P. für die Gruppierung und ihre Ziele geworben haben soll.
Im November 2022 sollen die Beschuldigten Rüdiger v. P., Marco v. H, Michael F., und Thomas M. in Norddeutschland versucht haben, gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung zu gewinnen. Im Oktober 2022 sollen Angehörige des „militärischen Arms“ Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet haben, um sie „auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren“.
Vitalia B. ist nach Ansicht der Bundesanwaltschaft dringend verdächtig, die Vereinigung insbesondere dadurch unterstützt zu haben, dass sie dem Beschuldigten Heinrich XIII P. R. bei der Kontaktaufnahme zu Vertretern der Russischen Föderation behilflich war. Alexander Q. wird Unterstützung zur Last gelegt, weil er für die Vereinigung öffentlich in Internetforen geworben hat. Frank R. soll in die Aufgaben des „militärischen Arms“ unterstützend eingebunden gewesen sein.
Nach den bisherigen Ermittlungen besteht zudem der Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Vereinigung konkrete Vorbereitungen getroffen haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Deutschen Bundestag einzudringen. Die Einzelheiten seien noch aufzuklären. Die weiteren Ermittlungen dienten auch zur Feststellung, ob der Straftatbestand der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund (§ 83 Abs. 1 StGB) verwirklicht wurde, berichtet die Bundesanwaltschaft
BKA und mehrere Landesbehörden arbeiteten eng zusammen
Die heutigen Durchsuchungsmaßnahmen richten sich nicht nur gegen die festgenommenen Personen, sondern darüber hinaus gegen weitere 27 Beschuldigte, gegen die der Anfangsverdacht einer Mitgliedschaft oder Unterstützung in Bezug auf die verfahrensgegenständliche terroristische Vereinigung besteht.
Die Ermittlungen in diesem Verfahrenskomplex wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen und Thüringen geführt.
Für die heutigen Festnahmen und Durchsuchungsmaßnahmen sind über 3.000 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, Spezialkräfte der Bundespolizei, der vorgenannten Landeskriminalämter sowie weitere Polizeikräfte aus Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen im Einsatz gewesen.
Die festgenommenen Beschuldigten werden bzw. wurden heute und morgen (7. und 8. Dezember 2022) dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.
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Haftbefehle gegen 23 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung in Vollzug gesetzt (PM)
Karlsruhe. Die Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof haben in den vergangenen beiden Tagen (7. und 8. Dezember 2022) die Haftbefehle gegen die deutschen Staatsangehörigen Michael F. Paul G. Norbert G. Markus H. Matthias H. Ruth L. Birgit M.-W. Andreas M. Thomas M. Harald P. Heinrich XIII P. R. Alexander Q. Frank R. René R. Melanie R. Ralf S. Wolfram S. Thomas T. Marco v. H. Rüdiger v. P. Christian W. und Peter W. sowie gegen die russische Staatsangehörige Vitalia B. in Vollzug gesetzt.
Die Beschuldigten waren am 7. Dezember 2022 festgenommen und sodann beim Bundesgerichtshof vorgeführt worden. In diesem Zusammenhang hatte die Bundesanwaltschaft auf Grundlage von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs die deutschen Staatsangehörigen Maximilian E. und Frank H. ebenfalls am 7. Dezember 2022 in Italien und Österreich festnehmen lassen. Auslieferungsverfahren wurden eingeleitet.