Die Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof nicht nur in Dortmund steht – mal wieder – auf der Kippe. Das Traditionsunternehmen stand schon zu Beginn der Corona-Pandemie vor dem Aus. Nach Staatshilfen, zahlreichen Standortschließungen und einer Vielzahl von Entlassungen machte das Management offenbar genauso weiter wie zuvor. Die Folge: Das Unternehmen steht erneut vor dem Aus. Ein Insolvenzverfahren in Eigenregie möchte die Geschäftsführung machen. Das beschäftigte nun auch den Stadtrat.
„Unsere Solidarität gilt nur den Beschäftigten“
Unstrittig war der von SPD, Grünen, CDU, Linke+ und FDP/Bürgerliste Antrag, der sich solidarisch mit den Beschäftigten erklärte und den von der Stadt initiierten Runden Tisch mit Handelsverband, IHK, Gewerkschaft, Betriebsrat und den heimischen Bundestagsabgeordneten begrüßte. Zudem appellierte der Rat an die Signa-Holding als Eigentümerin, ein zukunftsfähiges Konzept für das Unternehmen Galeria Karstadt Kaufhof zu entwickeln. Das wurde einstimmig beschlossen.
Dennoch waren die Ratsfaktionen wenig begeistert, sich erneut mit dem Thema beschäftigen zu müssen: „Es ist ein Unding, dass es heute wieder so ist. Dem Management ist es trotz staatlichen Unterstützungen in Milliardenhöhe und drastischen Einschnitten nicht gelungen, ein Zukunftskonzept vorzulegen“, kritisierte Ingrid Reuter (Grüne) die unternehmerischen Versäumnisse.
„Unsere Solidarität gilt nur den Beschäftigten – viele sind in einem Alter, wo es schwierig wird auf dem Arbeitsmarkt. Viele sind Frauen und in Teilzeit, die wenig verdienen – und das, wo die Lebenshaltungskosten trotz aller Entlastungspakete in die Höhe schnellen“, so Reuter.
„Wenn ein Runder Tisch hilft, dann begrüßen wir das, wenn andere Maßnahmen helfen, müssen diese ergriffen werden. Die Beschäftigten sind für uns die Betroffenen, nicht das Management“, stellte die Grünen-Politikerin klar. „Daher halten wir die Ergänzungsanträge heute auch für verfrüht“, sagte sie mit Blick auf Zusatzanträge von CDU und „Die Fraktion“, die sich schon mit möglichen Nachfolge-Szenarien einer Schließung beschäftigten.
Kritik am Management: „So geht man nicht mit Menschen um“
„Eine sehr unerfreuliche Sache, wieder über diese Sache sprechen zu müssen“, fand auch Franz-Josef Rüther (SPD): „Der Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenregie ist eigentlich unfassbar. Wenn man eine solche Krise vor zwei Jahren schon mal erlebt hat, sollte man doch eigentlich ein Konzept erarbeiten. Doch da wurden nur Häuser geschlossen und Arbeitsplätze abgebaut – das kann kein Konzept sein und auch nicht die Lösung.“
Er begrüßte, dass die Stadt bereits einen Runden Tisch einberufen hat und hoffte, dass man so zu einer vernünftigen Lösung komme. „hire and fire“ sei keine Lösung: „So geht man nicht mit Menschen um, daher gilt unsere volle Solidarität gilt den Beschäftigten. In heutigen Zeiten kann man das nicht ertragen“, so Rüther.
Das Papier der CDU, sich gegen Leerstand zu engagieren, sei inhaltlich zwar richtig. Der SPD-Politiker wollte aber zunächst den Fokus auf das Arbeitnehmerschicksal legen und nicht über Leerstand sprechen. „Ihn zu vermeiden, darum geht es im gemeinsamen Antrag.“
„Es ist eine Unverschämtheit, die Leute bis Januar hinzuhalten“
Den Umgang mit dem eigenen Personal kritisierte auch die CDU: „Für die Beschäftigten wird es ein Weihnachtsfest mit einer Hängepartie. Ich finde das eine Unverschämtheit und ein starkes Stück, die Leute bis Januar hinzuhalten“, kritisierte Udo Reppin, dass Karstadt sich erst im Januar zur Zukunft seiner Häuser und der damit verbundenen Arbeitsplätze äußern wolle.
Dennoch sei die Stadt gut beraten, jetzt schon nach Lösungen und Alternativen zu suchen und „nicht darauf warten, bis die letzten Möbel rausgeräumt sind. Wir haben das bei Kaufhof auch erlebt, wenn große Häuser geschlossen werden“, so Reppin. Das ziehe ganze Straßen herunter – und viel Leerstand gebe es jetzt schon.
„Unser Interesse gilt Plan B. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass das Haus auf Dauer geschlossen bleibt, da ist die Wahrscheinlichkeit größer, als dass das Haus in der Struktur die nächsten 20 Jahre überlebt“, so Reppin.
Kritik: Der Rat ist weder für Geschäftsmodelle noch Nutzungen zuständig
Auch Michael Kauch (FDP/ Bürgerliste) kritisierte, dass bei Galeria Karstadt Kaufhof „die Zeit nicht genutzt wurde, ein tragfähiges Geschäftsmodell aufzulegen“. Dennoch sei es ist nicht Aufgabe des Rates, Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das gelte auch für die Entwicklung einer neuer Nutzung des Gebäudes – dies sei ist die Aufgabe des Eigentümers.
„Daher kann es nicht sein, die Verwaltung mit Nachnutzungs-Überlegungen zu beschäftigten. In der Marktwirtschaft ist das erst Mal eine Aufgabe der Eigentümer – beim Geschäftsmodell und bei der Immobilie. Es ist der falsche Zeitpunkt, wenn die Stadt jetzt in eine Mitverantwortung oder Mithaftung geht. Daher können wir dem Antrag der CDU nicht folgen“, so Kauch.
Gleiches galt für ihn für den Antrag von „Die Fraktion“, die Karstadt nach einer Schließung als Kaufhaus als „bedingungslos kostenlose Unterkunft für Obdachlose“ genutzt sehen wollen. Alternativ könne man auch – nach der Legalisierung – eine Etage des Gebäudes für den Anbau von Cannabis zu nutzen. Kauch kritisierte eine künstliche Kampagne gegen den Cityring. Dieser hatte einen privaten Sicherheitsdienst engagiert, um – so die Lesart von „Die Fraktion“ – Obdachlose aus der City zu vertreiben.
Die Opfer der Geschäftsführung sind die Mitarbeiter
Kopfschütteln für das Geschäftsgebahren aber auch für „Die Fraktion“ hatte Utz Kowalewski übrig. Er fühlte sich an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert, weil schon vor zwei Jahren gefordert wurde, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. „Aber es ist nichts passiert. Die Opfer der Geschäftsführung sind die Mitarbeiter – denen gilt die Solidarität. Das machen wir mit gemeinsamen Resolution deutlich.“
Die Idee der CDU, sich jetzt schon mit einer möglichen Nachnutzung zu beschäftigen, lehnt Kowalewski nicht ab. Die Frage sei, „ob’s was nutzt, aber es schadet auch nicht. Das haben wir auch an anderer Stelle – Beispiel Flughafen.“
Doch beim Papier von „Die Fraktion“ konnte er „keine echte Satire, sondern ganz bitteren Sarkasmus, was den Umgang mit Menschen angeht“, erkennen. „Es gibt nicht nur die ein oder die anderen. Beide Gruppen haben ihre Berechtigung“, sagte er mit Blick auf die Obdachlosen und die Beschäftigten.
„Es wäre ein Desaster, wenn wir dieses Haus verlieren würden“
„Die City ist nicht nur Karstadt – aber es gibt einen ganz wesentlichen Zusammenhang zu Karstadt. Ein solcher Klotz mit so vielen Arbeitsplätzen ist das ein ganz wesentliches Unternehmen, wo wir sehr dran knapsen würden, wenn wir es verlieren würden“, sagte Heiner Garbe (AfD).
Anders als dem gemeinsamen Antrag mochte er das CDU-Papier nicht unterstützen: „Wir halten es für richtig, dass sich Stadt und Wirtschaftsförderung mit dem Worst Case beschäftigt, was dann denkbar ist. Es braucht viel Expertise, das kann man in einem nicht-öffentlichen Kreis besprechen“, so Garbe. Die Frage nach dem Geschäftsmodell sei ja mehrfach angesprochen worden. „In den mittleren und kleinen Häusern funktioniert es ja.“ Aber auch in Dortmund gebe es Potenzial, wenn man ein solch großes Kaufhaus in einer so exponierte Lage nicht verludern lasse.
Letztendlich müsste man passende Konzepte implementieren – das Dortmunder Haus hatte damals vergleichsweise die besten Umsätze, erinnerte Garbe. „Das Warenhaus hat durchaus eine Zukunft, weil wir einen massiven Schwund an Fachgeschäften in der City und den Vororten haben. Bei Karstadt findet man auch spezielle Haushaltswaren – das wird angenommen und geschätzt. Es wäre ein Desaster, wenn wir dieses Haus verlieren würden. Selbstverständlich stehen wir zu den Beschäftigten, daher auch die Unterstützung für gemeinsamen Antrag.“
Kritik an der Vertreibung von Obdachlosen aus der City
„Ich möchte betonen, dass ich den meisten Vorredner:innen absolut beipflichte, wenn es darum geht, sich solidarisch mit Mitarbeiter:innen zu zeigen. Wir als Fraktion würden es auch bedauern, würde Karstadt schließen. Das würde der Strahlkraft abträglich sein: Daher bezieht sich unser Vorschlag auf eine Weiternutzung“, so Stefan Dondrup.
Von der Kritik am Cityring wollte der Vertreter der Fraktion „Die Fraktion“ von der Partei „Die Partei“ nicht abrücken: Der Cityring führe „ein offensives Regiment gegen Obdachlose – nicht gegen Obdachlosigkeit“. Daher käme der Vorschlag der Neunutzung von Karstadt ja eigentlich dem Cityring entgegen, wenn dieser als Obdachlosenunterkunft genutzt würde.
„Die Vertreibung der Menschen vertreibt nicht Obdachlosigkeit, sondern nur die Betroffenen. Wenn man meint, dass sie das Stadtbild verschandeln – nach einer Einvertreibung sind sie nicht weg, sondern nur woanders. Speziell in kalten Zeit einen Sicherheitsdienst zu installieren, um sie von warmen Orten zu vertreiben, wird dafür sorgen, dass mehr Menschen erfrieren werden“, so Dondrup.
Allerdings fanden weder die Zusatzanträge von CDU und „Die Fraktion“ eine Mehrheit. Das gemeinsame Papier wurde einstimmig verabschiedet.
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Das Ziel: „Karstadt bleibt: Gemeinsam den Standort in Dortmund erhalten“ (PM Stadt)
Das Karstadt Warenhaus in Dortmund soll erhalten bleiben. Darüber sind sich alle Akteure einig, die gestern an einem ersten Austauschgespräch auf Einladung von OB Thomas Westphal teilnahmen, nachdem die Verantwortlichen von „Galeria Karstadt Kaufhof“ weitere Schließungen kompletter Standorte angekündigt hatten. Mit am Tisch saßen unter anderem Vertreter*innen der Betriebsräte des Unternehmens, der IHK, des Handelsverbands, der Gewerkschaft ver.di, Wirtschaftsförderung Dortmund sowie die Dortmunder Bundestagsabgeordneten Sabine Poschmann und Jens Peick und Teile des Verwaltungsvorstandes.
Die Kernbotschaft nach diesem Treffen ist klar. Alle wollen gemeinsam für den Verbleib von Karstadt in Dortmund kämpfen. „Dieses Warenhaus gehört in unsere City – definitiv“, so OB Thomas Westphal: „Der Dortmunder Karstadt-Standort ist und bleibt ein zentraler, umsatzstarker und attraktiver Einkaufsort für alle Dortmunder*innen und die Gäste dieser Stadt. Shoppen ohne Karstadt? Da würde was fehlen. Wir alle setzen uns, wie vor zwei Jahren bereits auch schon mit Erfolg, für den Erhalt des Hauses und der Arbeitsplätze ein. Dortmund steht zu diesem Standort.“
Nun werden entsprechende Briefe an die Insolvenzverwaltungen und die Vorstände geschickt, die alle Unterstützer*innen gemeinsam unterzeichnen. Zudem wurde vereinbart, dass die Arbeit des Runden Tisches fortgeführt wird. Weiterhin werden alle Akteure auf unterschiedlichen Wegen und in ihren Sparten aktiv sein, weitere Mitstreitende finden und viele Gespräche führen, um den Erhalt des Hauses in Dortmund durchzusetzen.
Unterschriftensammlung für den Erhalt von GALERIA: Aus Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen und aus Liebe zur Dortmunder Innenstadt (PM)
Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA) und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) unterstützen die Unterschriftenaktion der Gewerkschaft ver.di für den Erhalt der GALERIA Kaufhäuser.
Am Samstag, dem 21.01.2023 in der Zeit von 12:00 -16:00 Uhr haben die Dortmunder Bürgerrinnen und Bürger rund um das GALERIA Warenhaus die Möglichkeit mit ihrer Unterschrift die Forderung zum Erhalt der Galeria Warenhäuser und damit auch den Kampf, um über 17.000 Arbeitsplätze zu unterstützen.
„Diese Aktion geschieht aus Respekt vor den Beschäftigten, die seit Jahren auf Lohnbestandteile verzichten und ebenso lange um ihre Arbeitsplätze bangen“ so Ulrich Piechota, stellvertretender AfA Bundesvorsitzender und weiter: „wie so oft sollen wieder einmal die Beschäftigten für die Fehler des Managements zahlen.“
„Wir kämpfen aber auch um den Standort hier in Dortmund“ so Ulla Pulpanek-Seidel, Vorsitzende der ASF Dortmund und weiter: „verschwindet Galeria, verliert die Dortmunder Innenstadt auch an Qualität und andere kleinere Geschäfte werden auch aufgeben müssen. Und wieder einmal sind vor allem Frauen davon betroffen.“