Es war ein gefeiertes Konzept – und ein erfolgreiches dazu: Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Nordstadt ist Geschichte. Offenbar fehlt der Staatsanwaltschaft in Dortmund Personal. Daher wurde das Nordstadt-Dezernat aufgelöst. Darauf macht jetzt die SPD-Landtagsfraktion durch eine Kleine Anfrage im Landtag aufmerksam. Die Behörden bestätigen das Aus auf Nachfrage von Nordstadtblogger.
Die Sicherheitsbehörden sollten schneller und effizienter werden
Im Dezember 2016 hatte der damals neue Leitende Oberstaatsanwalt Volker Schmerfeld-Tophof die Bündelung der Arbeit durchgesetzt. Die Idee: „Durch die Konzentration auf wenige Staatsanwälte erreichen wir ein vernetztes Vorgehen, mit dem auch die Stadt und die sozialen Verbände, die sich in der Nordstadt engagieren, besser unterstützt werden können“, sagte der damalige Chef der Staatsanwaltschaft im Nordstadtblogger-Interview.
Damit das funktioniert, hatte gleichzeitig mit der Staatsanwaltschaft auch die Dortmunder Polizei die Ermittlungskommission „Nordstadt“ eingerichtet, die sich auf die Bearbeitung und Aufklärung von Straftaten rund um die Dortmunder Nordstadt fokussieren sollte.Die Ermittlungskommission Nordstadt ist bei der Polizei Dortmund angesiedelt. Über 100 Polizeikräfte arbeite(te)n am Standort der Polizeiwache Nord – wo auch ein Schwerpunktdienst Nord eingerichtet wurde.
Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange sah 2016 ebenfalls klare Vorteile: „In der Ermittlungskommission arbeiten erfahrene Kriminalbeamte, die sich in der Nordstadt bestens auskennen“, betont Gregor Lange. Die engere Verzahnung mit den „Nordstadt-Staatsanwälten“ werde zur Aufhellung von Tatstrukturen und -zusammenhängen führen. „Die Sicherheitsbehörden werden schneller und effizienter“, war sich der Polizeichef sicher.
Die Bündelung der Nordstadt-Verfahren ist außer bei Drogen Geschichte
In den vergangenen Jahren konnten Polizei und Staatsanwaltschaft auch auf eine Vielzahl von Erfolgen verweisen. Denn durch die Bündelung, dass alle Verfahren (mit Ausnahme von Kapitaldelikten und Organisierter Kriminalität) in der Nordstadt über einen Tisch liefen, ließen sich Zusammenhänge leichter erkennen. Zwei Staatsanwälte kümmerten sich dabei um allgemeine Delikte, ein dritter um Straftaten in Zusammenhang mit Betäubungsmitteln.
Doch damit ist Schluss – die Fälle werden wie früher nach Buchstaben (also den Namen der Beschuldigten) auf die Staatsanwält:innen verteilt. Lediglich der Nordstadt-Staatsanwalt, der für Drogendelikte zuständig war, macht seinen Job noch weiter. Der Grund ist die unzureichende personelle Ausstattung.
Der bisher Leitende Oberstaatsanwalt Volker Schmerfeld-Tophof hatte in den vergangenen Monaten und Jahren offenbar zusätzliches Personal erbeten. Doch das kam nicht. Daher zog er selbst die Reißleine und setzte das „Sonderdezernat Nordstadt“ bis auf weiteres aus. Reaktivieren wird er es auch nicht mehr – seit Ende Oktober ist Schmerfeld-Tophof im Ruhestand – die Nachfolge ist noch nicht benannt.
Der SPD-Abgeordnete Volkan Baran kritisiert den grünen NRW-Justizminister
Das „stille Aus“ für erfolgreiches Nordstadt-Projekt ruft den SPD-Landtagsabgeordneten Volkan Baran auf den Plan. Er sieht die Sicherheit in der Dortmunder Nordstadt durch die Landesregierung gefährdet.
„Wenn es stimmt, dass die Mittel zur Fortführung des Projektes bei der Staatsanwaltschaft trotz des nachweisbaren Erfolgs gestrichen werden, ist das ein herber Schlag für die Sicherheit in der Nordstadt. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass die CDU die Dortmunder Nordstadt seit Jahren versucht, zur No-Go-Area zu stilisieren und PR-wirksame Razzien gegen Clankriminalität als nachhaltige Sicherheitspolitik zu verkaufen, ist das eine Farce auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger“, kritisiert Baran.
Die enge Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft, der Stadt und der Polizei habe in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass Straftaten in der Nordstadt schneller verfolgt werden konnten. Das habe die Lage in der Nordstadt dauerhaft stabilisiert und sei damit ein überregional beispielhaftes Projekt.
„Die Erfolge der Ordnungspartnerschaft werden restlos zunichte gemacht“
„Obwohl im Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt wurde, dass Strafverfolgungsbehörden bei besonderen Belastungssituationen finanziell und personell unterstützt werden sollen, wird mit der Beendigung des Projektes diese Aussage ad absurdum geführt. Die Erfolge der Ordnungspartnerschaft in Dortmund werden restlos zunichte gemacht“, kritisiert der SPD-Politiker.
„Das grüne Justizministerium muss nun erläutern, wie es dazu kommt, dass so ein erfolgreiches Projekt eingestampft wird. Aus meiner Sicht ist diese Entscheidung nicht zu rechtfertigen, denn wenn das Projekt eines gezeigt hat, dann, dass es gegen die Kriminalität in der Nordstadt einer gemeinsamen Kraftanstrengung bedarf“, so Baran.
Die Polizei Dortmund gibt sich wortkarg: „Die Staatsanwaltschaft und die Polizei waren sich immer einig, dass die enge Zusammenarbeit im Sinne der Nordstadt sinnvoll und sehr erfolgreich war. Grundsätzlich arbeiten wir hervorragend mit der Staatsanwaltschaft zusammen. Wir sind zuversichtlich, dass sich diese gute Zusammenarbeit auch in und für die Nordstadt fortsetzen lassen wird“, teilt die Behörde auf Nachfrage von Nordstadtblogger mit. Hinter vorgehaltener Hand werden aber offenbar die fehlenden Zuständigkeiten und wechselnden Ansprechpartner:innen beklagt.
Düsseldorf und Hamm haben keine Zweifel, dass Dortmund die Arbeit schafft
Diese Kritik kann man beim Justizministerium nicht nachvollziehen: „Der frühere Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Dortmund hat im Jahr 2016 ohne Beteiligung des Ministeriums der Justiz ein ,Sonderdezernat Nordstadt’ eingerichtet und im August 2022 mitgeteilt, dieses Sonderdezernat bis auf weiteres auszusetzen. Es handelt sich dabei um eine interne Geschäftsverteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft Dortmund“, betont Dr. Elisabeth Stöve als Pressesprecherin des Justizministeriums.
„Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat mir mitgeteilt, dass die Verfahren, die bis zu der erfolgten Neuregelung der internen Geschäftsverteilung der Staatsanwaltschaft Dortmund durch das dortige ,Sonderdezernat Nordstadt’ bearbeitet worden wären, bis auf weiteres in den Abteilungen für allgemeine Strafsachen, in der Abteilung für Betäubungsmittelstrafsachen und in kleinerem Umfange in den Abteilungen für Jugendstrafsachen bearbeitet werden. Die bisherigen Sonderdezernent:innen ,Nordstadt’ wickeln die dort angefallenen (Alt-)Verfahren weiter ab“, so Stöve weiter.
Die Generalstaatsanwältin in Hamm habe als nächstvorgesetzte Behörde mitgeteilt, dass sie keinen Grund für die Annahme habe, dass die Staatsanwalt Dortmund ihrer Aufgabe – nämlich Sicherstellung der sachgemäßen Behandlung und Erledigung der Dienstgeschäfte bei der Staatsanwaltschaft Dortmund – nicht in angemessener Weise nachkomme, heißt es weiter aus Düsseldorf auf Nachfrage von Nordstadtblogger.
Andere Staatsanwaltschaften sollen stärker belastet sein als Dortmund
Zudem seien die die Strafverfolgungsbehörden im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Hamm mit dem Haushalt 2022 erheblich personell verstärkt: „Für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wurden 36 neue Planstellen geschaffen. Diese personelle Verstärkung wird sukzessive ihre Wirkung entfalten“, so Stöve.
Bei der Personalausstattung der Behörden ist zwischen den zugewiesenen und den tatsächlich besetzten Stellen zu unterscheiden. Die Zuweisung der Stellen erfolgt durch das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Besetzung der so geschaffenen Stellen obliegt für den hiesigen Bezirk der Generalstaatsanwältin in Hamm.
„Zur Deckung des Personalbedarfs der Behörden unseres Bezirks führen wir regelmäßig Besetzungsverfahren durch. Den zu besetzenden Stellen steht jedoch derzeit, wie auch in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes, nur eine begrenzte Anzahl geeigneter Bewerberinnen und Bewerber gegenüber“, erklärt Elmar Pleus, Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft Hamm.
„Die Verteilung der Assessorinnen und Assessoren auf die zehn Staatsanwaltschaften des hiesigen Geschäftsbereichs erfolgt deshalb grundsätzlich auf Grundlage der Belastung der einzelnen Behörden. Mit Blick auf die aktuell höhere Belastung anderer Behörden des Bezirks konnte die Staatsanwaltschaft Dortmund nicht wie vom früheren Behördenleiter gewünscht verstärkt werden“, so Pleus.
UPDATE:
Oberstaatsanwalt Henner Kruse als Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft bestätigte dass das Nordstadt-Dezernat aus Personalmangel ausgesetzt worden ist. Weil es insgesamt zu wenig Personal gebe, wurden die beiden verbliebenen Kolleg:innen, die nicht Drogendelikte aus der Nordstadt bearbeiten, abgezogen. Sie unterstützen in der allgemeinen Kriminalität – die Fälle aus der Nordstadt werden seit dem auf mehr Schultern verteilt.
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Die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Nordstadt ist Geschichte – die SPD kritisiert das „stille Aus“
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Begründung der Landesregierung für Stilles Aus der Ordnungspartnerschaft Dortmund nicht nachvollziehbar (PM Volkan Baran)
Seit 2016 gibt es in der Dortmunder Nordstadt eine Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft Dortmund, die mittels schneller Verfolgung von Straftaten seither eine positive Wirkung auf die Entwicklung der Kriminalität in der Nordstadt hat. Trotz des Erfolgs wurde nun das Projekt beendet, woraufhin der Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Volkan Baran eine Kleine Anfrage zu den Beweggründen dieses Schrittes an die Landesregierung stellte. In der nun vorliegenden Antwort teilt man die positive Bewertung des Projektes als „außerordentlich gut“ und „äußerst zielführend“. Man erkennt an, es habe eine „effektive Strafverfolgung gewährleistet“.
Umso mehr verwundert den Dortmunder Abgeordneten der nun in aller Heimlichkeit vollzogene Schritt, die dafür eingeteilten drei Stellen bei der Staatsanwaltschaft auszusetzen beziehungsweise, wie es in der Antwort der Landesregierung stellt, keine exklusive Zuständigkeit mehr vorzusehen.
Volkan Baran zeigt sich sichtlich irritiert: „Zu jeder Gelegenheit hebt Innenminister Reul hervor, wie wichtig zeitnahe Verfahren für die Abschreckung von jungen Straftäter*innen sind. In Bezug auf das Projekt Nordstadt handeln er und Justizminister Limbach komplett widersinnig.“
Baran möchte das Aus für das Projekt deshalb nicht akzeptieren: „Die Vorgehensweise kennen wir schon von der Stabstelle Umweltkriminalität. Da hieß es auch: Nicht aufgelöst, sondern aufgeteilt. Fakt war aber: Die Stabstelle gab es fortan nicht mehr. So ist es jetzt auch hier. Warum sie trotz der hohen Aufklärungsquoten ausgesetzt wird, erklärt sich uns nicht. Etwas Gutes zu beenden, weil es seinen Job gemacht hat, bedeutet: In Zukunft macht ihn keiner mehr. Justizminister Limbach sollte diese Entwicklung nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, sondern gegensteuern. Dass ausgerechnet ein Grüner die Nordstadt hängen lässt, verstehen wir nicht. Wenn er dem Projekt bisher keine Sonderstellen zugewiesen hat, nimmt ihn das für die Zukunft nicht aus der Pflicht. Wir sehen hier akuten Handlungsbedarf. Herr Minister, übernehmen Sie!“