Rund 240 Antifaschist:innen zogen am Samstag (27. August 2022) anlässlich des zehnten Jahrestags des Kameradschaftsverbots des „Nationalen Widerstand Dortmund“ von der Reinoldikirche über den Westenhellweg nach Dortmund-Dorstfeld. Ihr erklärtes Ziel: Dem Mythos „Nazi-Kiez“ entschlossen entgegentreten. Als Reaktion auf den linken Demonstrationszug meldete die Partei „Die Rechte“ bereits im Vorfeld eine Versammlung an.
„Nationaler Widerstand Dortmund“ bezog sich auf „Autonomen Nationalismus“
Der „Nationale Widerstand Dortmund“ (kurz „NWDO“) war eine rechtsextreme Vereinigung, die ab 2006 in Dortmund agierte. „Zielsetzung ist die Verbreitung nationalsozialistischer Grundideen und Ideologien mit dem Ziel der Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung“, hieß es in der Verbotsverfügung des NRW-Innenministeriums.
Zudem würden die Aktiven des „NWDO“ in der Tradition der SA „auch die gewaltsame Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner als probates und gebotenes Mittel der Zielerreichung ansehen“, so das Innenministerium.
Die Vereinigung stand auch für eine stilistische Erneuerung der Neonaziszene. Aktionsorientiertes Auftreten, beständige Propaganda und andauernder Aktivismus hatten zur Folge, dass mehr als 1.200 Personen an der Spitze den Demonstrationen des „NWDO“ beiwohnten.
Ab 2009 nutze der „NWDO“ die Räumlichkeiten des „R135“ an der Rheinischen Straße 135, um wöchentliche „Kameradschaftstreffen“ , regelmäßige Vorträge, Liederabende und Rechtsschulungen abzuhalten. Als die Neonazis das Haus im Jahr 2010 kaufen wollten, kam ihnen die Stadt Dortmund zuvor.
Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ jährte sich zum zehnten Mal
Endgültig verloren die Neonazis ihre Räumlichkeiten jedoch erst im Jahr 2012: Im Zuge einer groß angelegten Razzia wurde auch das „R135“ gründlich durchsucht. Dabei wurden neben NS-Devotionalien und Propagandamaterial, auch 147 Waffen oder waffenähnliche Gegenstände sichergestellt.
Viele der insgesamt 62 Mitglieder:innen des „NW DO“ reorganisierten sich kurz nach dem Verbot am 23. August 2012 in der neuen Partei „Die Rechte“, die im September 2012 gegründet wurde. Unter dem Schutz des Parteiengesetzes agierten die ehemaligen Aktiven des „Nationalen Widerstands Dortmund“ weiter und schafften es sogar in den Dortmunder Stadtrat.
Kim Schmidt, Pressesprecherin der Autonomen Antifa 170, äußert sich kritisch zu dem Verbot: „Das Kameradschaftsverbot vor zehn Jahren hat kaum Wirkung gezeigt. Die Neonazis haben sich in kürzester Zeit neu organisiert, zum Beispiel in der Partei ,Die Rechte’.“ Im vergangen Jahr betonte Kim Schmidt bereits, das „NW DO“-Verbot habe im Zuge der Selbstenttarnung des NSU im Jahr 2011 in ersten Linie einen symbolische Charakter gehabt.
Linker Demonstrationszug und rechte Standkundgebung waren für kurze Zeit in Sichtweite
Nachdem es am eigentlichen Jahrestag, dem 23. August, bereits eine Kundgebung von „BlockaDo“ anlässlich der jährlichen Protestaktion der Partei „Die Rechte“ gegen das „NWDO“-Verbot an der Katharinentreppe in der Dortmunder Innenstadt gegeben hatte, zog am Samstag, den 27. August, ein Demonstrationszug der Autonomen Antifa 170 nach Dorstfeld.
Unter dem Motto „Bringin it down – konsequent und beständig gegen rechte Strukturen“ trugen rund 240 Antifaschist:innen – deutlich weniger als im vergangenen Jahr – ihren Unmut über die Dortmunder Neonaziszene nach Dorstfeld. Die hatte ihrerseits eine Kundgebung vor ihrer Haustür – an der Thusneldastraße und Emscherstraße – angemeldet. Dazu kamen nur 27 Kamerad:innen.
„Das Aufgebot der Neonazis gegen unsere Demonstration verdeutlicht einmal mehr, dass die Neonaziszene schwächelt. Wir werden so lange weitermachen bis die Neonazis komplett handlungsunfähig sind“, erklärt Kim Schmidt, Pressesprecherin der Autonomen Antifa 170.
Als der Demonstrationszug in Dorstfeld ankam, stiegen einige schwarz-weiß-rote Luftballons ‚gen Himmel. An der Wörthstraße Ecke Emscherstraße und der Schmettowstraße Ecke Thusneldastraße bestand Blickkontakt zwischen dem linken Demonstrationszug und der rechten Standkundgebung.
„Die Nazis hatten unserer Demonstration nicht viel entgegenzusetzen. Ihr Plan, ihre Schwäche mit vielen Luftballons, Fahnen und Transparenten zu überspielen, ist gescheitert“, bewertet Schmidt. „Für Antifaschist:innen heißt das eins: Weitermachen. Wir werden weiter gegen Nazis aktiv bleiben und wieder nach Dorstfeld gehen, bis es nicht mehr notwendig ist“.
Bereits im vergangenen Jahr hatte es eine linke Demonstration anlässlich des „NWDO“-Verbots gegeben, die auf Höhe der Shell-Tankstelle an der Rheinischen Straße durch Steinwürfe gestört wurde. Dieses Jahr blieben größere Störungen aus.
Staatsanwaltschaft prüft mögliche strafrechtlich relevanten Äußerungen
Im Zuge der rechten Standkundgebung kam es möglicherweise zu strafrechtlich relevanten Äußerungen, erklärte die Dortmunder Polizei im Nachgang. Daher prüfe derzeit die Staatsanwaltschaft, ob beispielsweise der Begriff „Nazikiez“ im Zusammenhang mit der Kundgebung einen hetzerischen Charakter habe.
Zudem ließen einige Neonazis Ballons in den Farben schwarz-weiß-rot aufsteigen. Es wurden Strafanzeigen gefertigt, gab die Polizei im Nachgang der Demonstration bekannt.
Darüber hinaus stellten Mitglieder:innen des Bündnisses „Solidarität für Mouhamed Lamine Dramé“ am Morgen des 27. Augusts schockiert fest, dass das Wandbild in Erinnerung an den getöteten Geflüchteten mutwillig beschädigt wurde. Neben „Farbbomben“ wurde auch ein Fadenkreuz auf das Portrait des jungen Senegalesen gemalt.
Auf Anfrage von Nordstadtblogger teilte die Polizei Dortmund mit, dass sie prüfe, ob die „geschmacklose“ Beschädigung strafrechtlich zu ahnden sei. Das sei jedoch schwierig, da es sich um eine öffentliche Graffiti-Wand handele.