Das Jobcenter Dortmund bündelt die Kräfte: Mit dem Bezug des neuen Gebäudes an der Schützenstraße sitzt erstmals das für die Nordstadt zuständige „Team Mitte-Nord“ zusammen an einem Standort. Hier ist ab sofort auch die gebündelte Kompetenz des Jobcenters für Zugewanderte aus der Europäischen Union sowie für Geflüchtete. Diese „Integration-Point/Team EU“ genannte Einheit ist für die Gesamtstadt zuständig.
Das neue Gebäude ist ein altes – fast 100 Jahre Geschichte
Das neue Gebäude ist ein ganz altes: Das Jobcenter bezieht das komplett renovierte einstige Telegrafen-Zeugamt, das in den 1920er Jahren im Dortmunder Norden erbaut wurde. Nach der Sanierung des Gebäudes hat das Jobcenter die Immobilie nun angemietet und bezogen.
In den bisherigen Gebäuden wurde es zu eng: 1100 Mitarbeitende hat das Jobcenter, auf verschiedene Standorte verteilt. Die Geschäftsführung setzte auf eine „große Lösung“ – doch die war nicht unumstritten: Es bedurfte mehrerer Runden mit Personalrat, Gleichstellungsbeauftragten und Behindertenvertretung.
Obwohl sie inzwischen schon lange in der Steinstraße in der nördlichen Innenstadt saßen, gab es offenbar viele Vorbehalte, „noch weiter in den Nordstadt“ zu ziehen.
Doch die neue Lösung überzeugte selbst Kritiker:innen – insbesondere nach Abschluss der Sanierung. Die Lage und die gute Erreichbarkeit hatten die Geschäftsführung von Anfang an überzeugt: „Wir sind da, wo unsere Kund:innen sind und wir haben hier die Nähe zu den Bildungsträgern“, betont Jobcenter-Geschäftsführerin Dr. Regine Schmalhorst.
Neu formiertes Team „Integration Point/ Team EU“ an einem Ort
Das Prinzip, dahin zu gehen, wo die Menschen sind, hatte sich auch bei der Betreuung der Geflüchteten aus der Ukraine bewährt. Denn das Jobcenter ist mit einer Arbeitsgruppe in den Räumen des Sozialamtes am Entenpoth in Hörde eingezogen, als im Juni der vom Bund verordnete Wechsel der Zuständigkeit vom Sozialamt zum Jobcenter erfolgte.
Auch die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde und dem Sozialamt in der Berswordthalle und am Friedensplatz 7 bei „MigraDO“ habe sich bewährt: Das bedeute für die Menschen kurze Wege. Generell ist der „kurze Weg“ aber nicht das grundsätzliche Prinzip.
Denn beim Dortmunder Jobcenter hat man sich 2020 dazu entschieden, die Zuständigkeiten für Zugewanderte aus der Europäischen Union und den Geflüchteten nicht nach dem Wohnort den einzelnen Jobcentern zuzuordnen, sondern die Kompetenzen zu bündeln.
Daher ist das neu formierte Team „Integration Point/ Team EU“ an einem Ort vereint. Der Vorteil: „Wir haben da die interkulturellen Kompetenzen und ein Spezialist:innen-Team sowohl aus leistungsrechtlicher Sicht, was uns ganz wichtig war, und auch arbeitsvermittlerisch“, erklärt Susanne Cziske, Bereichsleiterin „Mitte-Nord“ und für den „Integration Point/Team EU“.
Der „Integration Point“ hat eine stadtweite Zuständigkeit
Diese Verzahnung bringt nach Ansicht des Jobcenters Vorteile für die Kund:innen, auch wenn die Wege zur Behörde vielleicht etwas weiter seien.
Denn für die Bearbeitung der Herausforderungen braucht es viel Spezialwissen, auch in ausländerrechtlichen Fragestellungen, verdeutlicht Cziske. Dies sei an der Schützenstraße gebündelt. Sie sind dort für alle leistungsrechtlichen und arbeitsvermittlerischen Fragestellungen zuständig.
In den speziellen Teams liegt die maximale Betreuungsdauer für Geflüchtete bei 18 Monaten. EU-Bürger:innen werden dort maximal fünf Jahre geführt, bevor sie an das Regionalteam überstellt werden.
„Unser Ziel ist, sie in die Stadtgesellschaft zu integrieren. Da überlegen wir gemeinsam, was wir tun können. Die fünf Jahre auf dem Papier. Wir hoffen, dass keiner sie braucht“, betont Schmalhorst.
Die Bündelung hat noch einen weiteren Vorteil: Denn das Jobcenter steht in einem engen Austausch mit einer Vielzahl von Kooperations-Partner:innen wie „Lokal Willkommen“ oder „Willkommen Europa“, wo es verschiedene Trägerverbünde, Träger und Projekte gibt. Das Jobcenter pflegt dort einen engen Austausch. Gleiches gilt auch für die Bildungsträger:innen – viele von ihnen sind ebenfalls in der Nordstadt ansässig.
Jobcenter meisterte den Andrang von Ukrainer:innen mit einem Freiwilligen-Team
Durch den von Bund verordneten Wechsel der Zuständigkeit der Geflüchteten aus der Ukraine vom Sozialamt zum Jobcenter im Juni kam auf die Behörde viel Arbeit zu. Dort hatte sich mit eine eigene Arbeitsgruppe aus Freiwilligen gebildet.
„Auch hier ging es um ein spezialisiertes Team, auch mit Ukrainisch- und Russisch-Kentnissen. Zusammengestellt aus der Belegschaft heraus. Es waren nur Freiwillige – niemand kam gegen seinen Willen ins Team“, erklärt Melanie Gronau, Leiterin der Arbeitsgruppe Ukraine.
Die Maxime war klar: „Erst muss die Leistung stehen. Erst wenn das Geld kommt und der Unterhalt gesichert ist, dann laden wir in die Arbeitsvermittlung ein“, so Gronau. Bis Ende August sitzt die Arbeitsgruppe in den Räumen des Sozialamtes am Entenpoth in Hörde. 15 Beschäftigte aus der Leistungsabteilung und drei Scouts kümmern sich um die Hilfesuchenden aus der Ukraine.
Die Freiwilligen hätten sich mit viel Einsatz an die Aufgabe gemacht. Sie betreuen aktuell mehr als 2100 Familienverbünde. Auch in der Berswordthalle und bei „MigraDO“ am Friedensplatz arbeite man engagiert und Hand in Hand mit Ausländerbehörde und Sozialamt. Dort wurde seit dem 1. Juni arbeitsteilig gearbeitet: Neuzugänge wurden dann von Behörde zu Behörde durchgereicht, um alle nötigen Schritte „in einem Abwasch“ auf den Weg zu bringen.
Es gibt kaum noch Neuzugänge aus der Ukraine
Mit der Anlaufstelle in der Berswordthalle dürfte allerdings Ende August auch Schluss sein. Seit dem 1. Juni gibt es kaum noch Neuzugänge aus der Ukraine: Nur 104 Familien hatten sich danach neu gemeldet. Deutlich mehr Familien sind in dieser Zeit zurückgekehrt oder in andere Städte gezogen.
Bei der Weiterbewilligung von Leistungen werde man sehen, wer aktuell noch in Dortmund sei. Eine Schließung des Infopoints in der Berswordthalle habe aber keine negativen Auswirkungen. Neuzugänge könnten in jedem Jobcenter ihre Anträge stellen.
Fahrt aufgenommen hat mittlerweile auch die Arbeitsvermittlung. Seit dem 15. Juni hatte das Jobcenter bereits 150 persönliche Beratungen. Das Interesse daran ist groß, ebenso wie an der Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen, berichtet Irina Pilavski, Arbeitsvermittlerin und Beraterin für ukrainische Geflüchtete.
Die Arbeitsvermittlung wird vergleichsweise früh ein Thema
Nicht nur die Motivation der Geflüchteten sei hoch, sie seien auch sehr gut organisiert, hätten alle nötigen Unterlagen dabei und auch konkrete Vorstellungen, wie sie in Dortmund beruflich Fuß fassen wollten.
Daher gebe es auch schon erste Arbeitsaufnahmen, Gewerbeanmeldungen und auch Schritte in eine Selbstständigkeit, freut sich die Beraterin. Auch auf Arbeitgeberseite gebe es großes Interesse. So wurde u.a. aus der Gastronomie heraus eine Aktion gestartet, unter den Geflüchteten neue Beschäftigte zu finden.
„Es kamen viele Menschen mit viel Potenzial. Daher haben wir auch den Arbeitgeberservice am Entenpoth, weil 65 Prozent der Geflüchteten Fachkräfte sind und wir akuten Fachkräftemangel haben“, betont Susanne Cziske. Der Arbeitgeberservice greift daher sofort Potenzialträger:innen ab. Das macht jetzt schon Sinn“, sagt sie mit Blick auf die vergleichsweise frühe Einbindung des Arbeitgeberservices.
„Allerdings sind die ukrainischen Abschlüsse aber nicht mit unseren vergleichbar. Studienabschlüsse sind oft eher vergleichbar mit einer dualen Ausbildung“, ergänzt Beate Bachmann, die stellvertretende Geschäftsführerin des Dortmunder Jobcenters. Oft gebe es vergleichsweise kurze Aus- und Fortbildungen, dann aber sehr lange Berufserfahrungen. Daher sei die Ermittlung von Kompetenzen wichtig wie auch das Thema der Anerkennung.
Mehr Informationen:
- Am neuen Jobcenter-Standort an der Schützenstraße arbeiten insgesamt 130 Personen. Davon sind 33 Mitarbeitende im Team IP/EU tätig.
- Im Zuständigkeitsbereich Mitte-Nord (Nordstadt) werden mit Stand März 2022 11.487 „erwerbsfähige Leistungsberechtigte“ (ELB) betreut. Dies sind knapp 20 Prozent (19,6 Prozent) aller ELB im Dortmunder Jobcenter.
- 2.969 der „erwerbsfähigne Leistungsberechtigten“ entfallen dabei auf den Bereich „Integration Point/ Team EU“, was einem Anteil von 25,8 Prozent der in der Schützenstraße betreuten Menschen entspricht.
- 75,7 Prozent der Menschen der vom „Integration Point/ Team EU“ betreuten Menschen stammen aus Europa, 13,9 Prozent kommen aus Asien, knapp zehn Prozent aus Afrika.
- 13,5 Prozent der Menschen, die im „Integration Point/ Team EU“ betreut werden, haben einen Fluchthintergrund.