Von Emma Neumann
25 Jahre ist es her, dass „Vergewaltigung in der Ehe“ als Straftatbestand gilt. Aus diesem Anlass wurde die Wanderausstellung „Was ich anhatte“ in der Berswordt-Halle in der Dortmunder Innenstadt eröffnet. Sie bietet die Möglichkeit, sich die Kleidung von Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben anzuschauen und sich mittels QR-Code ihre Geschichte anzuhören. Ausgerichtet wurde die Eröffnung vom Gleichstellungsbüro Dortmund und dem Soroptimist-Club Dortmund.
Eröffnung der Ausstellung durch Bürgermeister Norbert Schilff
„Die Berswordt-Halle ist genau der richtige Ort für die Ausstellung, da es ein öffentlicher Ort ist“, so Bürgermeister Norbert Schilff. Die Aktion solle auf das wichtige Thema „sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen“ aufmerksam machen und dafür sensibilisieren. Ihm wäre es am liebsten, wenn es diesbezüglich gar keine Hilfestellung mehr geben müsste und es keine Opfer von Gewalt mehr geben würde. ___STEADY_PAYWALL___
Auch Gleichstellungsbeauftragte Maresa Feldmann hielt eine Rede. Sie legte unter anderem das damalige Abstimmungsverhalten für den Beschluss „Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand“ offen. Wahlberechtigt waren 478 Männer und gerade einmal 166 Frauen, das Gesetz lag also im Ermessen der Männer.
66 Prozent der Männer und 94 Prozent der Frauen stimmten für das Gesetz. Dieses Ergebnis zeige, wie wichtig es sei, dass Frauen für ihre Rechte eintreten. Wichtig sei auch, sogenannte Vergewaltigungsmythen aufzudecken, da die Schuld einzig und allein beim Täter liege. „Es spielt keine Rolle, welche Kleidung getragen wurde. Eine Frau wird nicht vergewaltigt, weil sie einen Minirock trägt. Es geht bei Vergewaltigungen vor allem um eines: um Macht“, so die Gleichstellungsbeauftragte Maresa Feldmann.
Sensibilisierung zum wichtigen Thema „Sexualisierte Gewalt“
Im Anschluss an die offizielle Eröffnung wurde eine Podiumsdiskussion mit der Kuratorin der Ausstellung, Beatrix Wilmes, Vertreterinnen der Frauenberatungsstelle Dortmund, des Frauenhauses Dortmund und dem Opferschutzbeauftragten der Polizei Dortmund geführt. Die Intention hinter der Wanderausstellung wurde von der Präsidentin des Soroptimist-Clubs, Ursula Bissa erklärt.
Die Ausstellung solle sensibilisieren und das Thema aus der Tabu-Zone herausholen. Außerdem stelle sich die Frage, wie man Frauen in einer solchen Situation unterstützen könne. Ein Video, das den Anwesenden vorgespielt wurde, thematisierte die Erfahrungen von Frauen von sexualisierter Gewalt.
Unter anderem wurde auf Aussagen der Täter eingegangen. Aussagen wie „Ich konnte nicht anders, du bist einfach so schön“ sind keine Einzelheit. „Männer drängen sich in einer solchen Situation oftmals in die Opferrolle, sie hätten ja nicht widerstehen können“, so der Opferschutzbeauftragte.
Ausstellung klärt über sogenannte Vergewaltigungsmythen auf
Ein besonderer Fokus bei der Podiumsdiskussion lag auf der wichtigen Message, dass immer nur der Vergewaltiger schuld ist und niemals die Betroffenen. Fragen, wie „Was hattest du denn an?“, bringen Frauen, die so etwas erlebt haben, in eine Situation, in der sie die Schuld unberechtigterweise bei sich suchen.
Auch über sogenannte Vergewaltigungsmythen wurde aufgeklärt. Dazu zählt zum Beispiel die Annahme, dass man sich am meisten vor einer Vergewaltigung fürchten müsse, wenn man abends alleine durch eine dunkle Gasse läuft.
Obwohl diese Einzelfälle existieren, würden die meisten Fälle vom Bekanntenkreis, dem Partner oder Ex-Partner ausgehen. Ein weiterer Mythos sei die soziale Schicht der Täter. Aus welcher Schicht ein Täter stammt, spiele aber keine Rolle und lasse sich nicht pauschalisieren.
Viele betroffene Frauen bringen die Tat nicht zur Anzeige
„Von drei- bis viertausend betroffenen Frauen zeigen gerade mal eine Handvoll den Täter an“, so Rita Willeke vom Frauenhaus Dortmund. Es sei eine schlimme Prozedur, durch die die Betroffenen gehen müssten, wenn sie die Tat anzeigen und am Ende hieße es dann Aussage gegen Aussage.
Der Opferschutzbeauftragte der Polizei merkte an, dass es die beste Chance auf eine Verurteilung des Täters gäbe, wenn die Betroffenen umgehend nach der Tat die Spuren sichern lassen würden, was aber selten der Fall sei, weil sie nach einer solchen Tat meist erstmal unter Schock stünden.
Er ruft außerdem dazu auf, auch als Mann Partei zu ergreifen und Stellung zu beziehen, wenn es um das Thema sexualisierte Gewalt geht.
Während der Podiumsdiskussion wurde auch erklärt, dass es ganz normal ist, unterschiedlich mit der Erfahrung von sexualisierter Gewalt umzugehen. So sei es normal, danach völlig aufgelöst zu sein aber auch, wenn es der Betroffenen danach nicht so schlimm gehe, wie sie gedacht hätte oder wie man es von anderen Betroffenen „gewohnt“ sei.
Wer Lust hat, die Wanderausstellung zu besuchen, kann das bis zum 11. Juli in der Dortmunder Berswordt-Halle tun. Der Besuch ist kostenfrei. Weitere Informationen: wasichanhatte.de
Plakataktion gegen sexualisierte Gewalt
Neben der Ausstellung in der Berswordthalle hat die Frauenberatungsstelle Dortmund in Kooperation mit dem Gleichstellungsbüro eine großflächige Plakataktion an 45 Standorten in der Dortmunder Innenstadt gestartet. Damit soll ein klares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt gesetzt und auf Hilfsangebote für Betroffene hingewiesen werden. Die Aktion findet im Rahmen der Kampagne „nein heißt nein“ der Frauenberatungsstelle statt.
Eine Woche lang sind große Plakate mit der Aufschrift „nein heißt nein – Die Schuld liegt allein beim Täter!“ zu sehen sein. Besonders wichtig ist es den Beraterinnen, Frauen die Schuldgefühle für die erlebte sexualisierte Gewalt zu nehmen. Denn noch immer existieren sogenannte Vergewaltigungsmythen, die Frauen eine Mitschuld an dem Geschehen geben. „Doch völlig unabhängig von Kleidung, Alter oder Verhalten der Frauen – die Schuld liegt allein beim Täter!“ sagt Franca Ziborowius, Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle Dortmund.
Mit der Plakataktion will die Frauenberatungsstelle Dortmund diese Botschaft noch stärker in die Öffentlichkeit bringen und zudem weiter für das Thema sexualisierte Gewalt sensibilisieren. Denn nach wie vor ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen eines der größten gesellschaftlichen Probleme: Laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erlebt jede siebte Frau mindestens einmal in ihrem Leben strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt.
„Sexualisierte Gewalt ist ein Ausdruck patriarchaler Machtstrukturen“
99 Prozent der Täter sind männlich. Über die Hälfte der Frauen gaben den (Ex-)Partner als Täter an. „Das bedeutet auch, dass sexualisierte Gewalt dort passiert, wo sich die Frauen am sichersten fühlen sollten, wie zum Beispiel im eigenen Zuhause“ erklärt Franca Ziborowius.
„Sexualisierte Gewalt ist ein Ausdruck patriarchaler Machtstrukturen. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, diese Strukturen zu durchbrechen, hinzusehen und zu handeln! Ein Ansatzpunkt ist diese Plakatkampagne, die für das Thema Öffentlichkeit schaffen soll“, so die Dortmunder Gleichstellungsbeauftragte Maresa Feldmann.
Die Plakate setzen ein klares Statement gegen die Verharmlosung solcher Taten. Zugleich möchte die Frauenberatungsstelle Dortmund betroffene Frauen ermutigen, sich in Fällen von sexualisierter Gewalt Hilfe zu suchen. „Wir als Frauenberatungsstelle stehen parteilich an der Seite der Frauen. Wir glauben ihnen und nehmen ihre Gefühle und Ängste ernst. Wir beraten unabhängig von einer Anzeigenstellung und entwickeln gemeinsam mit den Frauen passende Handlungsmöglichkeiten“, sagt Claudia Ebbers, vom Leitungsteam der Frauenberatungsstelle.
Weitere Informationen:
- www.frauenhaus-dortmund.de
- Seite des städtischen Gleichstellungsbüros: hier
- www.dortmund.polizei.nrw/opferschutz-und-opferhilfe
- www.clubdortmund.soroptimist.de
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Lesung mit Jule Vollmer: „Frauen, die sich wehren“ (PM AWO)
Am 1.7.2022, genau 25 Jahre später, seitdem der Tatbestand „Vergewaltigung in der Ehe“ im Strafgesetzbuch verankert wurde, hat das Gleichstellungsbüro der Stadt Dortmund in Kooperation mit der AWO Unterbezirk Dortmund eine Lesung mit dem Titel „Frauen, die sich wehren“ mit Jule Vollmer im BierCafé West veranstaltet.
„Mir ist es wichtig, genau heute, an dem Jahrestag der Gesetzesänderung, mit einer Veranstaltung das Thema Gewalt gegen Frauen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und hierfür zu sensibilisieren,“ betonte die Gleichstellungsbeauftragte Maresa Feldmann.
Jule Vollmer griff in ihrer musikalischen Lesung das Thema „Gewalt gegen Frauen“ auf humoristisch-hintergründige Weise auf und unterhielt mit Geschichten von Frauen, die sich mit Einfallsreichtum und Humor aus ihrer Opferrolle durch Phantasie und Tatkraft befreien konnten. Sie sang berührende Lieder, die das Thema der Veranstaltung einfühlsam aufgriffen.
Cordula von Koenen von der AWO Unterbezirk Dortmund ging in ihrer Begrüßung auf die Notwendigkeit ein, sich in der Gesellschaft für Frauenrechte zu engagieren und Courage zu zeigen: „Die Begründerin der AWO, Marie Juchacz war eine dieser bedeutenden Frauen. Sie hat sich in der Politik mit viel Mut und Hartnäckigkeit für die Gleichberechtigung der Geschlechter eingesetzt. Dieser Grundgedanke der Solidarität lebt in der AWO bis heute weiter. Der Jahrestag ist ein wichtiges Datum, da sich vor 25 Jahren insbesondere die Frauen im Bundestag dafür eingesetzt haben, dass Vergewaltigung in der Ehe nicht länger lediglich als Nötigung geahndet wurde,“ so Cordula von Koenen.