Ein viel zu schwer beladener Esel hat die Parteien in Nordrhein-Westfalen daran erinnert, dass die benachteiligten Kommunen im Land dringend eine gerechte Finanzverteilung brauchen. Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ besuchte damit die Zentralen von CDU. SPD, FDP und Grünen mit einem Wagen, den der Künstler Jacques Tilly gebaut hat. Er zeigt einen Esel, der zwei große Säcke auf dem Rücken trägt und dadurch in die Knie gezwungen wird. Auf den Säcken steht „Altschulden“ und „Coronakosten“.
Eine Altschuldenlösung würde die Kommunen von einer Last befreien
Sie symbolisieren die Lasten, unter denen die Städte und Kreise leiden. Die damit verbundene Forderung der Kommunen: NRW muss dieses Jahr die Altschuldenfrage lösen. Es ist das letzte Bundesland, das keine solche Lösung gefunden hat – ohne diese wäre die Altschuldenlösung, die die Bundesregierung angeboten hat, wirkungslos.
Mindestens sechs Millionen Menschen in NRW leben in einer finanzschwachen Kommune, das ist jede und jeder Dritte. Es handelt sich um Städte, die strukturell benachteiligt sind, weil sie hohe Sozialausgaben haben und geringe Steuereinnahmen. Erschwerend hinzu kommt, dass Bund und Länder bei den Aufgaben, die sie den Kommunen zugewiesen haben, nicht für einen angemessenen finanziellen Ausgleich sorgen.
Deshalb mussten die Städte Kredite aufnehmen, um diese Aufgaben erfüllen zu können. Nun zahlen sie für Tilgung und Zinsen statt vor Ort in Kitas, Schulen, Straßen oder Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung zu investieren.
Die Lage, in die die Kommunen unverschuldet geraten sind, verschlechtert sich aktuell drastisch und macht die Erfolge zunichte, die die Städte und Kreise in den vergangenen Jahren mit großen Anstrengungen erreicht hatten. Steigende Bau- und Energiekosten, Zinserhöhungen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und des Ukrainekriegs – all das steigert die Lasten für die Kommunen, führt zu neuen Schulden und bedroht die Handlungsfähigkeit.
Eine Altschuldenlösung würde die Kommunen von einer Last befreien und sie für die anstehenden schwierigen Zeiten krisenfester machen. Parallel dazu müssen Bund und Land dafür sorgen, dass die ungerechte Finanzverteilung beseitigt wird, damit die Kommunen nicht erneut in eine solche Situation geraten.
Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ bietet seine Hilfe an
Wie eine Lösung aussehen kann, haben andere Bundesländer vorgemacht. Hessen, das Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Niedersachsen haben Modelle für die Altschuldenfrage entwickelt, Rheinland-Pfalz hat gerade eine Lösung auf den Weg gebracht.
In Berlin haben Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt, dass der Bund seinen Teil zur Lösung beitragen wird. Das kann aber nur gelingen, wenn das bevölkerungsreichste Bundesland, in dem sich zahlreiche betroffene Kommunen befinden, eine Lösung entwickelt und umsetzt.
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ bietet dabei seine Hilfe an. Die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen haben den Parteien am Montag umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung gestellt. Sie haben Daten zur Lage kleinen, mittleren und großen Städten gesammelt, die zeigen, wie groß der Investitionsstau ist und welche Folgen eine Zinserhöhung haben wird.
„Wenn die Kommunen keine Handlungsspielräume haben und diese Aufgaben nicht finanzieren können, wird es Städte geben, in denen die Digitalisierung schlicht und ergreifend ausfallen wird“, heißt es im Bericht aus Wuppertal.
Darüber hinaus hat das Aktionsbündnis von seinen Mitgliedskommunen aus anderen Bundesländer Erfahrungsberichte zur Wirkung der dortigen Altschuldenlösungen mitgebracht. Diese zeigen, dass die Modelle funktionieren und dass die nächste NRW-Landesregierung nicht bei Null anfangen muss, wenn sie eine Lösung entwickelt. Sie muss nur dringend damit anfangen.
HINTERGRUND zum Aktionsbündnis
- Die Städte und Kreise Im Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ haben sich 65 Kommunen aus sieben Bundesländern zusammengeschlossen, 36 davon aus NRW.
- Die Kommunen waren besonders vom Strukturwandel betroffen, deshalb haben sie geringe Einnahmen aus Steuern und hohe Ausgaben, insbesondere im Sozialbereich.
- Infolgedessen sind die Kommunen besonders benachteiligt durch die beschriebene Finanzverteilung und waren in besonderem Maße gezwungen, Schulden zu machen, um die ihnen auferlegten Aufgaben erfüllen zu können.
- Bündnis-Mitglieder aus NRW sind: Bochum, Bottrop, Dinslaken, Dorsten, Dortmund, Duisburg, der Ennepe-Ruhr-Kreis, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hagen, Hamm, Hattingen, Herne, Krefeld, der Kreis Recklinghausen, der Kreis Unna, der Kreis Wesel, Leverkusen, Löhne, Lünen, Moers, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Recklinghausen, Remscheid, Schwerte, Solingen, Voerde, Waldbröl, Werne, Wesel, Witten, Wülfrath und Wuppertal.
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Altschuldenregelung: Jetzt hoffentlich richtig! GRÜNE Fraktion begrüßt Vorschlag der Landesregierung (PM)
Die GRÜNE Ratsfraktion begrüßt, dass die schwarz-GRÜNE Landesregierung einen erneuten Vorstoß macht, um die Problematik der Altschulden insbesondere vieler Ruhrgebietsstädte endlich zu lösen. Ab dem kommenden Jahr will das Land dafür jährlich 250 Millionen Euro zur Verfügung stellen, insgesamt sollen es über 30 Jahre dann 7,5 Milliarden Euro sein.
Katrin Lögering und Dr. Christoph Neumann, Sprecher*innen der GRÜNEN Rats-fraktion: „Wir fordern seit vielen Jahren eine Lösung der Altschulden-Problematik. Deshalb ist die Nachricht des Landes eine gute Nachricht auch für Dortmund. Und sie ist besser als der erste gescheiterte Versuch aus dem letzten Jahr, bei dem es nur um eine Umverteilung von Geldern ging, das den Kommunen eh zugestanden hätte. Es ist deshalb gut, dass die Landesregierung dieses Mal zusätzliches Geld bereitstellen will. Nach der Zusage des Landes ist nun die Bundesregierung gefragt, ihr Bekenntnis zur Unterstützung der Kommunen in die Tat umzusetzen und zur Lösung der Alt-schulden-Problematik den Betrag des Landes zu verdoppeln.“
Wie sehr die Altschulden den städtischen Haushalt belasten und beeinflussen, zeigt die Tatsache, dass die Liquiditätskredite sich inzwischen auf rund 1,5 Milliarden Euro belaufen. In der mittelfristigen Finanzplanung geht die Kämmerei sogar von zwei Milliarden Euro aus.
„Wir haben auch in Dortmund in den kommenden Jahren vom Klimaschutz über die Unterbringung von Geflüchteten bis hin zum Erhalt der sozialen Infrastruktur viele Herausforderungen zu bestehen. Dafür brauchen wir die finanzielle Handlungsfähigkeit. Die Altschulden sind insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Zinsen ein Klotz am Bein, den wir endlich loswerden müssen“, so Katrin Lögering und Christoph Neumann.
Bei der Frage der Altschulden darf allerdings aus Sicht der GRÜNEN Ratsfraktion die Diskussion um eine Finanzierung der Kommunen nicht stehen bleiben. Erst vor kurzem hatte sich die Fraktion deshalb einem bundesweiten Netzwerk GRÜNER Kom-munalpolitiker*innen angeschlossen, das insgesamt eine auskömmlichere und flexiblere Finanzierung von Städten und Gemeinden fordert. Gerade bei den Sozialkosten bleibt dabei die Forderung nach Konnexität, also dem Motto „Wer bestellt, bezahlt“, gegenüber dem Bund ein Dauerbrenner.
Zu der aktuellen Zusage des Landes äußert sich auch der Dortmunder Landtagsabgeordnete der GRÜNEN, Michael Röls-Leitmann:
„Die Landesregierung hält Wort! Trotz angespannter Haushaltslage können wir den Kommunen mit 250 Millionen Euro Landesmitteln jährlich ab nächstem Jahr mit der Altschuldenlösung unter die Arme greifen. Für Dortmund und viele weitere Städte ist damit endlich Entlastung in Sicht! Nun ist es an Bundesfinanzminister Lindner, sein Wort zu halten und ebenfalls Verantwortung für die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Städte zu übernehmen.“
Hinsichtlich der bisherigen Zusage des Bundes, die Hälfte der Altschulden zu übernehmen, wenn sich die Länder mit einem vergleichbaren Anteil beteiligen, äußert sich Markus Kurth, Dortmunder Bundestagsabgeordneter der GRÜNEN und Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags:
„Es ist eine gute Nachricht, dass die Landesregierung die Kommunen trotz der angespannten Haushaltslage mit Landesgeldern von ihren Altschulden entlasten will. Das war uns Grünen bei den Koalitionsverhandlungen – damals noch unter wesentlich besseren Finanzbedingungen – ein zentrales Anliegen. Diese Priorität ist richtig. Letztes Jahr ist der damalige Vorschlag der NRW-Kommunalministerin von den Kommunen, aber auch vom Bundesfinanzminister zurückgewiesen worden. Herr Lindner hat vor allem damit argumentiert, dass das Land kein eigenes Geld einsetzen würde. Das ist mit der heutigen Ankündigung hinfällig. Der Ball liegt jetzt bei Christian Lindner. Der Bund muss nun auch seinen Teil der Verantwortung übernehmen und seinen Anteil zur Entschuldung beisteuern.“
Altschuldenlösung NRW: Auf Worte müssen Taten folgen (PM ver.di NRW)
Zum Eckpunktepapier der Landesregierung zur Lösung der kommunalen Altschulden erklärt ver.di Landesleiterin, Gabriele Schmidt:
„Wir begrüßen die Ankündigung der Landesregierung, endlich einen wichtigen Schritt zur Entlastung vieler NRW-Kommunen zu gehen. Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass es eine nachhaltige Altschuldenlösung braucht, um die Kommunen wieder handlungsfähig zu machen.“
Nun müssten auf Worte Taten folgen. Dazu sei das Eckpunktepapier eine gute Grundlage. Land und Bund seien in der Verantwortung, gemeinsam die notwendigen Finanzmittel auf den Weg zu bringen. Nur mit finanziell gestärkten Kommunen könnte die Zukunft in NRW positiv gestaltet werden.
„Die Handlungsfähigkeit der Kommunen betrifft uns alle in unserem täglichen Leben. Ob in den Kitas, den Schulen, den Straßen oder den Schwimmbädern, überall sind die finanziellen Probleme sichtbar“, so Schmidt.
Weiter betont die Landesleiterin: „Der Teufel steckt häufig im Detail, deshalb muss jetzt zunächst eine Prüfung des Vorschlags der Landesregierung stattfinden. Eine Lösung zu Lasten des kommunalen Finanzausgleichs darf es nicht geben. Mit solchen Taschenspielertricks lassen wir uns nicht blenden.“