Viele Wege führen zu neuen Musikstücken. Manche entstehen am Schreibtisch – basieren auf Erfahrungen, Schemata oder wissenschaftlichen Erkenntnissen. Andere Kompositionen haben den Ursprung im losen Zusammenspiel von Rhythmen, Tönen und Worten am Lagerfeuer oder im Proberaum. Meist ohne Vorgaben, dafür aber immer im direkten, auch visuellen Kontakt zwischen den Musiker:innen. Was aber passiert, wenn diese ursprünglichste Form des Zusammenspiels, die Improvisation, komplett ohne Sichtkontakt entsteht und die beteiligten Musiker:innen teils nicht einmal wissen, mit wem sie zusammen musizieren? Diese Frage stellt sich Dietmar Wäsche, Musiker, Fotograf und Organisator des X-Room-Jam, der im Künstlerhaus am Sunderweg stattfand.
Niemand weiß und sieht, mit wem man zusammenspielt
Beteiligt waren über 15 Musiker:innen, die an einer dreistündigen Jam-Session ohne Sichtkontakt teilnahmen. Die Musiker:innen, die aus unterschiedlichsten Sparten der Musik kommen, haben eines gemeinsam: Sie haben noch nie zuvor gemeinsam miteinander musiziert. ___STEADY_PAYWALL___
„Das Aufregende und Spannende ist, dass man nicht weiß mit wem man zusammenspielt und was einen stilistisch erwartet“, sieht die Musiktherapeutin Leonie Mayer den besonderen Reiz des musikalischen Formats. Mit Geige und ihrer beindruckenden Stimme trägt sie zum Gelingen des Projektes bei.
Ein Stockwerk darüber spielt Hellmut Neidhardt Gitarre, im Keller darunter sitzt Lars Wege am Schlagzeug und spielt die passenden Rhythmen. Gleich nebenan im Raum spielt Anna Eifel auf ihrem Cello. Im Wechsel mit Dietmar Korthals, dem Organisten der Pauluskirche, der dort in die Tasten greift.
Sessionerprobte Musiker:innen schaffen ein hörenswertes Zusammenspiel
Was alle auszeichnet, trotz der unterschiedlichen musikalischen Ausrichtungen, ist, ein hörenswertes Zusammenspiel stattfinden zu lassen. Symphonie statt Kakophonie. Mal verträumt sphärisch mal rockorientierter.
„Ich mache gerne Sessions“, weiß Anna Lenser von der Metalband Fearborne. Aufgeregt wartet sie auf ihren Einsatz. Gleich dreimal ist sie zur Stelle, an Gitarre und Bass und am Mikrofon mit ihrer kräftigen souligen Stimme.
In rund zehn Räumen des Hauses spielen die Musiker:innen jeweils allein und werden dabei von Foto- und Videograph Klaus Pollkläserner gefilmt. Die Verbindung zu den anderen ist rein akustisch: Sämtliche Räume sind miteinander verkabelt und mit Kopfhörerzugängen ausgestattet.
Durch den geplanten Wechsel der Beteiligten nach Zeitplan entstehen immer neue Kombinationen, sowohl personell als auch vom Instrumentarium. Neben den klassischen Instrumenten der populären Musik wie Gitarre, Bass und Schlagzeug kommen auch elektronische Elemente sowie Streich- und Tasteninstrumente zum Einsatz.
Dietmar Wäsche initiiert gemeinschaftlichen musikalischen Produktionsprozess
„Das Projekt bringt Musiker:innen trotz der Pandemie zusammen und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl“, glaubt Organisator Dietmar Wäsche, selbst Gitarrist des Minimal-Surf Duos Los Dos Cerrados.
„Das Format ein völlig neues und bringt neue Ansprüche mit sich. Dazu gehört ein neuer, gemeinschaftlicher Produktionsprozess“, skizziert er kurz die Intention. Dietmar Wäsche erhofft sich eine nachhaltige Sichtbarmachung von Musiker:innen, Bands und der lokalen Liveszene.
Das Künstlerhaus Dortmund stellte die Räumlichkeiten seines Hauses am Sunderweg zur Verfügung und ließ die Musik teils inmitten der aktuellen Ausstellung GO AREA entstehen. Inwiefern die Cartoons von Holger Rosen sich auf die Improvisationen von Alex Kersting auf den Electronics ausgewirkt haben, wird unter anderem auf Youtube zu hören und zu sehen sein.
Das umfangreiche Material der Session wird jetzt erst mal abgehört und gesichtet und anschließend geschnitten. Der Beitrag soll dann später auf Youtube / Facebook zu sehen sein, wo es auch schon Videos früherer Jam-Sessions zu sehen gibt. Gefördert wurde das Projekt von den Dortmunder Kulturbetrieben.