Premiere für die Jüdische Gemeinde am Platz der Alten Synagoge: Nach mehr als 80 Jahren wurde am historischen Ort wieder ein Licht an einem Chanukka-Leuchter entzündet. Menschen jüdischen Glaubens begehen in diesen Tagen das Lichterfest. Seit einigen Jahren findet der Brauch auch den Weg in die Öffentlichkeit – mit einem Fest zum Abschluss am Phoenixsee. In diesem Jahr steht der Leuchter erstmals wieder am historischen Ort – sehr zur Freude der Gemeinde.
Die „Zierde für die Stadt, für Jahrhunderte erbaut“ wurde nach 38 Jahren zerstört
Stadtdirektor und Kulturdezernent Jörg Stüdemann kam die Ehre zu, das erste Licht zu entzünden. Er würdigte die Besonderheit des Moments – denn der Leuchter kehre nach vielen Jahrzehnten zurück an den Ort, wo einst die prächtige große Synagoge stand.
Die Eröffnung der Synagoge wurde im Juni 1900 gefeiert. Der damalige Dortmunder Oberbürgermeister Karl Wilhelm Schmieding sprach in einem Grußwort von einer „Zierde für die Stadt, für Jahrhunderte erbaut“.
Mit 1300 Plätzen, davon 750 für Männer reservierte Sitzplätze im Erdgeschoss und 450 Plätze für Frauen auf den Emporen des Kuppelbaus, war die Synagoge zu ihrer Zeit eines der größten jüdischen Bethäuser in Deutschland.
Das Grußwort des Oberbürgermeisters sollte sich jedoch nicht bewahrheiten. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 wähnte sich Dortmund auf dem Weg zur Hauptstadt eines Gaus Westfalen mit entsprechenden Prunkbauten im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie.
Wunsch nach einem Chanukka-Leuchter zum Lichterfest auf der Opern-Terrasse
Die örtliche Leitung der NSDAP bezog gegenüber der Synagoge Quartier und zwang die jüdische Kultusgemeinde aus angeblich städtebaulichen Gründen zum Verkauf des Grundstücks. Die Kaufsumme wurde nach dem vermeintlichen Kauf beschlagnahmt. Noch vor den Novemberpogromen 1938 begann die Demontage. Am 21. September wurde im Rahmen einer „Feierstunde“ die vergoldete Kugel auf der Kuppel entfernt und im Dezember 1938 war der Abriss vollzogen.
Seit 1998 heißt der Theatervorplatz offiziell Platz der Alten Synagoge. Es wurden ein Gedenkstein und eine Gedenktafel errichtet. Auf Dortmunder Stadtgebiet gab es zwei weitere repräsentative Synagogen in den Stadtteilen Hörde und Dorstfeld. Beide wurden in der Pogromnacht geschändet und zerstört. Daran, wie auch an die vielfältigen Verdienste der jüdischen Mitbürger:innen, erinnerte der Kulturdezernent, der sich freute, dass die Jüdische Gemeinde nun mit dem Chanukka-Fest zurück ins Herzen der Stadt kommt.
Stüdemann nahm auch den Wunsch bzw. die Frage der jüdischen Gemeinde mit, ob das Stadttheater – das Opernhaus wurde auf dem Platz der Alten Synagoge errichtet – nicht dauerhaft zu Chanukka einen Leuchter auf die Terrasse stellen könne. Dortmund könnte damit dem Beispiel von Erfurt folgen. Dort hatte die Theaterwerkstatt einen überdimensionalen Leuchter gebaut, der an die Geschichte des Ortes erinnert.
„Chanukka ist ein Fest, das für Wunder und Hoffnung steht“
Das passe zu der Bedeutung des Festes, machte Maxim Kolbasner, der neue Vorsitzende der jüdischen Repräsentanz in seiner Rede deutlich: „Chanukka ist ein Fest, das für Wunder und Hoffnung steht und für das Erleuchten von Neuem. Hierzu werden wir gleich gemeinsam die erste Kerze anzünden, die somit den Start des achttägigen Festes symbolisiert.“
Insbesondere für Kinder sei die momentane Corona-Lage häufig bedrückend und einsam. Sie müssten auf viele Aspekte ihrer Kindheit verzichten und oftmals zurückstecken. Das Chanukkafest jedoch sei ein Fest der Wunder.
„Dieses Fest wird von Kindern besonders geliebt. Es wird mit Freunden und der Familie verbracht und ist geprägt von Spielen mit dem Dreydel, dem Essen der Sufganiot, also süßen öligen Speisen, von Geschenken – aber vor allem von dem täglichen gemeinsamen Kerzenentzünden. Es soll uns Licht und Hoffnung schenken“, so Kolbasner.
Lichterfest am Phoenixsee – Chanukka-Lichter auf am Dortmunder U
Das Fest erinnert an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Die Legende erzählt, dass nach der Rückeroberung des Tempels nur noch ein einziger Krug mit reinen Öl gefunden wurde, das zum Zünden des Tempelleuchters hätte verwendet werden können.
Es hätte aber acht Tage gedauert, neues Öl herzustellen. Der Tempel hätte nicht wieder eingeweiht werden können. Doch auf wundersame Weise reichte das kleine bisschen Öl ganze acht Tage aus: Genug Zeit, neues Öl herzustellen. Dieses Wunder gab den Menschen Hoffnung und das Licht symbolisierte ihre Errettung.
„Deshalb steht heute im Zentrum dieses Festes der achtarmige Leuchter – die Channukkia. Wir zünden jeden Tag nach Sonnenuntergang eine Kerze mehr, bis schließlich alle acht Kerzen brennen und gedenken diesem Wunder“, so Kolbasner.
„Dies ist der Grund warum Chanukka heutzutage weltweit acht Tage gefeiert wird. Lasst uns diesen gemeinsamen Abend heute als Start in eine richtungweisende, erwärmende und erleuchtete Zukunft betrachten“, so der Vorsitzende.
Der Leuchter steht noch bis Sonntag auf der Terrasse des Opernhauses. Dann soll er abgebaut und zum Phoenixsee gebracht werden, wo dann am 2. Advent (5. Dezember 2021) um 18 Uhr das Lichterfest gefeiert werden soll. Übrigens: Die Chanukka-Kerzen sind auch wieder auf dem Dortmunder U zu sehen.