Von Susanne Schulte
Für den Ruhm seines Lieblings-Ballspielvereins und zum Wohle seiner Arbeitgeberin holt sich Karsten Haug in diesen Winterwochen klaglos kalte Füße. Der Gemeindereferent der katholischen Kirche und Dauerkarten-Besitzer fürs Westfalenstadion öffnet noch bis zum 17. Februar auf Wunsch von Besuchergruppen außerhalb der Gottesdienstzeiten die Türen der Dreifaltigkeitskirche an der Flurstraße, um den Gästen die Trikots der BVB-Spieler aus den vergangenen 50 Jahren zu zeigen.
Die hängen, gut 30 an der Zahl, auf Bügeln an Wäscheleinen rechts und links neben den Bankreihen, hoch genug, dass niemand eines klauen kann. Alle Trikots sind Leihgaben von drei Fans und leidenschaftlichen Sammlern.
Wissenschaft in schwarz-gelb – Geschichte des Trikots als Bekleidung im Sport
Die Ausstellung, „Trikot 09“ genannt, hat einen wissenschaftlichen Ursprung. Aber wie das so ist mit der Wissenschaft: Die lässt sich am besten vermitteln, wenn man sie am Alltag festmacht.
Borussia ist Alltag – in Dortmund. Das müssen sich auch Silke Wawro und Viola Hofmann, Dozentinnen des Instituts für Kunst und Materielle Kunst der Uni Dortmund gesagt haben, bevor sie in ihrem Seminar für Kulturanthropologie die Geschichte des Trikots als Bekleidung im Sport untersuchen ließen.
Was die Studierenden herausfanden, ist auf Tafeln zu lesen, die an den Kirchenwänden hängen. Da aber die schönsten wissenschaftlichen Erkenntnisse nichts taugen, wenn keiner sie zur Kenntnis nimmt, verbanden die Frauen diese Arbeit mit der Arbeitskleidung von Profi-Fußballern. Und in Dortmund ist die schwarz-gelb.
Ausstellung wurde zuvor schon einmal im Borusseum gezeigt
So ist es keine Überraschung, dass auch die BVB-Geschäftsleitung Interesse an dieser universitären Forschung hatte und das Ergebnis im vergangenen Jahr im Borusseum zeigte.
Dort, während der Eröffnung, lernte Gemeindereferent Karsten Haug die beiden Dozentinnen kennen und fragte, ob die Ausstellung nicht auch in der Borussia-Kirche gezeigt werden könne.
Die Frauen und der BVB hätten „ja“ gesagt, aber nicht alle aus der Nordstadt-Gemeinde, so erzählt Haug, seien sehr erfreut gewesen. Doch eine Kirche müsse heute, davon ist er überzeugt, sich ein unverwechselbares Profil geben und dieses pflegen.
Im Beichtstuhl ist Gerd Kolbe in einer Dauerschleife zu hören
So hängen also die Trikots über den Kirchenbänken, Schautafeln zur Geschichte der Sport- und Freizeitkleidung an den Wänden.
Im linken Beichtstuhl ist Gerd Kolbe in einer Dauerschleife zu hören, der erzählt wie Borussia Dortmund zu den Farben Schwarz und Gelb kam, im rechten Beichtstuhl sehen die Gäste auf einem Bildschirm die drei Trikot-Sammler, die ihre Lieblingssammlerstücke präsentieren und berichten, wie sie in deren Besitz kamen.
Was heute stolz als Bekenntnis auch unter feiner Baumwolle des maßgeschneiderten Oberhemdes getragen wird, galt 1880 noch nicht als gesellschaftsfähig.
So wurde beim deutschen Turnfest in Frankfurt die Riege des amerikanischen Turnerbundes mit Worten angegriffen für ihren „öffentlichen Auftritt in Unterwäsche“.
Beim Sport trug man bis weit ins 20. Jahrhundert häufig Straßenkleidung, beim Tennis diese in weiß.
Trikotwerbung gibt es bei Borussia Dortmund gibt es seit dem Jahr 1975
Das älteste Trikot des BVB, das auf einem der Bügel schwingt, stammt aus den späten 60er Jahren. Es ist zu 100 Prozent aus Baumwolle und besitzt eine aufgenäht Rückennummer, aber noch keine Werbung.
Die kam erst 1975 auf die Brust der Fußballer: Die Stadt Dortmund spendierte dem Verein als erste die Spielbekleidung, gefolgt von dem Tabakkonzern! Samson. So wie die Sponsoren wechselten, so wechselten auch das Design und das Material, die Hersteller und die Art der Schriftzüge.
Eine dreiseitige Liste, die in der Kirche ausliegt, gibt Auskunft über jedes Hemd, aus welcher Saison es stammt, ob es aus Mischgewebe oder reiner Baumwolle besteht, bei welchem Spiel es getragen wurde und häufig auch, welcher Spieler darin schwitzte.
Die Ausstellung ist noch bis zum 17. Februar in der Nordstadt zu sehen
Die Dreifaltigkeitskirche ist am kommenden Samstag, 7. Februar, zwischen 11 und 13 Uhr für einen individuellen Besuch der Ausstellung zum letzten Mal geöffnet.
Wer die Ausstellung an einem anderen Tag sehen möchte und mit einer Gruppe kommt, muss sich mit Karsten Haug in Verbindung setzen, Karsten.Haug@web.de.
Der schließt dann auf und kann selbst wunderbar noch die ein oder andere Geschichte erzählen, viel erklären und mit Begeisterung durch die Ausstellung führen.
Bis zum 17. Februar gilt dieses Angebot, das bislang bereits Schulklassen und Kurzurlauber genutzt haben.
Für den 13. August, den Tag des Saisoneröffnungs-Gottesdienstes, ist die Gemeinde auch schon bestens gerüstet. Karsten Haug hat einen prominenten BVB-Fan eingeladen, die Predigt zu halten. Die Zusage hat er schon, den Namen will er jetzt noch nicht in diesem Bericht lesen.