Ein Gastbeitrag von Florian Pap für das Hoeschmuseum
Zu allen Zeiten war die Eisen- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets ein Ort harter, körperlicher und gefährlicher Arbeit, dessen Geschichte von vielen Tausend Arbeitskräften geschrieben wurde. Im Schatten der Hochöfen und Walzwerke ist dabei die Tatkraft weiblicher Arbeit bisher kaum aufgearbeitet. Am Beispiel der Schwerindustrie in Dortmund im Allgemeinen und der Westfalenhütte der Hoesch AG im Speziellen lassen sich allerdings viele Einblicke in weibliche Arbeitsfelder gewinnen.
In Friedenszeiten wurden Frauen vor allem in weiblich-assoziierten Bereichen eingesetzt
So wie auch ihre männlichen Kollegen kamen diese Frauen aus vielfältigen Gründen in das Ruhrgebiet und erlangten ihre beruflichen Positionen über Ausbildungen oder Umwege, arbeiteten beispielsweise vorher im Einzelhandel, hatten ein Studium abgebrochen oder kamen selbstverständlich auch als Arbeitsmigrantinnen nach Dortmund.
In Friedenszeiten des 20. Jahrhunderts wurden sie vor allem in weiblich-assoziierten Bereichen eingesetzt, beispielsweise in den Werksverwaltungen nach einer kaufmännischen Ausbildung.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert mehren sich dagegen noch die Berichte über weibliche Arbeitskräfte als Hausfrauen der Betriebe. In Werksnähereien reparierten sie Kleidung oder anderes textiles Arbeitsmaterial, sie reinigten Verwaltungs- und Wohngebäude der unverheirateten Arbeitskollegen und kochten in den Werkskantinen.
Vor allem während der Weltkriege arbeiteten Frauen auch in der Produktion
Das patriarchal geführte Unternehmen der Hoesch-Familie sah Frauen vor allem deshalb in diesen Bereichen eingesetzt, weil das ihrer Natur entspreche und sie so mehr nutzen als Schaden anrichten könnten.
Und doch musste die Werksleitung bereits zu Beginn der beiden Weltkriege einsehen, dass der Mangel männlicher Arbeitskräfte den flächendeckenden Einsatz von Frauen notwendig machte. Sehr bald wurden sie also auch in der Eisen- und Stahlproduktion als ungelernte Arbeiterinnen angestellt und beispielsweise als Dreherinnen oder Schweißerinnen angelernt, wo dies notwendig war.
In der Nachkriegszeit, einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, die von einer konservativen Reorientierung bürgerlicher Familienideale begleitet war, wurden diese Frauen, die tagtäglich den Wert ihrer Arbeitskraft unter Beweis gestellt hatten, in die Verwaltung, die Werkspflege oder an den heimischen Herd zurückgedrängt.
Eine Personalchefin war im Wirtschaftswunder-Deutschland eine Seltenheit
Eine Ausnahme weiblicher Arbeit in der Verwaltung der Westfalenhütte war in den 1950er- und 60er-Jahren die Personalchefin für Angestellte, Johanna Feldhausen. Als Führungskraft eine Seltenheit in der deutschen Industrie hatte sie sich zu behaupten und sah für sich keine Vereinbarkeit von Beruf und Familie – sie heiratete erst im Ruhestand.
Ehemalige Mitarbeiter*innen erzählen, dass sie eine unbeliebte und gefürchtete Vorgesetzte gewesen sei, der besonders unangenehme Aufgaben übertragen wurden, wie Kündigungen oder Abmahnungen auszusprechen. Feldhausen ist das Beispiel der ehrgeizigen Frau, die sich in der männlich dominierten höheren Verwaltungsebene behaupten und tagtäglich ihren Mann stehen musste.
Ebenso interessant ist ein internationales Verwaltungspraktikum der Liberianerinnen Florence Dorley, Maria Johnson und Cecilia Massaquoi um 1976 in Dortmunder Hoesch-Betrieben. Sie sollten hier für Verwaltungstätigkeiten einer Erzmine der Bong Mining Company Liberia qualifiziert werden, an der die Hoesch AG beteiligt war. Ein Bericht über sie in der Werkszeitung Werk und wir erfragt dabei in wenig transkultureller Manier vor allem die Unterschiede zwischen Dortmund und ihren Wohnorten in Liberia.
Frauen übernahmen beispielsweise die ungeliebte Position der Kranführerin
Um 1970 war die Eisen- und Stahlindustrie gezeichnet von zwei Weltkriegen, aber auch von gewerkschaftlichen Errungenschaften wie Arbeitszeitverkürzungen, betrieblichen Sozialplänen und höheren Löhnen.
Weibliche Arbeitskräfte hatten in dieser Zeit ebenfalls ihren Anteil am Wirtschaftsunternehmen Firma Hoesch. Sie übernahmen beispielsweise die ungeliebte Position der Kranführerin, für die sich kaum mehr Männer fanden.
Der Hitze, dem Gestank und den Produktionsdämpfen ausgesetzt, steuerten sie die Kräne unter den Dächern der Werkshallen.
Auch im politischen und gewerkschaftlichen Rahmen setzten sich Frauen mit derselben Leidenschaft ein wie ihre männlichen Kollegen.
Im Rahmen dieses Widerstandes entstand die Hoesch-Fraueninitiative
Als beispielsweise nach einem Jahrzehnt des Hoffens um den Bau eines neuen Stahlwerks diese Zusage im Oktober 1980 endgültig von der Hoesch AG zurückgezogen wurde, formierte sich die enttäuschte Belegschaft.
Im Rahmen dieses Widerstandes entstand die Hoesch-Fraueninitiative (HFI) – eine Gruppe aus rund 20 Ehefrauen, Mitarbeiterinnen und Müttern, die die Zukunft ihrer Kinder im Stadtteil im Blick hatten. Mit Unterschriftenaktionen, Infoständen und Demonstrationen beteiligte sich diese aktiv an der mittlerweile stadtweiten Bürgerbewegung ”Stahlwerk jetzt!”.
Die vorgestellten Frauen kamen aus unterschiedlichen Milieus, beruflichen Bereichen und Ländern. Sie waren häufig Mütter und Arbeiterinnen zugleich und ihnen ist die goldene Zeit der Ruhrgebiets-Schwerindustrie ebenso zu verdanken wie allen anderen Arbeitskräften.
Literatur
- Dascher, Ottfried (1992): ‘Die Eisen- und Stahlindustrie des Dortmunder Raumes (1847-1873). Entstehung und Gründerjahre’. In: Dascher, Ottfried; Kleinschmidt, Christian (Hg.): Die Eisen- und Stahlindustrie im Dortmunder Raum. Hagen: Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e.V., S. 65-80.
- Eden, Sören; Möbius Thorben (2020): ‘Der Ort der ‘Betriebsgemeinschaft’ in der deutschen Gesellschaft 1933-1945’. In: Becker, Frank; Schmidt, Daniel (Hg.): Industrielle Arbeitswelt und Nationalsozialismus. Der Betrieb als Laboratorium der ‘Volksgemeinschaft’ 1920-1960. Essen: Klartext, S. 28-60.
- Gladen, Albin (1982): ‘Die ‘soziale Frage’ im Prozeß der Industrialisierung Dortmunds’. In: Luntowski, Gustav; Reimann, Norbert (Hg.): DORTMUND. 1100 Jahre Stadtgeschichte. Festschrift. Dortmund: Fr. Wilh. Ruhfus, S. 249-270.
- Hindrichs, Wolfgang; Jürgenhake, Uwe; Kleinschmidt, Christian; Kruse, Wilfried; Lichte, Rainer; Martens, Helmut (2000): Der lange Abschied vom Malocher. Sozialer Umbruch in der Stahlindustrie und die Rolle der Betriebsräte von 1960 bis in die neunziger Jahre. Essen: Klartext.
- Krömeke, Eberhard G. (2002): “Der starke Westphalen“. Carl Westphalen. Der Herkules des Paderborner Landes. Lichtenau-Hebram: Arbeitsgemeinschaft Dorf Hebram/Hebram-Wald.
- Lauschke, Karl (2000): Die Hoesch-Arbeiter und ihr Werk. Sozialgeschichte der Dortmunder Westfalenhütte während der Jahre des Wiederaufbaus 1945-1966. Essen: Klartext.
- Mönnich, Horst (1971): Aufbruch ins Revier. Aufbruch nach Europa. HOESCH 1871-1971. Dortmund: HOESCH AG.
- Unverferth, Gabriele (1992): ‘Arbeiterwohnungsbau vor dem ersten Weltkrieg’. In: Dascher, Ottfried; Kleinschmidt, Christian (Hg.): Die Eisen- und Stahlindustrie im Dortmunder Raum. Hagen: Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e.V., S. 97-116.
Quellen
- Interviewtranskripte aus dem Hoesch-Museum Dortmund, die allerdings noch nicht archiviert wurden