Das „ConcordiArt“, das kreative Kaufhaus am Borsigplatz, steht vor gravierenden Umbrüchen. Dabei hat der Laden erst im Mai 2014 eröffnet. Doch viele der beteiligten Künstler und Anbieter haben sich bereits zurückgezogen. Mit konzeptionellen Veränderungen und teilweise auch neuen Gesichtern soll das Vorzeigeobjekt der Wirtschaftsförderung doch noch auf Erfolgskurs gebracht werden.
Idee: Ladenlokal für Anbieter, die sich kein eigenes leisten können oder wollen
Denn die Idee ist nach wie vor gut und richtig: Künstler und Anbieter, die alleine kein Ladenlokal bespielen können oder wollen, betreiben gemeinsam ein Geschäft.
Dafür steht das ehemalige Concordia-Haus – eine repräsentative Immobilie direkt am Borsigplatz – zur Verfügung.
Doch von den ehemals zeitweise 18 Anbieterinnen und Anbietern sind Ende dieses Monats wohl nur noch sechs mit von der Partie. Dies hat unterschiedliche Gründe.
Ein entscheidender Faktor sind die teilweise sehr schwachen Verkaufserlöse. Sie fallen – je nach Anbieter und Produkt – sehr unterschiedlich aus.
Präsenzzeiten und Erträge als Problem für Anbieter
Aber auch die bisherige Organisation des Ladens stellt besondere Anforderungen. Denn Verkäufer im klassischen Sinne gibt es nicht: Die Anbieter teilen sich die Präsenzzeiten und verkaufen – wenn sie im Laden sind – auch die Produkte der anderen Anbieter mit. Dafür zahlen sie keine Miete und müssen sich nicht an den Kosten beteiligen.
So zumindest der Plan. Dies bindet allerdings viel Zeit und setzt die Bereitschaft voraus, sich auch in das Sortiment der anderen einzuarbeiten, um Interessierte beraten zu können.
„Ich habe dort sehr viel Zeit verbracht, in der ich nichts tun konnte“, begründet Eleonora Reimer ihren sehr frühzeitigen Ausstieg. „Ich habe da meine fünf Stunden am Vormittag abgesessen. Von zu Hause aus konnte ich mehr bewegen.“
Ein Grund, der auch Manfred Solbach ebenfalls frühzeitig bewegt hat, seine „Mani Paktum Möbel“ wieder anderweitig anzubieten. Ein Grund waren auch Differenzen mit einer beteiligten Künstlerin. „Unsere Zusammenarbeit war kein Erfolg.“
Wirtschaftsförderung will nun massiv gegensteuern
„Das ist ganz normal. Der Erstbesatz in der Thier-Galerie sah auch anders aus als der heutige“, betont Frank Artmeier, Projektmanager im Nordstadt-Büro der Wirtschaftsförderung. „Aber wir hätten es uns anders gewünscht – da brauchen wir nicht drumrumreden.“
Daher werden die Projektbeteiligten nun massiv gegensteuern. Am Dienstag fand ein Workshop mit den bisherigen Anbietern und zukünftigen Interessenten statt. „Wir brauchen schlankere Strukturen. Nicht jeder Anbieter muss auch gleichzeitig im Verein aktiv sein“, verdeutlicht Ute Ellermann von der „Standortentwicklung Nord“, die das Vorhaben betreut.
Stärkere Fokussierung auf Existenzgründer und wirtschaftliche Fragen
„Es ist ein Experimentierprojekt. Und da macht man auch Fehler“, ergänzt ihre Kollegin Adriana Haberer. Daher werden sie jetzt stärker auf den Existenzaufbau schauen. „Wir müssen stärker sehen, dass Leute dabei sind, die das als ihren Haupterwerb sehen.“
Eine Marschroute, die die Wirtschaftsförderung teilt: „Wenn ich mich selbstständig machen will, geht es nicht um die kreative Selbstverwirklichung, sondern vor allem auch um den ökonomischen Erfolg. Dann muss ich Gas geben und auch verkaufen wollen.“
Anmietungen: Nicht alle ehemaligen Anbieter gehen ganz
Allerdings sind nicht alle der ehemaligen oder bisherigen Anbieter ganz von der Fahne gegangen: Fünf möchten ihre Waren weiter anbieten, aber ohne Präsenzzeiten im Laden. Dazu gehört auch Fotokünstler Henrik Müller. „Viele waren sich nicht darüber im Klaren, dass es Beharrlichkeit braucht, um einen solchen Laden zu etablieren.“
Zwölf Stunden pro Woche hat Müller bisher im Laden gearbeitet – neben seinem Hauptbroterwerb und der eigentlichen künstlerischen Arbeit. Daher will er künftig eine Ausstellungsfläche anmieten „und sehen, ob ein Plus rumkommt“, sagt er. Eine rationale Einstellung – schließlich geht es nicht um Selbstverwirklichung, sondern um ökonomische Ziele. „Wir sollen uns ja kommerziell verhalten.“
Starker Start – aber fehlende Kundenbindung
Dabei fing die Geschichte – nicht zuletzt wegen des großen medialen Echos – positiv an: „Wir hatten Umsätze, die unsere kühnsten Erwartungen übertroffen haben“, so Artmeier. „Normal ist der Anfang besonders schwierig.“
Doch das Problem im ConcordiArt ist ein anderes: Die Umsätze stagnierten und fielen dann sogar. „Uns ist es nicht gelungen, die Kunden so zu begeistern, dass sie wiederkommen oder uns weiterempfehlen“, analysiert der Wirtschaftsförderer.
Daher kommen Beratung, Service, die Qualität des Produkts und natürlich das Sortiment selbst auf den Prüfstand. Die grundsätzliche Frage: „Brauchen wir ein breiteres Sortiment oder eine Profilbildung“, verdeutlicht Adriana Haberer.
Professionellere Gastronomie ist ein Schlüssel zum Erfolg
Ganz klar ist: Die Gastronomie muss professionalisiert werden. Sie ist ein Frequenzbringer – oder könnte zu einem werden. Hier muss sich die „Machbarschaft Borsig11“ überlegen, wie sie dies realisieren kann.
Aber auch die Biolebensmittel und Naturprodukte, die hier angeboten wurden, wurden verhältnismäßig gut nachgefragt. Doch passt das zum Sortiment? Dies ist eine Kritik von einigen der (ausgeschiedenen) Künstlern.
„Wir sind keine Galerie, sondern ein Kaufhaus“, verdeutlicht Haberer. Und daher müsse es auch gelingen, den Kundinnen und Kunden dauerhaft Service, Beratung und Qualität zu bieten.
Um von sich reden zu machen, sollen auch die Workshops und Abendveranstaltungen ausgeweitet werden. Bislang gibt es nur punktuell Abendveranstaltungen, beispielsweise Verkostungen oder Präsentationen. Gerade gestartet hat eine monatliche Autoren-Talkreihe.
Schulungen für neue Kernmannschaft – Professionalisierung
Dies fange beim Auftreten, Aussehen und der Ansprache im Laden an. „Wenn ich jemandem ein restauriertes Möbelstück für 1500 Euro verkaufen will, gibt es bei den Kunden eine gewisse Erwartungshaltung.“
Daher wird es für die Kernmannschaft entsprechende Schulungen geben. Denn diese muss perspektivisch den Laden auch ohne Hilfe der Wirtschaftsförderung führen müssen. Eigentlich bis Sommer 2015 läuft die Förderung des Projekts. Die Stadt legt aus eigenen Mitteln noch Geld drauf, um das Projekt bis Jahresende zu begleiten.
Normalerweise braucht man drei Jahre, um ein Geschäft richtig aufzustellen. Hier muss es nun in 1,5 Jahren gelingen. „Wir brauchen das zusätzliche halbe Jahr, um nachzustellen. Das ist ganz wichtig.“ Denn alle Beteiligten wünschen sich einen Erfolg dieses Vorhabens. Schließlich ist es ein wichtiger Beitrag zur Attraktivierung des gesamten Quartiers.
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Auswärtsspiel
Ein hochspannendes Projekt, um leer stehenden Gewerberaum und ein benachteiligtes Wohnviertel mit neuem, kreativem und zugleich ökonomischem Leben zu füllen. Eigentlich haben die Akteure auch nicht wirklich etwas falsch gemacht. Das Projekt scheint sich aber nur so lange zu tragen, wie Selbstausbeutung und öffentliche Fördergelder reichen. Es bleibt die Frage, ob es in Dortmund genügend Menschen gibt, die sich schöne Dinge kaufen wollen, die nicht unbedingt zum Leben erforderlich sind, und dafür auch noch in die Nordstadt und bis zum Borsigplatz fahren wollen.