Ein kommentierender Bericht von Thomas Engel
Nachdem in der BV Innenstadt-West die Initiative von Die Partei, die Fläche um den Europabrunnen mit „Unser Omma ihr Platz“ zu bezeichnen, gescheitert war, hat sich nun der Stadtrat mit der Angelegenheit befasst. Und siehe da, nach einer stärker als üblich von (versuchtem) Wortwitz geprägten Diskussion spricht sich das Gremium mit großer Mehrheit dafür aus, das Thema weiter zu verfolgen und den Topos an jene Bezirksvertretung zurückzuverweisen, aus der heraus die Idee entstand. Mit dem ausdrücklichen Hinweis, dort möge doch nach einer geeigneten, aber vorzugsweise bislang namenlosen Fläche gesucht werden, die endlich „unser Omma“ so anständig ehrt, wie sich das gehört.
Dortmund, bis zum heutigen Tage: Viele alte weiße Männer, soweit das Auge reicht
Seitdem Die Partei in Dortmund mit dem zarten Versuch um die Ecke gekommen ist, die gesellschaftlichen Leistungen von „unser Omma“ mit der Benennung eines gleichnamigen Platzes zu würdigen, zieht sich durch kommunale Gremien der Stadt eine Debatte über den Sinngehalt der Idee. Heiter-entspannt bis ernsthaft und geprägt von einer gewissen Offenheit – solange zumindest, wie sie nicht mit rechtspopulistischen Ideologiestücken vergiftet wird. ___STEADY_PAYWALL___
„Wir können sicher sein, dass viele alte weiße Männer verewigt werden“, kritisiert Die Partei in ihrem Antrag, den sie zur Sache in den Stadtrat einbrachte. Das soll sich ändern, indem bei der Auszeichnung öffentlicher Orte verdiente Frauen stärker in den Blick geraten – typisiert über unser „Omma“. Was bislang leider nicht geklappt hat.
In der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag mutmaßt Stefan Dondrup, stv. Fraktionsvorsitzender der Satirepartei, dass hinter dem – an sich unverständlichen – Scheitern ihres ursprünglichen Ansinnens, die Fläche in der Dortmunder Innenstadt um den Europabrunnen mit „Unser-Omma-ihr-Platz“ auszuzeichnen, eine Art Mauschelei gesteckt haben könnte. Indem der CDU zugesichert wurde, dass die auch mal einen Platz benennen dürfe.
Stadtverwaltung soll unter Beteiligung von Bürger*innen die Suche fortsetzen
Gleichwie: Entsprechend der christdemokratischen Beschlussvorlage erhielt das fragliche Areal rund um den Europabrunnen mit Beschluss der BV Innenstadt-West die Bezeichnung „Conrad von Soest-Platz“. Damit bezieht sich die Namensgebung auf einen spätgotischen Dortmunder Maler (1370-1422), der nach heutigen Erkenntnissen am Ostenhellweg residierte und sich besonders durch seine Altarmalerei hervortat.
„Ein alter weißer Mann des 15. Jahrhunderts“, stellt Dondrup fest, „dessen künstlerische Leistung nicht geschmälert werden soll“, der könne sich nun rühmen, dass die CDU einen Platz nach ihm benennen durfte. Doch es sei seiner Partei weiterhin „ein Herzensanliegen“, für „unser Omma“ einen Platz in Dortmund zu finden, der für sie „bequem, schattig, aber nicht zu schattig“, ja flauschig ist, um sich dort in angenehmer Atmosphäre auf einer Parkbank niederlassen zu können.
Sie lassen also nicht locker, beantragen, die Stadtverwaltung möge die Suche nach einem Platz, der nach ihnen – unseren Großmüttern – benannt werden kann, doch bitte fortsetzen. Und: dabei die Bürger*innen einzubeziehen, das würden sie ausdrücklich begrüßen.
„Unser Omma“ – sie hat das Lokalkolorit, das es braucht, um in der Stadt verewigt zu werden
Die Idee kommt mehrheitlich durchaus an. Die Linke+ findet sie gut, hat sich auch historisch informiert. Eigentlich, so Fraktionschef Utz Kowalewski, hieße der Ausdruck so gesehen: „Unser Oma ihr Hoff“. In korrektes „Ruhrgebietsdeutsch“ übertragen also: „Unser Omma sein Hoff“.
Michael Kauch, Sprecher von FDP/Bürgerliste, findet den Antrag von Die Partei „sehr charmant“. Und: er gäbe Anstoß zu der Frage: „Wie benennen wir eigentlich unsere Straßen und Plätze, nach welchen Kriterien?“ Eine solche Debatte könne durchaus geführt werden. Wie sei der Bezug etwa eines mittelalterlichen Künstlers wie Conrad von Soest zu heute? „Oder ist die Oma wichtiger?“
Verschiedene Straßen oder Plätze könnten aus dem Stadtteil heraus selbstverständlich auch nach anderen Anliegen benannt werden. Insofern sei dies eine Angelegenheit der Bezirksvertretungen, also der politischen Repräsentationsorgane vor Ort. Dort müssten die Entscheidungen getroffen werden. Denn „Omma“, sie habe eben „Lokalkolorit“. Anders geht’s ja auch nicht, so will es die „Natur“.
Mangelnder Familiensinn und Ablasshandel durch Platzbenennung nach „Omma“?
Störfeuer dagegen, wie nicht anders zu erwarten, aus der rechten Ecke. Peter Bohnhof, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD, zitiert den verstorbenen Schauspieler und Kabarettisten Jürgen von Manger: „Dat brauchn’wa nich.“ – Weshalb? Das wolle er nun erklären. Sein simples Generalrezept lautet: „Leben Sie einfach Familie!“ Dann bedürfe es auch nicht eines solchen Platzes.
Wieso? – Einerseits sei es für Oma Herzensangelegenheit, sich um ihre Kinder und Enkelkinder zu kümmern; die Großmutter zu verehren ist deshalb eine Selbstverständlichkeit. Auf legitime Gegenliebe hingegen, wie in einem guten Familienleben der Fall – auf die scheint eine aufopferungsvolle ältere Dame in Einzelfällen wenig hoffen zu dürfen. Verantwortlich dafür sind in seinen Augen offenbar jene Personen, die hinter der Initiative stecken und kaum zurückgeben, was Oma verdient hat.
Denen unterstellt er nämlich, dass sie ihre „Omma“ eben nicht verehren und sich deshalb quasi durch eine Art „Ablasshandel“ mit der von ihnen geforderten „Pro-Omma“-Platzbenennung freikaufen möchten: Wir widmen ihr ’nen Platz und schleichen uns ansonsten in Sachen Liebe und Verantwortlichkeit gegenüber unserer Familie davon, so die Logik der Annahme. Daher solle man sich besser daran erinnern, so Bohnhof, dass man die Oma zu ehren habe, als einen Platz für sie zu suchen.
AfD-Ratsmitglieder – oder der Stumpfsinn rechtspopulistischer Argumentationsstrategien
Die Argumentationsstrategie ist freilich altbacken wie durchsichtig und triebe jedem Scholastiker Scham(es)röte ins Gesicht. Sie funktioniert wie folgt: Um mich nicht inhaltlich mit einer Aussage auseinandersetzen zu müssen, unterstelle ich den betreffenden Proponent*innen schlicht eine moralisch zweifelhafte Motivation – nämlich dafür, das zu sagen, was sie sagen.
Konkret, beispielsweise: Du siehst zwar rot, aber nur, weil Du ein blutrünstiger Schurke bist. In Wirklichkeit ist es blau, was da in unseren Adern strömt! Oder ist es vielleicht Schwarz-Rot-Gold? – Garniert werden solche haltlosen Insinuationen zum fehlenden Familiensinn der Antragssteller*innen mit der üblichen rechtspopulistischen Schwarz-Weiß-Malerei. Bohnhof, noch eher harmlos: Viele Plätze in der Stadt seien verwahrlost. Und insofern „nicht mehr der Platz, wo Oma sich wohlfühlen könnte“.
Sein Parteikamerad Heinrich Garbe – mit prospektivem Blick auf „Ommas“ Bank am Platz von ihr – verschärft: „Passt auch auf, dass nicht zu viele Gewalttäter um die Bank rumschleichen“, so der AfD-Fraktionsvorsitzende. Es ist die übliche Sülze zwischen xenophober und nach Keimfreiheit bettelnder Nationaldemagogie. Der es sicherlich abwegig vorkäme, zum Beispiel ihr (vermutliches) Beharren auf den bundesweiten Muttertag – mutatis mutandis – mit einem Mangel an Mutterliebe aus eigenem Hause zu erklären.
Spagat zwischen Ablehnung, Rechtspopulismus, Initiative und Sprachreglungen
Während Oberbürgermeister Thomas Westphal es sich nicht nehmen lässt, den gerade ansetzenden Redebeitrag von AfD-Frontmann Garbe zu kommentieren („Wie immer haben Sie die Zusammenhänge falsch verknüpft“), kämpfen die Christdemokrat*innen in der „Omma“-Debatte um passende Formulierungen wie Argumentationsstrukturen.
Ihr Problem: Sie sind gegen das „Herzensanliegen“ von Die Partei, möchten aber in der Auseinandersetzung den durch die Politsatiriker*innen unter den demokratischen Parteien angestoßenen „Ton“ mitnichten verfehlen. Es geht folglich um gute, vielleicht satirisch variierte Gründe, keineswegs aber um Plattitüden. Denn ihr kommunales Politikverhalten der letzten Jahre steht nicht im Verdacht, auf Irrpfaden des Rechtspopulismus unterwegs zu sein. Nun aber muss die CDU ihre Ablehnung des „Omma“-Vorstoßes begründen.
Vorgeschickt – also für die undankbare Aufgabe, etwas zu vermitteln – haben sie in der Ratssitzung Uwe Waßmann, stv. wie planungspolitischer Sprecher der Fraktion. Der hatte, nach eigenen Aussagen, überhaupt erst einmal den Auftrag, die CDU zu positionieren. Und erklärt die zurückweisende Haltung der Partei mit dem Prozess, wie sie sich gewissermaßen an seinem Schreibtisch gedanklich bildete.
Aus Sicht der Christdemokrat*innen: Kein tieferer Sinn im Antrag für „unser Omma“
Bei Vorbereitung der Ratssitzung und Sichtung des Politsatiriker-Antrages sei er auf eine entscheidende Schwierigkeit gestoßen: er habe trotz redlichen Bemühens dessen Tiefe, also die des dort verhandelten Themas, schlicht nicht finden können. Angesichts der „großen Aufgaben“, die ein Stadtrat sicherlich habe, ist das aber eine für ihn unabdingbare Voraussetzung.
In seinen Anstrengungen, den Antragsgehalt nachzuvollziehen, habe er sich gefragt: „Was ist das eigentlich?“ Sein Blickfeld wirkt gleichwohl etwas skurril. Ob es etwa ein Stück Dadaismus sei? „In dem absolute Sinnlosigkeit als Waffe gegen jederlei Sinngebung eingesetzt wird“. Das kann es wohl nicht sein. Doch der Christdemokrat fragt auf der Suche nach Sinn und Satire tapfer weiter.
„Oder ist es Surrealismus, der eine bestimmte Lebenshaltung, die sich gegen traditionelle Normen richtet, raussucht, im Unbewussten, Absurden, in der Phantasie auffindet?“ Und irgendwann, ja, aus diesem genialen Fragehorizont heraus, da konnte sein Fazit am Ende nur lauten, dass das alles nix ist für die CDU. Oder, wie Kästner einmal sagte, zitiert er: „An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“
SPD, Tradition, Ärger-Vermeiden: „Sie möchten um Gottes willen keinen Platz umbenennen“
War es nun die Verbundenheit mit der Traditionswelt oder der kecke Versuch, auch mal über die Stränge schlagen zu wollen und sich in Satire zu üben, was im Begründungsversuch für die christdemokratische Ablehnung des „Omma“-Antrages dazu führte, analog zur AfD glatt das Thema zu verfehlen?
Doch die messerscharfen Ausführungen des CDU-Sprechers, sie hinterließen auch Eindruck. So kommentiert die neue SPD-Fraktionsvorsitzende Carla Neumann-Lieven spontan: „Die philosophische Einschätzung von Herrn Waßmann habe ich gerade sehr genossen.“ Es sei eine wunderbare Reaktion auf das, was Herr Dondrup gesagt habe. – Na dann, gute Nacht, Filosofie.
Allerdings – und das ist für die meisten der anwesenden Ratsmitglieder die positive Nachricht: Ihre Fraktion in der BV sei von dem Plan begeistert gewesen, erklärt sie. Das einzige, was ihre Genoss*innen bemängelt hätten: „Sie möchten um Gottes willen keinen Platz umbenennen.“ Also nur keinen Ärger, sicher.
Doch wenn schon was für „unser Omma“ dabei rausspringen soll, dann nach dem Willen der Sozialdemokrat*innen aber auch was für den „Op(p)a“. Und bitten ebenso darum, dass die Angelegenheit an die Innenstadt-West zurücküberwiesen wird.
Bürgermeister Norbert Schilff – und eine persönliche Erklärung vom Nordmarkt
Für das, was sonst noch war, braucht es keinen Kommentar. Bürgermeister Norbert Schilff (SPD) sagt – persönlich erklärt: „Woll. Die würde sich nämlich freuen, wenn die Omma ihr Plätzken krichte. Den hatt’se bisher nämlich nicht gekricht. Allerdings denk ich auch, sind wir nämlich überhaupt nich‘ die richtige Stelle. Sondern inne BV’s, da wo’s vor Ort abgeht, da sollten sich die Leute mal mit beschäftigen. Und dann kricht Omma auch ihr Plätzken.“
„Und noch was, ja. Bei so mancher Straßenbenennung der letzten, keine Ahnung, 50, 60, 70 Jahre, rätseln wir, wer das denn wohl sein könnte. […] Kenn’wa nicht. Unser Omma kennt jeder. Jeder von Ihnen hat ’ne Omma. Insofern ist das ’ne gute Idee. Und dann lasst uns da mal grad beschließen, wo’s auch hingehört, inne BV’s.“
Damit war alles klar. OB Thomas Westphal stellt zur Abstimmung, wie zuvor im Ältestenrat besprochen und, weil ihm zu Ohren gekommen sei, dass es dafür durchaus Aufgeschlossenheit gäbe: Am besten, das Thema nochmal in die BV Innenstadt-West zurücküberweisen, da keineswegs erledigt. – So mit einigen Enthaltungen auf der vergangenen Stadtratssitzung dann auch beschlossen.
Reader Comments
Bettina Neuhaus
Die AfD sollte sich wie immer schämen, die CDU ist ein bisschen überfordert, Schwamm drüber. Den Einwurf der SPD, man wolle den Platz nicht umbenennen, lasse ich nicht gelten: Conrad von Soest war gerade erst taufrisch zum verstaubten Namensgeber erkoren worden. Es wäre ein kleiner, formaler, vermutlich kostenloser Akt gewesen, diese traurige Fehlentscheidung zu korrigieren. Mehr Mut, liebe Mitstreiter:innen!
Immerhin freut es mich sehr, dass mir in der Bezirksvertretung die meisten Fraktionen ihre Sympathie für den Antrag „gesteckt“ haben. Die haben ein Herz für Ommas! <3 Bin daher zuversichtlich, dass wir einen schönen, zentralen, sonnigen Platz finden werden.
Auch die SPD aus der BV Nord bekundet ihre Sympathie. Hurra! <3 Dann können wir ja gemeinsam schnell herausfinden, wer für den neu geplanten, zentralen, sonnigen und hoffentlich sehr gemütlichen grünen Platz hinter dem Hauptbahnhof zuständig ist, für den irgendwer einen generischen alten weissen Mann („Fußballtrainer“) in die Diskussion gebracht hat. Das wäre doch ein schöner Platz, oder? Was meinen denn die Bürgerinnen und Bürger dazu? Und selbst die olle AfD wird da keine verdreckten Angsträume herbeifantasieren können.
Liebe Grüße aus der BV Innenstadt-West