Kaum hatten die Dortmunder Neonazis ihren Kameraden Christoph Drewer nach der Rückkehr aus der Haft begrüßt, kehrte auch dieser ihnen den Rücken. Das frühere Bundesvorstandsmitglied der Partei „Die Rechte“ sucht – wie schon zwei andere Dortmunder Neonazis vor ihm – neuen „Lebensraum im Osten“. Seine heimischen Kameraden wollen am 1. Mai ein Lebenszeichen von sich geben und haben eine Mahnwache auf dem Wilhelmplatz in Dorstfeld angemeldet. Dagegen gibt es zwei Protestveranstaltungen.
Mehrfach vorbestrafter Neonazifunktionär hat Dorstfeld den Rücken gekehrt
Christoph Drewer gehörte zu den führenden Köpfen der Dortmunder Neonazis und hatte zahlreiche Funktionen und Aufgaben übernommen. Auch als Redner im In- und Ausland war er aktiv, was ihm letztendlich auch Haftstrafen bescherte. So war er mehrfach wegen Volksverhetzung angeklagt bzw. verurteilt worden.
Dass er er nun nach Chemnitz zieht (was aus Naziperspektive natürlich nicht Osten, sondern Mitteldeutschland ist), kommt nicht überraschend: Er verfügt seit Jahren über beste Kontakte in Chemnitz. Er folgt nun unter anderem Michael Brück, der bereits nach der Kommunalwahl seine Zelte in Dorstfeld abgebrochen hatte.
Zuvor hatte er mehrere Verurteilungen kassiert. So war er im Sommer 2016 erneut wegen Volksverhetzung zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt worden, nachdem er im September 2015 am Hauptbahnhof in Dortmund massiv gegen ankommende Flüchtlinge und ihre Unterstützer gehetzt hatte. Zuvor war er auch im Januar 2016 in Münster zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Insgesamt drohten bis zu drei Jahre Haft.
Zuvor hatte er bereits mehrere andere Urteile kassiert und hatte u.a. wegen mehrerer Körperverletzungen eingesessen. In der Haft hatte der Hauptschüler dann seine Bauausbildung gemacht. Auch später kassierte er noch mehrere Geld- und Bewährungsstrafen, u.a. wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und dem Erschleichen von Leistungen.
„Sie stacheln zum Hass auf und schaffen den Nährboden für Taten, die wir leider tagtäglich erleben“, schrieb die Richterin Drewer damals ins Stammbuch. „Sie haben das gemacht, was sie anderen vorwerfen: Sie sind kriminell geworden.“ Drewer ist einer von vielen Dortmunder Neonazis, die in den letzten Jahren in Haft saßen oder sitzen.
Dortmunder Neonazis fehlt mittlerweile die Mobilisierungsfähigkeit
Die Dortmunder Neonazis werden auch künftig auf Christoph Drewer verzichten müssen. Wer am „Tag der Arbeit“ auf dem Wilhelmplatz zu einer Mahnwache Präsenz zeigt, bleibt abzuwarten. Es könnte nicht viel mehr als ein „Warm-Up“ für eine Demo der NPD in Essen sein. Vom Anspruch der früheren Jahre – selbst als Partei „Die Rechte“ vor der eigenen Haustür große Aufmärsche zu organisieren – müssen sich die Neonazis schon länger verabschieden.
Große Demos zur Instrumentalisierung von Gedenktagen hat es in Dortmund schon länger nicht gegeben. Vor allem den Internationale Antikriegstag am 1. September („Nie wieder Krieg – nach unserem Sieg!“) und den Tag der Arbeit („1. Mai – arbeitsfrei seit 1933“) hatten sie der nationalen und internationalen Szene in die Demonstrationskalender geschrieben.
Doch zuletzt kamen sie auf kaum mehr als zweistellige Teilnehmenden-Zahlen. Sie haben längst nicht mehr die Mobilisierungskraft und die selbsterklärte Vorreiterrolle in Westdeutschland. Auch bei den Wahlen blieben sie weit hinter ihren Ansprüchen zurück. Dies ist auch ein Grund, warum es führende Köpfe nach Chemnitz führt. Hier rechnet man sich bessere Chancen aus.
Brück hatte nach seinem Umzug in einem Telegramm-Interview mit der Initiative „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ konsterniert berichtet, dass in den Regionen im Westen nicht möglich sei, „mittelfristig breite Bevölkerungsteile zu erreichen“ – sie seien „im Endeffekt verloren“, betonte Brück und propagierte die Umsiedlung in den Osten Deutschlands, wo „Deutsche noch unter Deutschen“ leben könnten. Damit fiel er seinen Dortmunder Kameraden in den Rücken.
Protest von Antifa und Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus in Dorstfeld gegen Neonazi-Mahnwache
Auch in Dorstfeld – dem von Neonazis selbst erklärten und unberechtigt bezeichneten „Nazi-Kiez“ – dürften die Neonazis wieder deutlich in der Minderheit sein. Am Samstag rufen lokale Antifa-Gruppen sowie der bürgerlich geprägte Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus jeweils ab 10.30 Uhr zu Kundgebungen bzw. Protestaktionen inUnterdorstfeld auf.
Sie protestieren damit gegen die Nazi-Mahnwache aus dem Umfeld der Splitterpartei „Die Rechte“, die ab 11 Uhr auf dem Wilhelmplatz stattfinden soll. „Wir bleiben wachsam und aktiv – Die Nazis sollen zuhause bleiben“ heißt der Aufruf des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus.
Er ruft die Bürgerschaft und die Dorstfelder*innen auf, mit einer Mahnwache gegen die Sammlung von Nazis auf dem Wilhelmplatz und in seinem Umfeld zu protestieren.
„Wir werden nicht dulden, dass die Nazis wieder in alte, schlechte Gewohnheiten zurückfallen, als könnten sie in Dorstfeld machen, was sie wollen. Das war noch nie so und wird auch nie so sein. Dortmund bleibt bunt statt braun und Dorstfeld auch. Die Bürgerschaft bleibt wachsam und aktiv. Kommt und unterstützt uns bei der Mahnwache“, erklärten Jutta Reiter und Friedrich Stiller.
Kein Grund zur Entwarnung: „Die Nazis bleiben eine Gefahr für alle, die nicht in ihr Weltbild passen“
Die Antifa-Kundgebung findet ab 10.30 Uhr am Mahnmal für die Synagoge in Dorstfeld statt. „Die Nazis versuchen Dorstfeld immer noch als ihren Kiez zu markieren. Das lassen wir nicht zu“, erklärt Kim Schmidt, Pressesprecherin des antifaschistischen Gegenprotests.
„Am Samstag werden wieder viele auswärtige Nazis in Dorstfeld sein. Wir lassen die Anwohner*innen nicht mit den Nazis alleine. Mit unserer Kundgebung stellen wir uns an die Seite der Dorstfelder*innen, die seit Jahren unter den Nazis leiden.“
Der Stadtteil wurde in der Vergangenheit wiederholt als „Nazikiez“ bezeichnet. „Der Kiez ist keine Sperrzone für Migrant*innen oder Linke, der Kiez gehört nicht den Nazis, gegen diesen Mythos wollen wir arbeiten. Das heißt aber nicht, dass die Nazis im Viertel keine Gefahr für viele Personen darstellen.“
Auch wenn es in letzter Zeit eher ruhig um die rechte Szene war, warnt die Antifa: „Das heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen können und die Gefahr vorrüber ist. Die Nazis bleiben eine Gefahr für alle, die nicht in ihr Weltbild passen“, erklärt Schmidt. „Wir werden weiter gegen die Nazis vorgehen bis die Szene entgültig Geschichte ist.“
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