Von David Peters
Am 8. April stand in Israel das Leben still. Zwei Minuten heulten Sirenen, Autos und Busse blieben stehen und die Menschen verharrten in stillem Gedenken. Dieser Tag – beziehungsweise der 26. Nissan im jüdischen Kalender – ist der Nationalfeiertag Jom haShoa. Der Opfer und Überlebenden der Shoa wird gedacht, aber auch der Jüdinnen und Juden im Widerstand gegen das NS-Regime. In Deutschland ist dieser Tag weniger im öffentlichen Bewusstsein, dennoch gab es auch in Dortmund eine Gedenkveranstaltung – organisiert vom jüdischen Jugendzentrum Emuna und der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, kurz ASF. Rund 40 Personen trafen sich auf dem Platz der Alten Synagoge, die 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde.
Nach dem für immer Unfassbaren: Jüdisches Leben kehrt sukzessive nach Deutschland zurück
„76 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz wollen und müssen wir diesem Tag gedenken“, so Maria vom Jugendzentrum Emuna. Für Maria ist Jom haShoa aber nicht nur ein Tag des Gedenkens: „Wir denken nicht nur an die Verstorbenen, sondern möchten gleichzeitig auch das Leben feiern. Jüdisches Leben existiert und wird auch immer existieren.“
1933 lebten in Deutschland (nach einer „Volkszählung“ vom Juni desselben Jahres) rund eine halbe Million Jüdinnen und Juden; viele von ihnen wurden in den Konzentrationslagern ermordet, wenige konnten aus dem Land flüchten. In den Nachkriegsjahren gab es nur noch rund 10.000 bis 15.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland.
Inzwischen seien es zwar wieder rund 225.000, dennoch ist man noch weit von der ursprünglichen Zahl entfernt, so eine Rednerin. Auch das jüdische Leben sei nach Deutschland zurückgekehrt. Wie in Dortmund gibt es viele jüdische Gemeinden. Die meisten von ihnen mit Jugendzentren wie Emuna.
Antisemitismus weiterhin Alltag: Jüdinnen und Juden zwischen Wehrhaftigkeit und Ankommen
Die Gemeinden seien aber nicht nur Orte der Religion, sondern auch soziale Gemeinschaften mit Hilfe für benachteiligte Menschen oder Senior*innen. Sie bieten auch Unterstützung für die Opfer antisemitischer Übergriffe. Im Oktober 2020 wurde beispielsweise in Dortmund die Beratungsstelle ADIRA ins Leben gerufen (wir berichteten), die sich explizit mit Diskriminierung beschäftigt und Betroffenen zur Seite steht.
Auf die Diskriminierung, die Jüdinnen und Juden beinahe täglich erleben müssen, machte auch ein Poetry-Slam aufmerksam. Darin beschrieb eine junge Frau die Situation von Juden und Jüdinnen in Deutschland, die oft durch erhöhte Schutzmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen und den Bezug von Juden und Jüdinnen zur Shoa gekennzeichnet sei.
Sie erzählte, dass sie in Diskussionen häufig als Stellvertreterin für Israel oder die Shoa gesehen werde. Trotz der Probleme, Übergriffe und solcher Stereotypisierungen, die sie erfahren müsse: sie sei ein Teil von Deutschland und Deutschland ein Teil von ihr.
Überlebende und Hoffnung
Die ASF wählte in ihren Beiträgen eine andere Perspektive: Erzählt wurden die Geschichten von Überlebenden der Shoa. Eine dieser Geschichten war die von Lotti. Ihre Familie wurde ins Vernichtungslager Sobibor gebracht. Lotti entkam diesem Schicksal, weil sie von Nachbar*innen zurückgehalten wurde, als sie ihre Familie begleiten wollte. Nach 1945 habe sie nie wieder deutschen Boden betreten, berichtet ein Redner von ASF über die „lebensfrohe Frau“, die 2018 gestorben ist.
Nach einer gemeinsamen Schweigeminute wurde die haTikwa, die israelische Nationalhymne gesungen. Sie sei ein Symbol der Hoffnung des Fortbestehens der Jüdinnen und Juden trotz jahrhundertelanger Verfolgung und Ermordung. Mit der Niederlegung eines Kranzes am Gedenkstein der alten Synagoge auf dem Theatervorplatz endetet das Dortmunder Jom haShoa-Gedenken.
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