Leise Kunst, laute Botschaften: Ausstellung „Taking my Thoughts for a Walk” zeigt Kunstwerke im öffentlichen Raum

Von der Innenstadt in die „Unterwelt“: Die Lichtinstallation von Angharad Williams an der Ecke Wallstraße/Schmiedingstraße ist eines der Kunstwerke, die bei der Ausstellung „Taking my Thoughts for a Walk“ zu sehen sind . Foto: Roland Baege.

Von Leonie Krzistetzko

Es sind kleine, filigrane Zeichnungen, die sich wie ein roter Faden über die Kampstraße vom Westen- bis zum Ostentor ziehen. Viele kleine Statements, Auseinandersetzungen mit wichtigen gesellschaftlichen Themen, Poesie in durchsichtiger Window-Colour. Die Bremer Künstlerin Esther Adam hat sie geschrieben und gezeichnet. Von heute an bis zum 21. März können Passant*innen sie entdecken – unter anderem an Bahnhaltestellen und in Schaufenstern. Adam ist eine der Künstler*innen, die ihre Werke bei der Ausstellung „Taking my Thoughts for a Walk“ zeigen.

„Taking my Thoughts for a Walk“: Ausstellung will künstlerisches Schaffen sichtbar machen

Filigrane Gesellschaftskritik: eine Arbeit aus der Werkserie „Perspectives“ von Esther Adam. Foto: Leonie Krzistetzko.

Die Ausstellung ist aus einer Kooperation des Dortmunder Kunstvereins mit Urbane Künste Ruhr entstanden. Ziel ist es, Kunst und ihre Künstler*innen auch während der Corona-Pandemie sichtbar und so künstlerisches Schaffen erfahrbar zu machen. Außerdem sei es interessant, Kunst in eine Stadt zu bringen und zu schauen, wie diese sich dadurch verändere, so Alisha Danscher, kuratorische Assistentin von Urbane Künste Ruhr.

Die Kunstwerke befinden sich mal mehr, mal weniger auffällig auf der Route. Erfahrbar werden sie entweder zufällig oder auch gezielt mit Straßenkarten. Diese sind zum einen auf den Webseiten von Urbane Künste Ruhr und dem Dortmunder Kunstverein abrufbar, liegen aber auch an den zwei Kiosken im U-Bahnhof Kampstraße und an der GIS-Akademie aus, sowie beim Dortmunder Kunstverein. Zudem zeigen Plakate an den Bäumen gegenüber der Haltestelle Westentor die Route.

Esther Adams Zeichnungen und poetische Statements sind vielleicht das insgesamt leiseste Werk auf der rund 1200 Meter langen Spaziergangsroute. Sie sind nur wenige Zentimeter groß, verschwinden durch ihr durchsichtiges Material schnell im Gesamtbild. Aber sie geben Impulse, die zum Nachdenken anregen. „I fucked and then §219a fucked me“ steht beispielsweise an der Haltestelle Reinoldikirche geschrieben – eine künstlerische Auseinandersetzung mit der aktuellen Diskussion um das gesetzliche Verbot zur Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Adams war es auch, die der Ausstellung ihren Namen gegeben hat – in abgewandelter Form lässt er sich an der verspiegelten Fassade des Kulturbüros Dortmund lesen.

Kunstwerk zur Entsorgung von Nazi-Relikten vor ehemaligem Nazi-Mode-Laden installiert

Adams Arbeiten sind nicht die einzigen gesellschaftskritischen der Ausstellung: In der Nähe der Reinoldikirche befindet sich die Arbeit „Withdrawing Adolf Hitler from a Private Space“ von Yoshinori Niwa. Die Arbeit ist ein Altkleidercontainer, der dazu gedacht ist, dass Menschen dort ihre unerwünschten Gegenstände und Relikte aus der Nazizeit wegwerfen können. Der Platz der Installation ist dabei thematisch gewählt: Der Container steht dort, wo 2019 das Bekleidungsgeschäft „Tønsberg“ aufmachte, das die bei Neonazis beliebte Modemarke „Thor Steinar“ verkauft und zu lauten Protesten geführt hat.

Drei Plakate von Angharad Williams zieren den Bauzaun an der Kampstraße. Sie entstammen der Serie „Questions“. Foto: Leonie Krzistetzko.

Eine laute Optik haben die Werke von Angharad Williams, einer Künstlerin aus Wales: In den Vitrinen an der Ecke Wallstraße/Schmiedingstraße hat sie eine Lichtinstallation angebracht, die über die Ecke gelesen das Wort „Underworld“ ergibt. Durch ihre diffuse Beleuchtung ist die Installation besonders im Dunkeln sichtbar und vermittelt ein düsteres Gefühl. Die Arbeit ist in Williams‘ Zeit als Residenzkünstlerin bei Urbane Künste Ruhr in Essen entstanden, in der sie sich mit Minenarbeiter*innen beschäftigt hat. Ihre These: Minenarbeiter*innen seien die Aristokrat*innen der Unterwelt. Die Installation fügt sich in die urbane Landschaft ein, da sie abschüssig vom Stadtzentrum ihren Platz gefunden hat. Weitere ihrer Arbeiten finden sich am Bauzaun an der Kampstraße, nur wenige Meter von der Reinoldikirche entfernt. Auf Postern wirft Williams hier elementare Fragen des Lebens auf.

Wie bei Williams agiert auch das Werk „Displacement“ von Etienne Dietzel auf der mittleren Ebene der Haltestelle Kampstraße mit seiner Umgebung. In den Schaufenstern, die zu den Rolltreppen zum Ausgang Westenhellweg führen, zeigt Dietzel angestrahlte Photographien, die von Findlingen inspiriert wurden. Dietzel erstellt künstliche Findlinge, indem er 3D-Kugeln deformiert, bis sie an Steine erinnern und im zweiten Schritt Bilder um die künstlichen Steine legt. Eingebettet in Steinwände der Haltestelle Kampstraße, erwecken sie höhlenartige Assoziationen.

Outdoor-Ausstellung in Dortmund zeigt lebende Bilder an Wochenenden

Eine Besonderheit während der Ausstellungsdauer von „Taking my Thoughts for a Walk“ sind Tableaux Vivants, also lebende Bilder, vom Dortmunder Kollektiv Salon Atelier. Sie sollen die Betrachter*innen an Situationen und Handlungen erinnern, von denen uns die Pandemie distanziert hat. Gezeigt werden sie in der ersten Etage der GIS-Akademie an Samstagen von 18 bis 20 Uhr und an Sonntagen von 16 bis 18 Uhr. Betrachten lassen sie sich in dieser Zeit coronagerecht von der Straße aus. Zudem werden 500 Exemplare der Zeitung „Wormhole“ an den Kiosken an der GIS-Akademie und im U-Bahnhof Kampstraße ausgelegt. Die Zeitung wird von jungen Künstler*innen produziert und setzt sich in einem Special zur Ausstellung mit der Kampstraße auseinander, beinhaltet aber unter anderem auch Poesie und Prosa über die Veränderung des Lebens im Lockdown.

Die Karte zur Ausstellung liegt in den Kiosken im U-Bahnhof Kampstraße und am Kiosk an der GIS-Akademie aus wie auch beim Dortmunder Kunstverein. Außerdem ist sie online abrufbar. Grafik: Koeper Herfurth

Zur Ausstellung

  • Die Ausstellung „Taking my Thoughts for a Walk” ist noch bis zum 21. März auf der Route vom Westen- zum Ostentor zu sehen.
  • Die Karte mit der Route und Infos zu den einzelnen Werken und Künstler*innen liegt an verschiedenen Stellen in Dortmund aus – unter anderem im Kiosk in der Haltestelle Kampstraße und am Dortmunder Kunstverein. Sie ist aber auch online auf den Webseiten des Dortmunder Kunstvereins und von Urbane Künste Ruhr als Download verfügbar.
  • Weitere Informationen gibt es unter https://www.urbanekuensteruhr.de/ und https://www.dortmunder-kunstverein.de/.

 

 

Bildergalerie „Taking my Thoughts for a Walk“:

 

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