Die Stadt Dortmund hat sich – in zwei unterschiedlichen Ratssitzungen – als „Sicherer Hafen“ für Geflüchtete positioniert. Jetzt wird die Stadt auch dem gleichnamigen Bündnis beitreten und gemeinsam mit anderen Städten Druck auf die Bundesregierung machen, um geflüchtete Menschen aus den völlig überfüllten Lagern in Griechenland aufzunehmen.
Die Stadt Dortmund soll dem Städtebündnis „Sicherer Hafen“ beitreten
In der Ratssitzung gab es jeweils große Mehrheiten für die beiden von Grünen und SPD eingebrachten Anträge zum Thema. Doch auch wie in früheren Runden ging dies nicht ohne kontroverse Diskussionen ab.
„Vor dem Hintergrund der aktuellen katastrophalen Situation der Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern, insbesondere im Lager Moria, bekräftigt der Rat aus humanitären Gründen seinen Beschluss vom Februar 2020 zur Aufnahme zusätzlicher geflüchteter Menschen“ und – das war die Erweiterung – dem Städtebündnis „Sicherer Hafen“ beizutreten – so der Antrag der SPD-Fraktion.
Fast wortgleich formulierten die Grünen ihren Antrag, in dem sie außerdem darum baten, dass der OB sich dem gemeinsamen Brief mehrerer Oberbürgermeister*innen anschließen soll, im dem Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer aufgefordert werden, endlich den Weg für die weitere Aufnahme zu ebnen. 150 deutsche Städte hatten sich zur Aufnahme geflüchteter Menschen bereit erklärt. Die europäische Flüchtlingspolitik sei ein Armutszeugnis, kritisierte Saziye Altundal-Köse (Grüne).
Heinz Dingerdissen (FDP) war wegen der Anträge skeptisch: „Wir müssen nicht jeden unserer Beschlüsse nach einem halben Jahr bestärken. Wir haben zwei Mal in der Sache entschieden, das sollte reichen“, so Dingerdissen, der aber den zusätzlichen Beschluss des Beitritts in das Bündnis außer Acht ließ.
Kritik vom OB: Dortmund macht viel mehr als Briefe zu schreiben
Wenig begeistert zeigte sich OB Ullrich Sierau von dem Vorstoß, sich an dem Brief zu beteiligen. „Sie haben nur Briefe und Pressemitteilungen geschrieben und sich ansonsten weggeduckt“, kritisierte Sierau einige seiner Amtskolleg*innen.
Dortmund habe in den vergangenen Jahren immer gehandelt und auch angepackt – dabei verwies er u.a. auf den Betrieb der Erstaufnahme-Einrichtung des Landes sowie die Übernahme der Drehscheiben-Funktion für ankommende Geflüchtete über Ungarn.
Außerdem, – das wurmt den OB offenbar noch mehr – hätten die anderen Städte im Alleingang geschrieben: „Wir hatten keine Chance, uns zu dem Brief zu verhalten“, macht Sierau seinem Ärger Luft. Dennoch mache es Sinn, den Druck auf den Bund zu erhöhen – denn auch Sierau teilt die Einschätzung, dass die bisherige Politik von Bund und EU ein Armutszeugnis sei.
AfD und FBI werfen den Geflüchteten Erpressung der Politik vor
Für die AfD und Detlef Münch (FBI) waren die Anträge eine willkommene Vorlage, gegen die weitere Aufnahme von Geflüchteten zu schießen: „Das ist die X-te Auflage des ewigen Lamentieren. Jetzt wird Moria zum Anlass genommen, wo die Flüchtlinge Feuer gelegt haben, um die Politik zu erpressen“, kritisierte Heiner Garbe. „Wir können froh sein, dass Herr Hollstein nicht gewählt wurde, der hätte uns noch mehr Flüchtlinge in die Stadt geschleppt.“
Und Münch wiederholte zum wiederholten Mal seine Position, dass mit den Geflüchteten antisemitische, antichristliche und kriminelle Flüchtlinge nach Deutschland kämen – darunter auch tausende Sexualstraftäter. „Ich wundere mich, dass es Frauen sind, die sich für Flüchtlinge einsetzen, obwohl es Frauen sind, die unter Flüchtlingen besonders leiden“, polterte das Noch-Ratsmitglied, der sich erneut am Rande eines Ordnungsrufs bewegte.
„Natürlich will ich Kindern und Familien helfen, aber nicht mehr Sexualstraftäter nach Deutschland holen“, so Münch. Die Gruppe aus NPD und „Die Rechte“ nutzte die Steilvorlage nicht: NPD-Mann Axel Thieme äußerte sich hierzu in seiner letzten Ratssitzung nicht und Michael Brück von der Partei „Die Rechte“ war der Sitzung gleich ganz fern geblieben.
„Es sind auch deutsche Waffen, die dafür sorgen, dass Menschen fliehen müssen“
Michael Taranczewski (SPD) zeigte sich angewidert von der Debatte: Alles, was in Diskussionen an Christlichkeit und Werten hochgehalten würde, sei von der EU in den Flüchtlingslagern geopfert worden. „Es sind auch deutsche Waffen, die dafür sorgen, dass Menschen fliehen müssen“, so Taranczewski, der die Verrohung des Gewissens kritisierte.
Auch Lars Rettstadt (FDP) war enttäuscht: „Es macht mich echt traurig, wie die verschiedenen Seiten hier ihr Süppchen kochen. Ich bin zutiefst traurig, dass sie der AfD und Münch eine Bühne bieten. Herr Münch, sie sind ein armes Licht, sie tun mir leid“, so der aus freien Stücken aus dem Rat ausscheidende Vorsitzende der Fraktion von FDP und Bürgerliste: „Wir werden uns enthalten, weil wir echt erbärmlich finden, wie Sie sich auf Kosten der Flüchtlinge profilieren.“
Den Schlusspunkt zur Diskussion setzte SPD-Fraktionschef Norbert Schilff, indem er den Schluss der Debatte beantragte. „Ich schäme mich, mit dem ein oder anderen hier im Stadtrat zusammen sitzen zu müssen.“
Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:
Die „Seebrücke-Proteststaffel“ gegen das Sterben im Mittelmeer macht am Samstag Station in Dortmund
Die „Seebrücke-Proteststaffel“ gegen das Sterben im Mittelmeer macht am Samstag Station in Dortmund
Reader Comments
Zur geplanten Asyl-Reform der EU: GRÜNE wollen Bestätigung der Beschlüsse zum Sicheren Hafen Dortmund (PM)
Nach den Beratungen der EU-Innenminister*innen zu den geplanten Verschärfungen in der EU-Asylpolitik wollen die GRÜNEN im Rat, dass Dortmund seine Beschlüsse zum Sicheren Hafen für Geflüchtete bestätigt. Das sieht ein Antrag der GRÜNEN Fraktion für die Sitzung des Rates am Donnerstag vor.
Dortmund hatte sich bereits 2019 zum Sicheren Hafen erklärt und damit wie viele andere Städte die Bereitschaft bekundet, auch über die Aufnahmequoten hinaus schutzsuchende Menschen aufzunehmen. Hintergrund des damaligen Beschlusses war das schon damals massenhafte Sterben Geflüchteter bei der Flucht über das Mittelmeer. An der Situation hat sich bis heute nichts geändert. Allein in diesem Jahr sind mehr als 1000 Menschen mangels sicherer Fluchtrouten ertrunken.
„Das macht deutlich, dass die aktuelle Situation an den Außengrenzen der EU nicht länger hinnehmbar ist. Die nun geplante Abschottungspolitik kann dabei allerdings keine Lösung sein. Mehr Grenzschutz wird Schutzsuchende nicht abhalten – stattdessen werden sie dadurch auf immer gefährlichere Fluchtrouten verdrängt. Für uns ist klar: Jede schutzsuchende Person muss Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren haben. Gerade jetzt angesichts der geplanten Asylrechtsverschärfungen sollte sich Dortmund als erklärter Sicherer Hafen zur Solidarität mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen bekennen“, erläutert Jenny Brunner, Ratsmitglied der GRÜNEN, den Antrag ihrer Fraktion
Die EU-Innenminister*innen hatten in der letzten Woche beschlossen, dass es zukünftig an den Außengrenzen für bestimmte Gruppen von Schutzsuchenden Haftzentren und Abschiebungen in fast beliebige außereuropäische Staaten geben soll. Das gilt auch für Familien mit Kindern. Unter den diskutierten Bedingungen droht das individuelle Recht auf Asyl auf der Strecke zu bleiben.
Der Antrag der GRÜNEN sieht deshalb vor, dass der Rat an die Bundesregierung, das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und die Europäische Kommission appelliert, das Asylsystem menschenrechtskonform zu gestalten und den individuellen Zugang zum Recht auf Asyl zu wahren. Insbesondere Familien mit minderjährigen Kindern, unbegleitete Kinder sowie vulnerable Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, Schwangere oder LSBTIQ+ müssen dabei besonderen Schutz erfahren.
„In Dortmund ist die Aufnahme und Versorgung von Schutzsuchenden durch weitsichtige Planung und die vorsorgliche Bereithaltung von Aufnahmestrukturen bisher gut gelungen. Es ist gut, dass die NRW-Landesregierung die Kommunen dabei künftig verstärkt finanziell unterstützt. Es braucht aber insgesamt eine faire Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Dabei ist für uns zentral, dass die Kommunen, wie Dortmund, Planungssicherheit haben. Der Bund muss sich zuverlässig und solidarisch an der Finanzierung beteiligen und dafür langfristige Finanzzusagen machen. Für diese Herausforderungen braucht es wirksame Lösungen – und keine Abschottung. Auch das sieht unser Antrag vor“, so Jenny Brunner abschließend.