Von Angelika Steger
Der Hansaplatz am Samstagabend. Die Marktstände sind längst weggeräumt, da füllt sich der Platz mit immer mehr Radfahrer*innen. Hm, die Critical Mass ist doch am Freitag und fand in Dortmund schon letzte Woche, also am dritten Freitag im Monat statt… an diesem Samstag (29.08,) ist auch rechtlich eine Demonstration von Radfahrenden – angemeldet von dreizehn Organisationen wie Aufbruch Fahrrad, VeloCityRuhr, Verkehrsclub Deutschland, Fridays for Future u. a. Dabei geht es aber nicht nur um eine fröhliche Kaffeefahrt per Rad: Mit dieser Rundfahrt soll dem 18-Punkte-Programm „Fahrradwende jetzt“ Nachdruck verliehen werden.
Freude, aber auch Irritationen am Rande der Fahrraddemo am Samstagabend
Dazu gehören Forderungen nach mehr Geld für den Radverkehr – also 36 Euro pro Kopf wie beim Vorbild Kopenhagen statt wie in Dortmund nur 10 Euro. Auch braucht es nach Ansicht der Initiator*innen mehr Personal, um die Maßnahmen für bessere Bedingungen im Radverkehr umsetzen zu können. Jeder Mensch, ganz gleich welchen Alters, soll sicher in Dortmund radeln können – dafür braucht es mehr Platz für´s Rad.
Die Veranstalter sind überwältigt: man hatte mit 200 Teilnehmer*innen an der Fahrrad-Demonstration gerechnet. Gekommen sind laut der Polizei aber 1.200. „Das war wohl die größte Fahrraddemo in der Geschichte von Dortmund“, freut sich Peter Fricke von Aufbruch Fahrrad. Sein Gesicht ist voller Freude. ___STEADY_PAYWALL___
Einige Autofahrer*innen aber reagierten irritiert und verärgert. „Ich habe einen Termin, ich muss weiterfahren können!“ Eine Fußgängerin, die die Straße nicht wie gewohnt überqueren konnte, sagte beim Anblick der herannahenden Radfahrer*innen: „Das ist jetzt nicht Euer Ernst.“ In Städten, in denen schon allein in Sachen Platzaufteilung dem Autoverkehr der Vorrang eingeräumt wird, sind mehr als fünf Radfahrer*innen immer noch ein ungewohntes Bild.
Andere Städte wie Oslo, Kopenhagen oder Nijmegen aber zeigen, dass auch Radverkehr Alltagsverkehr ist, das Rad also nicht nur am Sonntagnachmittag zum Ausflug benutzt wird. Die Ordner*innen suchten das höfliche Gespräch mit den Autofahrenden, an Polizeiabsperrungen wurden anhaltende Autofahrer*innen höflich von Radfahrenden mit Winken begrüßt und auch gedankt. Auch die Polizei Dortmund, mit Motorradstaffel und PKWs vor Ort, bekam immer wieder ein „Danke“ zugerufen.
Tour entlang einiger Problemstellen des Dortmunder Radverkehrs – Höhepunkt auf B54
Die Route war nicht zufällig gewählt, sie lief an einigen Problemstellen des Dortmunder Radverkehrs entlang. Am Wall sind die Radwege zu schmal, werden z.B. an der Kreuzung Hohe Straße/Hiltropwall einfach auf die Straße in den fließenden Verkehr geführt. Ein möglicher, ungewollter Zusammenstoß ist vorprogrammiert, obwohl sich alle an die Regeln gehalten haben mögen – der oder die Autofahrer*in muss dafür nicht mal zu schnell unterwegs gewesen sein.
Auf der Rheinischen Straße wird der Radweg zum Radfahrstreifen und vor der Haltestelle Heinrichstraße, wenn die Stadtbahn aus dem Untergrund kommt, immer schmaler und ist auf der Brücke völlig verschwunden.
Den Höhepunkt erreichte die Demonstrationsrunde auf der B 54, der autobahnartigen Schnellstraße. Ein tolles, erhöhendes Gefühl, dort mit dem Rad entlang zu fahren! Mit lauten Rufen, Klingeln und Musik aus Lautsprechern auf Lastenrädern genossen die Teilnehmer*innen diesen Abschnitt der Demo sichtlich.
Doch auch hier ist der Hintergrund nicht nur spaßig: die Radwege an den Abfahrten der B54 gehören zu den gefährlichsten Stellen für Radfahrer*innen. Simone Kah von Parents For Future: „Morgen werden Radfahrende wieder über Wurzelaufbrüche und Schlaglöcher hoppeln müssen.“ Dabei ist es durchaus möglich, Bäume entlang eines Radwegs zu pflanzen. Auch hier sind die Niederlande Vorbild und dem deutschen Radverkehr um Jahrzehnte voraus. Die Wirtschaft ist im Nachbarland deshalb nicht niedergegangen.
Wohl auch das gute Wetter – sonnig, aber nicht zu warm – hatte zu dieser hohen Teilnehmer*innenzahl von 1.200 beigetragen. Um 20.30 Uhr etwa kamen alle Radfahrer*innen wieder wohlbehalten am Hansaplatz an. Auf Bitte des Veranstalters verteilten sich die Menschen mehr über den Platz, auch wegen der später ankommenden Radler*innen, so dass Abstände gut eingehalten werden konnten. Einige trugen auch Masken, wenn der Abstand während der Fahrt kurzzeitig nicht weit genug eingehalten werden hatte können. Denn weder vor Covid-19 noch vor motorisierten Verkehrsteilnehmer*innen sollen Radfahrer*innen Angst haben müssen.
Weitere Informationen:
- Forderungskatalog von Aufbruch Fahrrad und allen anderen Bündnissen, VCD, ADFC Dortmund, FFF u.a. hier.
- Fahrradbeauftragte der Stadt Dortmund, Informationen hier.
- Video zur Fahrraddemo von FFF bei Twitter; hier:
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Wie fahrradfreundlich ist Dortmund? Jetzt abstimmen beim ADFC-Fahrradklima-Test 2020! (PM)
Wie fahrradfreundlich ist Dortmund? Jetzt abstimmen beim ADFC-Fahrradklima-Test 2020!
Ab sofort läuft die Umfrage zum großen ADFC-Fahrradklima-Test 2020. Der Fahrradclub ADFC ruft gemeinsam mit dem Bundesverkehrs-ministerium wieder hunderttausende Radfahrerinnen und Radfahrer dazu auf, die Fahrradfreundlichkeit von Städten und Gemeinden zu bewerten. Der Test hilft, Stärken und Schwächen der Radverkehrsförderung zu erkennen. In diesem Jahr ist das Radfahren in Zeiten von Corona das Schwerpunktthema.
Rebecca Peters, stellvertretende ADFC-Bundesvorsitzende sagt: „Corona hat viele Menschen zum Radfahren gebracht, die das noch nie oder schon lange nicht mehr gemacht haben. Städte sollten jetzt alles daran setzen, diese Neuaufsteiger auf dem Rad zu halten und ihnen dafür einladende und sichere Infrastruktur anzubieten. Der Fahrradklima-Test soll zeigen, wie gut das schon gelingt.“
ADFC-Vorstandsmitglied Werner Blanke ergänzt: Dortmund hat das Angebot für den Radverkehr in letzter Zeit schon deutlich verbessert. Die Roteinfärbungen in den Kreuzungsbereichen waren wichtige Meilensteine. Jetzt geht es um die Frage: Kommen die Verbesserungen bei den Bürgerinnen und Bürgern an? Was läuft schon gut – was kann noch besser werden? Wir bitten alle Dortmunder*innen sich ein paar Minuten für die Befragung auf http://www.fahrradklima-test.adfc.de zu nehmen. Es lohnt sich!“
Macht Radfahren in Dortmund Spaß oder Stress?
Bei der Online-Umfrage werden 27 Fragen zur Fahrradfreundlichkeit gestellt – beispielsweise, ob das Radfahren Spaß oder Stress bedeutet, ob Radwege von Falschparkern freigehalten werden und ob sich das Radfahren auch für Neuaufsteiger sicher anfühlt. Mehr als 170.000 Bürgerinnen und Bürger haben 2018 mitgemacht und die Situation in über 600 Städten beurteilt. Dortmund schloss beim letzten ADFC-Fahrradklima-Test mit der Gesamttestnote 4,4 ab. Die Bewertungen vom letzten Durchgang gibt es auf http://www.fahrradklima-test.de/karte beim Klick auf Dortmund.
Bis 30. November bewerten!
Die Umfrage findet zwischen 1. September und 30. November 2020 über die Internetseite http://www.fahrradklima-test.adfc.de statt. Die Ergebnisse werden im Frühjahr 2021 präsentiert. Ausgezeichnet werden die fahrradfreundlichsten Städte und Gemeinden nach sechs Einwohner-Größenklassen sowie diejenigen Städte, die seit der letzten Befragung am stärksten aufgeholt haben.
Förderung durch Bundesverkehrsministerium
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und findet in diesem Jahr zum neunten Mal statt. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert den ADFC-Fahrradklima-Test 2020 aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans (NRVP).
Auch auf Facebook und Twitter
Neuigkeiten zum Fahrradklima-Test postet der ADFC unter dem Hashtag #fkt20. Radbegeisterte werden gebeten, die Informationen weiter zu verbreiten. Der Test wird umso aussagekräftiger, je mehr Menschen mitmachen.
Über den ADFC: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit rund 200.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit.