„Freedom! Freedom! I can’t move. Freedom, cut me loose!“ schallt es aus den Boxen über dem Hansaplatz. Adigal steht ganz vorn mit ihren Freundinnen – die Faust in die Luft gestreckt, wie alle in diesem Moment auf dem Platz, während Beyoncé ihnen Mut zu spricht. Der ist gerade jetzt sehr wichtig – denn der Trend der „Black Lives Matter“-Bewegung flacht ab. „Es ist einfach nur traurig, dass anscheinend viele nur für die eine Demo gekommen sind. Das hier ist mehr als nur ein Trend für mich. Ich will einfach, dass endlich Gleichberechtigung herrscht“, so Adigal.
„Es gibt immer noch eine viel zu große Masse an Leuten, die keine Toleranz zeigen.“
Um die 600 Demonstrant*innen fanden sich am Samstagnachmittag ( 4. Juli 2020) auf dem Hansaplatz ein, um Solidarität zu zeigen und sich gegen Rassismus auszusprechen. Für Mitorganisatorin Tari Webster ist klar, dass die Großdemo im Juni erst der Anfang war: „Wir planen, regelmäßig auf die Straße zu gehen. Dabei ist es mir super wichtig, dass es einen Mehrwert gibt und wir die Leute nachhaltig informieren über White Allyship oder White Privilege.“
Um sie herum tanzen ihre beiden kleinen Neffen, einer der beiden hält ein Schild in der Hand: „When do I go from cute to scary?“. Eine Frage, die wohl viele Protestierende beschäftigt. Auch Marvin und Nico. Für sie sind die Demos wichtiger Bestandteil ihres antirassissistischen Kampfes.
Sie sagen: „Es reicht nicht, sich über Social Media zu solidarisieren und einen schwarzen Kasten zu posten, es gibt so viel mehr zu tun. Geh auf Demos, unterschreib Petitionen, informier dich selbst.“ Sie wissen, dass mehr Leute dranbleiben müssen, damit es über den Trend hinaus eine Veränderung gibt. „Es gibt immer noch eine viel zu große Masse an Leuten, die keine Toleranz zeigen.“
Klare Botschaft: „Rassismus ist kein Hype, Rassismus ist alltäglich.“
Vanessa Adado betont in ihrer Rede genau dieses Problem: „Rassismus ist kein Hype, Rassismus ist alltäglich.“ Sie erzählt von Begegnungen mit Fremden, die ihr in die Haare fassen, Ablehnung an Clubeingängen, bei Bewerbungsgesprächen und das verdrehte Schönheitsbild, das Schwarzen Frauen vermittelt wird. „Wir sind nicht schön – für Schwarze Frauen. Wir sind einfach verdammt schön, ungeachtet unserer Herkunft.“
Um den Protestierenden ihre eigenen Privilegien aufzuzeigen, animierte sie sie zu einer Runde „Never have I ever“. Während Vanessa typische Situationen von Alltagsrassismus beschrieb: „Ich wurde noch nie gefragt, ob ich Sonnenbrand bekommen kann“, zeigten die Demonstrierenden mit ihren Händen an, wie viele dieser Situationen ihnen persönlich widerfahren sind.
Das eigene Bewusstsein zu schärfen und zu verstehen, dass auch in Deutschland White Privilege existiert – darum ging es auch in Alisa Pfisterers Rede. „Im Gegensatz zu People of Colour muss ich nie für alle weißen Menschen sprechen“, und fordert: „Wir Privilegierten müssen achtsam sein, sonst wird sich nichts an dem Konstrukt ändern.“
„Ich kann keiner Talkshow vertrauen in der fünf weiße Männer über Rassismus diskutieren“
Genau dieses Konstrukt ist besonders in Dortmund präsent, weiß Demonstrant Tobi. „Für mich ist Rassismus in Deutschland kein Thema, was gerade so aufkommt oder im Trend ist. Es ist ja bekannt, dass wir in Dortmund-Dorstfeld, aber auch in der Innenstadt mit dem Thor Steinar-Laden Probleme hatten und auch haben.“
Auch wünscht er sich, dass sich fernab vom Populär-Journalismus mehr mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt wird und kritisiert: „Mir fehlt da einfach die Diversität. Ich kann keiner Talkshow vertrauen, in der fünf weiße Männer über Rassismus diskutieren. Da muss sich was ändern.“
Ein weiterer besonderer Moment der Demo war die Rede des fünfzehnjährigen Wesley Ambrose. Er erzählte von rassistischen Erfahrungen, die er in seiner Schulzeit gemacht hat und dem fehlenden Rückhalt seiner Freunde. „Es kam zu einer falschen Sensibilisierung von Rassismus, wo ich es einfach nicht mehr wahrgenommen habe.“ Er fordert mehr Raum für das Thema in deutschen Schulen und bekennt: „Ich habe keine Lust mehr, ein Opfer des Systems zu sein.“
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VVN-BdA unterstützt Kundgebung gegen den Rassismus „Black lives matter“ (PM)
VVN-BdA unterstützt Kundgebung gegen den Rassismus „Black lives matter“
Man soll im „Blick behalten, dass es in Deutschland viele Menschen mit Rassismuserfahrungen gibt, über die noch weniger gesprochen wird – Sinti und Roma oder Geflüchtete zum Beispiel.“ Dazu ermahnte Tahir Della, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), seine Mitstreiter/innen in einem Interview mit „antifa“, Magazin der VVN-BdA. Bei der Kundgebung von „silent demo“ am 4. Juli in Dortmund kam dementsprechend auch „seebrücke“ zu Wort mit erschütternden Schilderungen über das Schicksal der Ertrinkenden und Verfolgten im Mittelmeer und in der Ägäis. Verfolgt von den EU-Staaten. Die Dortmunder VVN-BdA richtete an die Kundgebung, zu der sie mit aufgerufen hatte, dieses Grußwort:
Liebe Kundgebungsteilnehmer*innen der „Silent Demo“!
Unsere VVN-BdA begrüßt Euch alle, die ihr heute hier zusammen gekommen seid. Wir sind die mit dem Roten Winkel der KZ-ler, der bei Trump und der AfD so verhasst ist. Wir sind aber nicht die Veranstalter hier, wie die RN schrieb.
Der gewaltsame Tod von farbigen Bürgern in den USA und die Notwendigkeit des Aufstandes gegen Rassismus angesichts der Flüchtlingsnot bei uns führen uns heute hier zusammen. An der Bewegung „Aufstand gegen den Rassismus“ ist unsere Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschist/innen sehr engagiert beteiligt.
Ein besonders rassistischer Skandal im Lande ist der Anschlag des bayerischen Verfassungsschutzes und der Finanzämter Berlins auf die älteste und sehr traditionsreiche Organisation des Antifaschismus, auf unsere VVN-BdA, gegründet 1946 von Holocaustüberlebenden, Opfern des faschistischen Rassenwahns und verfolgten Widerstandskämpfer/innen. Die VVN-BdA soll ihren Gemeinnützigkeitsstatus verlieren und u.a. durch Steuernachforderungen vernichtet werden.
Gefährliche Züge nimmt auch die Feindschaft gegen Roma und Sinti, der Antiislamismus und Antislawismus, z.B. die Russenfeindlichkeit in Verbindung mit der Hochrüstung an. Der Antisemitismus ist immer noch beängstigend.
Wir protestierten gegen die anhaltende Ehrung für den Hitlerförderer Emil Kirdorf in Dortmund-Eving. Mit ihm wurden Krieg, mörderischer Rassenwahn und Holocaust möglich.
Und wir wenden uns entschieden gegen die Zusammenarbeit auch von Dortmunder Polizisten mit faschistischen Preppern, die am Tag X gegen Nichtdeutsche zuschlagen wollen.
Im Wahlkampf zur Kommunalwahl wollen wir uns gegen die Profaschisten von der AfD positionieren. Sie ist Bestandteil eines um sich greifenden völkischen Alltagsrassismus. Die mangelhafte Aufarbeitung des NSU-Terrors oder die rechtsextremen Vorfälle in der Bundeswehr, besonders im KSK sind nur einige Beispiele dafür, wie groß das Problem auch in Deutschland ist. Die aktuelle Debatte sollte dieses Problem für uns Ansporn sein, Alltagsrassismus, rassistische Strukturen und Verhaltensweisen zu bekämpfen.
Glück auf und gutes Gelingen für unseren gemeinsamen Kampf.
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist/innen – Kreisorganisation Dortmund. – Anke Georges; Helmut Manz, Ulrich Sander
Einladung von Prof. Dr. Dietmar Köster (SPD-MdEP) zum Online-Seminar „Rassismus und Polizeigewalt: Strukturen in Deutschland und der EU“ (PM)
Einladung von Prof. Dr. Dietmar Köster (SPD-MdEP) zum Online-Seminar „Rassismus und Polizeigewalt: Strukturen in Deutschland und der EU“
Nach dem Mord an George Floyd gehen in den USA weiterhin Menschen auf die Straße, um ihre Wut und ihren Protest auszudrücken. Schwarze und People of Color sind in den USA seit Jahrhunderten Opfer von strukturellem Rassismus. Jedoch müssen wir auch in Deutschland über rassistische Praktiken in der Polizei und gewalttätige Übergriffe auf BIPoCs sprechen.
Dazu lädt Dietmar Köster, Mitglied des Europäischen Parlaments, zum Online-Seminar „Rassismus und Polizeigewalt: Strukturen in Deutschland und der EU“ am 15. Juli 2020 ab 18 Uhr ein.
Gemeinsam mit Dr. Rosalyn Dressman, Vorsitzende des African Tide Union e.V. in Dortmund und Silke Studzinsky vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. in Berlin soll die Thematik sowohl aus Sicht von Rassismus Betroffenen, als auch aus rechtstaatlicher und politischer Perspektive debattiert werden. Ziel ist es, mehr Öffentlichkeit für die Thematik zu erzeugen und mögliche Gegenstrategien zu diskutieren. Während der Veranstaltung können Fragen im Chat gestellt werden.
Das Seminar findet auf der Plattform Edudip statt. Die Anmeldung ist ab sofort unter folgendem Link möglich: https://bit.ly/3f8qNp8. Für die optimale Nutzung von Edudip wird der „Firefox“-Browser empfohlen.
Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, wird der Zutritt zum Online-Seminarraum verwehrt bzw. werden aus diesem ausgeschlossen.