„Djelem Djelem“: Ein Roma-Kulturfestival im Zeichen der Menschenrechte und Menschenwürde

Völlig überfüllt war der Große Saal der Auslandsgesellschaft, wo am Donnerstagabend eine Podiumsdiskussion zum Start von "Djelem Djelem" stattfand.
Völlig überfüllt war der Saal der Auslandsgesellschaft bei der Diskussion zum Start von „Djelem Djelem“.

Es geht um die Zuwanderung aus Südosteuropa – vor allem um die von Roma. Die größte europäische Minderheit. Eine, über die ganz viele Menschen ganz wenig wissen und dennoch – oder gerade deswegen – ganz viel Vorurteile haben.

„Die Welt besser verstehen“ als Leitmotiv

Insofern war mit der Auslandsgesellschaft als Ort für die Auftaktveranstaltung zum ersten Roma-Kultur-Festival „Djelem Djelem“ eine gute Wahl getroffen. „Unser Motto ist ,Die Welt besser verstehen‘ – daher passt das sehr gut“, betonte Klaus Wegener, Präsident der Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen (AGNRW). „Wir haben hier auch Erfahrungen mit Kooperationen zu dem Thema.“ Gemeinsam mit dem Planerladen und Bodo e.V. hat die AGNRW eine Reihe von gut besuchten Veranstaltungen zu dem Thema gemacht.

Stadtdirektor würdigte das Roma-Kulturfestival „als längst überfällig“

Stadtdirektor Jörg Stüdemann kritisierte die Diskriminierung in den EU-Herkunftsländern als skandalös.
Jörg Stüdemann kritisierte die Diskriminierung in den EU-Herkunftsländern als skandalös.

„Als längst überfällig“ stufte Stadtdirektor Jörg Stüdemann das Roma-Kulturfestival ein: „Wir haben viel zu lange nur über die Probleme und über die Menschen gesprochen, aber nicht mit ihnen.“ Das Festival leiste einen wesentlichen Beitrag, Vorurteile abzubauen. Zudem richte es den Fokus auf die reiche Kultur der Kultur der Roma und auf das, mit dem die Menschen die deutsche Gesellschaft bereichern können.

„Wir sind immer eine Einwanderungsstadt gewesen“, sagt Stüdemann und blickt auf Dortmund, das die Heimat von Menschen aus 170 Nationen ist. Allerdings hätten die Roma in ihrer alten Heimat Diskriminierung und Verfolgung erlebt. „In Dortmund soll niemand in Angst leben und leugnen müssen, dass er ein Rom ist“, betonte der Stadtdirektor.

Außerdem forderte er, die Diskriminierung und Schlechterstellung der Roma in ihren Herkunftsländern endlich abzustellen: „Diese Diskriminierung in EU-Ländern ist skandalös. Diese Zustände müssen aufhören.“ Die deutsche Bevölkerung müsse mithelfen, dass sich die zugewanderten Familien mit ihren Kindern in Dortmund wohlfühlen und hier eine eigene Lebensperspektive entwickeln und sich verwirklichen können.“

Kieninger: Antiziganismus ist ein Problem von breiten gesellschaftlichen Schichten

Daher war die AWO-Unterbezirksvorsitzende Gerda Kieninger den Organisatoren des Festival sehr dankbar: „Sie zeigen die vielfältigen Facetten der größten europäischen Minderheit. Bei uns werden bisher fast ausschließlich negative Aspekte diskutiert“, so Kieninger.

Dabei sei Antiziganismus kein ausschließliches Problem rechter Gruppen, sondern von breiten gesellschaftlichen Schichten. Ziel müssten Hilfsangebote und die Integration sein: „Dabei darf die Herkunft, der Glaube und die Weltanschauung nicht ausschlaggebend sein.“ Dies sei die Maxime der AWO seit Jahrzehnten.

Auch frühere Gastarbeiter hatten Vorurteile gegenüber Deutschen

Sami Dzemailovski forderte mehr Selbstbewusstsein und einen offensiven Umgang mit Vorurteilen.
Sami Dzemailovski (li.) forderte mehr Selbstbewusstsein und einen offensiven Umgang mit Vorurteilen.

Danach arbeitet auch Mirza Demirovic, Streetworker der Awo in der Nordstadt. „Ich frage nicht, wer von den Menschen Roma ist. Wir arbeiten für alle!“ Vorbehalte gibt es auf beiden Seiten. Das musste auch Sami Dzemailovski erleben, als seine Familie in den 70er Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland kam. Seine Großeltern hatten Vorbehalte, weil mehr als eine halbe Million Sinti und Roma von den Nazis ermordet wurden.

Doch ihre Vorurteile wurden widerlegt: „Die Deutschen fuhren nicht mehr mit Panzern, sondern Autos. Und sie trugen Hüte, keine Stahlhelme mehr“, sagte Sami. „So kann man Vorurteile austreiben, in dem man selber hingeht und sich das ansieht.“ Daher ist der pädagische Mitarbeiter des Roma-Projekts MIGoVita e.V. so froh, dass Dortmund mit dem Roma-Festival andere Akzente setzt und für hoffentlich breite Kreise der Gesellschaft erlebbar macht.

Junge Roma brauchen Selbstbewusstsein und Vorbilder

Seine Organisation arbeitet daran, dass Selbstbewusstsein junger Roma zu stärken, so dass sie sich zu ihrer Herkunft bekennen können und auch Stolz entwickeln. Häufig auch gegen Widerstände in der eigenen Familie. „Ich bin 51 und meine Mutter schimpft mich noch immer, weil ich immer offensiv sage, dass ich ein Rom bin“, erklärte er lachend. „Dafür braucht es aber mehr Vorbilder“, machte er deutlich. „Das müssen keine Stars sein – dafür reichen ganz normale Leute, die ihren Weg gemacht haben und ein Teil der deutschen Gesellschaft sind.“ Eine Erfahrung, die ach Ismeta Stojkovic von Terno Drom e.V. gemacht hat. Die Akademikerin gibt Kindern Nachhilfe: Die fühlen sich respektiert und ernst genommen – und möchten ihr nacheifern.

Solidaritäts- und Freundschaftsverein gegründet: Neuzuwanderer helfen sich gegenseitig

Völlig überfüllt war der Große Saal der Auslandsgesellschaft, wo am Donnerstagabend eine Podiumsdiskussion zum Start von "Djelem Djelem" stattfand.
Zuwanderer wie Fabian Lazar-Ion berichtete über seine Erfahrungen in Dortmund. Fotos: Völkel

Die meisten Zuwanderer, ob Roma oder nicht, seien dankbar für die Hilfen. „Wir sind doch alle Menschen“, macht Galya Haka neu gegründeten Solidaritäts- und Freundschaftsverein der Neuzuwanderer Dortmund e.V. deutlich. Sie stammt aus der türkisch-stämmigen Minderheit in Bulgarien, die mit den Roma quasi wie Brüder zusammengelebt hat. „Wir haben uns nie gegenseitig diskriminiert – wir beide waren Minderheiten.“

Daher tauschen sich auch heute die Mitglieder aus und helfen sich gegenseitig. Haka hat sich in kurzer Zeit von einer Frau, die Hilfe braucht zu einer, die Hilfen anbietet entwickelt. Zwar hapert es auch bei ihr noch an den Deutsch-Kenntnissen – daran arbeitet sie. Doch sie kann zumindest für andere Zuwanderer mit türkischen Sprachmittlern wie Gamze Çalişkan vom Planerladen sprechen und für sie das Bulgarische übersetzen. Ganz abgesehen davon: Die meisten der Roma sprechen zwei oder mehr Sprachen. Ein Pfund, mit dem sie wuchern können.

Demirovic: „Die Zuwanderer fragen nach Arbeit nicht nach Sozialleistungen!“

Völlig überfüllt war der Große Saal der Auslandsgesellschaft, wo am Donnerstagabend eine Podiumsdiskussion zum Start von "Djelem Djelem" stattfand.
Mirza Demirovic (li.) hat vielen Neuzuwanderern und ihren Familien helfen können.

Allerdings – und das ist das größte Problem, können die Sozialarbeiter bei den sehnlichsten Wünschen der Menschen nur bedingt helfen: „1. Arbeit, 2. Wohnung, 3. Sprachkurs“ – so sehe die Prioritätenliste der meisten Zuwanderer aus. Zumindest bei der Sprache könnten sie mittlerweile helfen, verdeutlicht Mirza Demirovic. Das war nicht immer so: Denn bislang mussten die Rumänen und Bulgaren als EU-Bürger für Integrationskurse bezahlen, die für andere Ausländer kostenlos sind. Jetzt gibt es auch für sie kostenfreie Angebote. „Aber Arbeit steht ganz oben, nicht Sozialleistungen“, betonte er nochmals.

Daher gehe es auch darum, bei der Mehrheitsgesellschaft die Vorurteile abzubauen. Die eigenen, aber auch in den Behörden und Institutionen, wie AWO-Geschäftsführer Andreas Gora deutlich machte. Die AWO hat ein Haus im Schleswiger Viertel gekauft, wo besonders viele Neuzuwanderer leben. Wenn dort Müll auf der Straße liege, greift Gora zum Hörer, um um eine Entsorgung zu bitten: „Ich fange das Gespräch mit ,Ich habe ein Haus in der Schleswiger Straße gekauft’ an. Weiter komme ich meist nicht. ,Selbst Schuld’ bekomme ich oft als Erstes zu hören.“ Das Umdenken beginnt eben im Kopf….

 

Hier gibt es das gesamte Programm in der Übersicht:

Mehr zum Thema Roma auf nordstadtblogger.de:

Reader Comments

  1. Rüdiger Weigelin

    Guter Artikel, zu dem vielleicht folgender Hinweis passt: Am Donnerstag, dem 25. September, am 21.00 Uhr sendet mephisdo im Bürgerfunk ab 21.00 Uhr auf radio 912 Ausschnitte aus der Veranstaltung.

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