Politische Einkaufsschlangen: Alternativer Protest für Flüchtlinge in griechischen Camps endet mit Platzverweisen

Etwa 25 Menschen haben sich mit Schildern vor einem Waffelstand aufgestellt. Fotos: Karsten Wickern
Etwa 25 Menschen haben sich mit Schildern und mit Abstand vor einem Waffelstand aufgestellt.

In Zeiten von Corona entwickeln sich neue Formen der politischen Meinungsäußerung. Mit Plakaten in einer Einkaufsschlange zu stehen, ist eine davon. So demonstrierten am Samstag auch Menschen in Dortmund für mehr Unterstützung der Flüchtlinge in griechischen Lagern. Die Aktion unter dem Motto #LeaveNoOneBehind („Niemanden zurücklassen“) endete im Konflikt mit der Polizei und dem Ordnungsamt.

Eine Waffel kaufen und dabei protestieren – eine neue Form des Protests

Schild: Menschen retten
Auf Schildern trugen die Menschen ihre Forderungen.

Über 42.000 Menschen leben, nach Angaben griechischer Behörden, zurzeit in den griechischen Flüchtlingscamps. Eigentlich sind die Camps für etwa 6.000 Menschen ausgelegt. Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) beschrieben die Zustände schon vor der Corona-Pandemie als dramatisch.

Nun, mit Ausbruch der Pandemie, sehen Expert*innen ein nochmals höheres Gesundheitsrisiko für die Menschen in den Flüchtlingslagern – als sie die untragbaren und teils menschenunwürdigen Bedingungen schon vorher verursacht haben. Ende vergangener Woche nahm Deutschland 47 Kinder aus den Camps auf. Zu wenige sagen Menschen, die sich am Samstag mit Plakaten auf dem Hansaplatz aufstellten.

Ca. 25 Personen haben sich unter dem Motto „LeaveNoOneBehind“ vor einem Waffelstand auf dem Wochenmarkt angestellt. Ihr Ziel: Eine Waffel kaufen und in der Wartezeit auf ihre Forderungen aufmerksam machen. Dazu trugen sie Plakate mit Forderungen wie „Nicht wegschauen“ und „Rettet Menschen“ bei sich.

Polizei und Ordnungsamt haben Platzverweise erteilt und Verfahren eingeleitet

Die Protestierenden achteten an die vorgeschriebenen Mindestabstände.
Die Protestierenden achteten an die vorgeschriebenen Mindestabstände.

Die Beteiligten sehen darin eine sichere Methode zum Protest. „Die aktuellen Verordnungen bzgl. der Corona-Gefahr wurden eingehalten. Mindestabstände wurden in keinem Fall unterschritten“, sagt Hauke Reitz, der auch in der Schlange anstand.

Anders sehen es das Ordnungsamt und die Polizei. Auf Nachfrage der Nordstadtblogger sieht die Polizei Dortmund hier „eine nicht von der Ordnungsbehörde genehmigte Versammlung“. Daher habe die Polizei zusammen mit dem Ordnungsamt eingegriffen und die Aktion aufgelöst. 13 Menschen erhielten einen Platzverweis. Auch Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten wurden eingeleitet.

Julia Mohr stand ebenfalls vor dem Waffelstand an. Sie empfand das Vorgehen der Polizei als sehr aufbrausend und eskalierend. Nach Aufforderung weigerte sie sich, ihre Personalien abzugeben, da die Polizei ihr nicht einen genauen Vorwurf genannt habe. Die Polizei habe ihr dann gedroht, sie in Gewahrsam zu nehmen und ihren Hund ins Tierheim zu bringen.

„Eskalativ und aufbrausend“: Kritik von Flüchtlingsunterstützer*innen am Vorgehen der Ordnungsbehörden

Polizei und Ordnungsamt nahmen die Personalien von den Menschen mit Schildern auf.

Mohr gab schließlich nach und gab ihre Personalien ab. Ob ein Verfahren gegen sie eingeleitet wurde, weiß sie noch nicht. Auf jeden Fall erhielt sie einen 24 Stunden-Platzverweis für den gesamten Bereich innerhalb des Wallrings. 

Reitz verurteile das Vorgehen von Polizei und Ordnungsamt ebenfalls als eskalativ. Er sieht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, also dass möglichst milde Maßnahmen ergriffen werden, um die öffentliche Ordnung herzustellen, als nicht gegeben. „Die öffentliche Sicherheit oder Ordnung war meines Erachtens nicht wirklich gefährdet“, sagt er.

Außerdem sei es fraglich, ob eine Versammlung unterstellt werden kann, wenn Personen in einer Warteschlange stehen, kritisiert Hauke Reitz. Einige Betroffene der polizeilichen Maßnahmen haben sich nun zusammengetan und wollen rechtliche Schritte gegen die Behörden prüfen.

Weitere Informationen:

 

Unterstütze uns auf Steady

 

Mehr zum Thema bei nordstadtblogger.de:

Jeder Mensch hat einen Namen – Aktion gegen das Sterben im Mittelmeer – Kommunen wollen Flüchtlinge aufnehmen

Jeder Mensch hat einen Namen – Aktion gegen das Sterben im Mittelmeer – Kommunen wollen Flüchtlinge aufnehmen

Jeder Mensch hat einen Namen – Aktion gegen das Sterben im Mittelmeer – Kommunen wollen Flüchtlinge aufnehmen

Die „Seebrücke-Proteststaffel“ gegen das Sterben im Mittelmeer macht am Samstag Station in Dortmund

700 Menschen bei der „Seebrücke“-Demo in Dortmund – Klare Botschaft: „Seenotrettung ist kein Verbrechen!“

„Seebrücke“-Demonstration in Dortmund: Gemeinsam gegen europäische Abschottungspolitik und für solidarische Städte

„Seebrücke“-Demonstration in Dortmund: Gemeinsam gegen europäische Abschottungspolitik und für solidarische Städte

„Seebrücke“-Demonstration in Dortmund: Gemeinsam gegen europäische Abschottungspolitik und für solidarische Städte

Die „Seebrücke-Proteststaffel“ gegen das Sterben im Mittelmeer macht am Samstag Station in Dortmund

Jeder Mensch hat einen Namen – Aktion gegen das Sterben im Mittelmeer – Kommunen wollen Flüchtlinge aufnehmen

 

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. otto

    Wenn ich den Juristen aus dem Podcast „Lage der Nation“ richtig verstanden habe, müssen Demonstrationen in Deutschland nicht genehmigt werden und daher gibt es erstmal keine „nicht genehmigten“ Demonstrationen. Das widerspricht aber der Aussage der Polizei an dieser Stelle.

    Link zum entsprechenden Kapitel im Podcast: https://www.kuechenstud.io/lagedernation/2020/04/17/ldn185-staat-mildert-beschraenkungen-tracing-apps-verschwoerungs-videos-demonstrationsfreiheit-fluechtlinge-im-mittelmeer/?t=49%3A18%2C54%3A38

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert