Eigentlich hatte die Staatsanwaltschaft schon damit gerechnet, am mittlerweile 26. Verhandlungstag nun endlich plädieren zu können. Doch nach rund einem Jahr Prozessführung bringt Rechtsanwalt Christian Dreier plötzlich ein neues Beweismittel in die Verhandlung ein, auf dessen Erwähnung er in den Ermittlungsakten gestoßen war. Es handelt sich hierbei um ein weiteres Haar, das in einer Hecke am Tatort gefunden wurde. So viel steht fest. Doch mehr ist der Akte nicht zu entnehmen , so dass vorerst niemand genaue Auskunft darüber erteilen kann, ob dieses Haar je untersucht oder wo es eingelagert wurde und ob es überhaupt noch existiert.
Weiteres Haar aus einer Hecke vom Tatort wirft viele Fragen auf
Durch die bisherige Beweisaufnahme steht fest, dass am Tatort gefundene Haare vom Angeklagten Ralf H. stammen könnten. Diese Erkenntnis war durch eine richterliche Anordnung zur Blutentnahme beim Angeklagten und der anschließenden Blutgruppenbestimmung im laufenden Verfahren und dem Vergleich mit der Haaranalyse von damals entstanden.
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Neben zwei DNA-Spuren, die dem Angeklagten zweifelsfrei zugeordnet werden konnten, ein weiteres Indiz, das ihn schwer belastet. Die besagten Haare wurden bei den damaligen Untersuchungen vernichtet.
Doch nun stieß Rechtsanwalt Christian Dreier auf einen Eintrag in den Ermittlungsakten, in dem ein weiteres Haar erwähnt wird. Der Vermerk in der Akte stammt vom Dortmunder Kriminalhauptkommissar Uwe Block, der seit nunmehr 18 Jahren mit dem Fall betraut ist.
Das Haar tauche plötzlich wie „Phönix aus der Asche“ in den Ermittlungsakten auf
Das Haar sollte seinerzeit wohl auch untersucht werden, wozu es allem Anschein nach jedoch nie gekommen ist. Somit könnte es, so Anwalt Dreier, durchaus noch vorhanden und nicht vernichtet worden sein und in diesem Falle einer DNA-Analyse dienen. Über den Verbleib des Beweisstückes geben die Ermittlungsakten jedoch keinerlei Auskunft.
Die Verhandlung wurde unterbrochen und RichterInnen und Schöffen zogen sich zur Beratung zurück und verkündeten anschließend, man habe das Rätsel nach Akteneinsicht nicht lösen können. Der Vorsitzende Richter Peter Windgätter bestätigte die Angaben Dreiers und nahm seinen Beweisantrag an. Kommissar Block verfolgt den Prozess seit Beginn im Publikum, man könne jedoch nicht von ihm erwarten, von jetzt auf gleich Stellung zu seinem damaligen Vermerk zu beziehen, so Windgätter. Immerhin stammt dieser aus dem Jahr 2001 und liegt somit 18 Jahre zurück.
Das Haar, das an einer Hecke am Tatort sichergestellt worden sei, tauche in der Akte plötzlich „wie Phönix aus der Asche“ wieder auf. Es sei nun Aufgabe des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, herauszufinden, was letztendlich mit dem Beweisstück passiert sei. Noch in dieser Woche wolle man diesbezügliche Schritte einleiten.
Schon Ende Oktober sorgte die Strategie der Verteidigung für Aufsehen
Schon Ende Oktober hatte die Strategie der Verteidigung Aufsehen erregt, da sie die Zulässigkeit der DNA-Beweise für unzulässig hielt. Diese seien auf Grundlage eines DNA-Vergleichsprofils zustande gekommen, dessen Rechtmäßigkeit man anzweifele. Das DNA-Profil des Angeklagten war auf Anordnung des Amtsgerichts Werl 1999 in Zusammenhang mit einem anderen Strafverfahren, für das Ralf H. damals in Haft saß, erstellt worden.
Dreier argumentierte, dass die Anordnung in Bezug auf das damalige Strafverfahren unverhältnismäßig gewesen sei, denn es habe sich nicht um eine „erhebliche Straftat“ gehandelt und sei in Folge nicht zulässig gewesen. Da die Spuren im Fall Schalla auf diesem Profil basierten, seien auch diese als rechtswidrig einzustufen, wodurch sich im Fall Schalla ein Beweisverwertungsverbot ergebe. Anschließend beantragte er, seinen Mandanten aus der U-Haft zu entlassen.
Der Antrag wurde vom Gericht abgewiesen. Angesichts der damaligen Straftat, oder besser gesagt Straftaten (Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Straßenverkehrsgefährdung und Unfallflucht), für die Ralf H. zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden war, sei das Speichern seiner Daten durchaus angemessen gewesen. Da Ralf H. im Falle einer Verurteilung im laufenden Prozess mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen müsse, sei auch die Aufrechterhaltung der U-Haft ausreichend begründet.
Wäre es tatsächlich zu einem Beweisverwertungsverbot gekommen, hätte die Mordanklage auf wackeligen Beinen gestanden und der Angeklagte wäre womöglich freigesprochen worden. Denn auch eine Anklage wegen Totschlags wäre aufgrund der Verjährungsfrist von 20 Jahren nicht mehr möglich gewesen. Die Verhandlung wird Anfang Dezember fortgesetzt.
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