Öl-Gemälde aus der Reihe „Painting to remember – Zerstörung deutscher Synagogen“ findet im Opernhaus eine neue Heimat

Alexander Dettmar (Maler des Öl-Gemäldes), Prof. Dr. Dr. hc. Ursula Gather (Rektorin der TU Dortmund), Gönnerin Carol Strauss und OB Ullrich Sierau (v.l.n.r.). Foto: Roland Gorecki
Alexander Dettmar (Maler des Öl-Gemäldes), Prof. Dr. Dr. hc. Ursula Gather (Rektorin der TU Dortmund), Gönnerin Carol Strauss und OB Ullrich Sierau (v.l.n.r.). Foto: Roland Gorecki

Von Claus Stille

Die US-Amerikanerin Carol Strauss hat der Stadt Dortmund ein Öl-Gemälde des Berliner Malers Alexander Dettmar aus der Ausstellungsreihe „Painting to remember – Zerstörung deutscher Synagogen“ geschenkt, der die Dortmunder Synagoge in seinem Werk künstlerisch rekonstruiert hat. Das Gemälde soll auf Wunsch von Frau Strauss dauerhaft seinen Platz in Dortmund finden.

Theaterdirektor: Eine  „Lücke in der Mitte von Dortmund klafft“, wo einst die Synagoge stand 

Innenansicht der 1900 eröffneten Synagoge mit der imposanten Walker-Orgel. Bild: Sammlung Klaus Winter
Innenansicht der 1900 eröffneten Synagoge mit der imposanten Walker-Orgel. Bild: Sammlung Klaus Winter

Zunächst wird das Bild im Dortmunder Opernhaus ausgestellt, das am Platz der Alten Synagoge steht und so an das 1938 in der Nazizeit zerstörte jüdische Gotteshaus erinnern. Im Foyer der Oper gab es es anlässlich der Überreichung des Gemäldes durch Carol Strauss im Beisein des Malers Alexander Dettmar ein Empfang.

Herzlich begrüßt wurden die geladenen Gäste, darunter auch Carol Strauss, die mit ihrem Cousin, Rabbiner Mr. Fox und dessen Ehefrau angereist war, vom Geschäftsführenden Direktor des Theater Dortmund, Tobias Ehinger. 

Ehinger brachte zum Ausdruck, wie sehr nicht nur ihm täglich bewusst sei, welche „Lücke in der Mitte von Dortmund klafft“, wo einst die alte Synagoge stand. Die Theatermitarbeiter behielten das in ihrem künstlerischen und kulturellen Handeln stets im Hinterkopf. 

Wenn er an diese Lücke denke, werde ihm immer wieder aufs Neue klar, so Ehinger, welche Lücken auch in die jüdischen Familien in Dortmund durch Mord und Vertreibung geschlagen worden seien. Dasselbe gelte für das kulturelle Leben in Deutschland.

Die alte Dortmund Synagoge: Wilhelm Schmieding sprach bei der Einweihung im Jahr 1900 stolz von einer „Zierde für die Stadt“ und wünschte sie sich „für Jahrhunderte erbaut“.
Die alte Dortmund Synagoge: Wilhelm Schmieding sprach bei der Einweihung im Jahr 1900 stolz von einer „Zierde für die Stadt“ und wünschte sie sich „für Jahrhunderte erbaut“.

Spenderin ist Nachfahrin des jüdischen Dortmunder Juristen Alfred Kahn und Lotte Landau

Carol Strauss (geb. 1944 in New York City) ist die Nachfahrin des jüdischen Dortmunder Juristen Alfred Kahn und Lotte Landau, die 1938 aus Deutschland fliehen mussten. Sie hat eine enge Verbundenheit zu Dortmund aufgebaut, die aufgrund der geschichtlichen Ereignisse nicht selbstverständlich ist. 

Strauss war zwanzig Jahre Direktorin des Leo Baeck Institutes in New York City, ein wissenschaftliches Archiv, das die Geschichte und Kultur deutschsprachiger Juden dokumentiert.

Sie hatte die Idee zu der Schenkung. In ihrem Auftrag hat Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Gather, Rektorin der Technischen Universität Dortmund, den Kontakt zur Stadt Dortmund hergestellt. 

Wie sie in ihrer Ansprache auf dem Empfang im Foyer des Opernhauses verriet, indem sie OB Ullrich Sierau auf einer Mobilnummer anrief, die er ihr eigentlich für Notfälle gegeben hatte. Sierau sei sofort unmittelbar begeistert von der „großartigen Idee“ gewesen und habe gesagt, „Ja, das tut Dortmund gut.“, so Gather.

TU-Rektorin Prof. Ursula Gather lobte Carol Strauss für ihre Arbeit

Ursula Gather erwähnte lobend, dass Carol Strauss mit ihrer Arbeit stets dafür gesorgt habe, dass sie nicht allein den faschistischen Gräueltaten in der Erinnerung Raum gebe, sondern auch den Blick geweitet und gerichtet habe auf die lange und unendlich vielseitige  Tradition des deutschsprachigen Judentums. 

Und so auch das friedvolle Zusammenleben nicht in Vergessenheit gerate. Das „kostbare Geschenk“ an die Stadt Dortmund stehe „repräsentativ eben für dieses Wirken, etwas zurück zu schenken, wo wir doch gar nichts verdient haben“.

Das Bild wird Betrachtern einen Impuls geben, sich mit deren Geschichte zu befassen

In einer bewegenden Rede vor den versammelten Gästen – darunter u.a. Rabbiner Baruch Babaev – verwies der Dortmunder Oberbürgermeister darauf,  „dass das Schreckliche auch Menschen zusammenbringe“. So sei es auch „heute wieder“. 

Ullrich Sierau verlieh seiner Freunde darüber Ausdruck, dass mit dem Bild die Synagoge wieder ein Platz ganz nah an ihrem einstigen Standort erhalte, der heute ein Ort sei, „der in multidimensionaler Weise deutsche Geschichte widerspiegelt“. Besser wäre es, die Synagoge wäre noch da und man könne sie besuchen und sinnlich erleben, sinnierte Sierau. 

Die Synagoge sei eines „der beeindruckendsten Gebäude Dortmunds“ gewesen. Aber immerhin könne man nun dank des Gemäldes die Synagoge nicht nur wieder sehen, sondern sich auch mit ihr auseinandersetzen. Sierau: „Bei vielen Veranstaltungen werden viele Menschen das Bild sehen und als Impuls erleben, sich selber mit der Geschichte des Standortes zu befassen.“

OB Sierau: Die jüdische Gemeinde hat einen festen Platz in der Stadtgesellschaft

Holocaust-Gedenken 2018 in Dortmund: Kranzniederlegung am Platz der Alten Synagoge mit OB Ullrich Sierau und Rabbiner Baruch Babaev
Holocaust-Gedenken 2018 in Dortmund: Kranzniederlegung am Platz der Alten Synagoge mit OB Ullrich Sierau und Rabbiner Baruch Babaev.

Dieser Standort sei der Stadt Dortmund nicht nur ein historischer, sondern auch sehr wichtiger Ort.

Sierau erinnerte daran, dass anlässlich des Evangelischen Kirchentages auf dem Platz der Alten Synagoge eine Aktion stattgefunden habe, die an die Menschen erinnerte, die im Mittelmeer auf der Flucht ertrunken sind. „Auch das war mit Bedacht gewählt“, unterstrich der OB. 

Er zeigte sich darüber froh, dass Dortmund heute wieder eine große jüdische Gemeinde beherberge, die einen festen Platz in der Stadtgesellschaft habe. Sierau versicherte: „Dafür werden wir immer eintreten und kämpfen“. Dazu zählte der OB auch den entschlossenen Kampf gegen die Neonazis in Dortmund. Sehr froh sei er, dass „der zivilgesellschaftliche Widerstand dazu geführt habe, dass die Neonazis  ihre unsäglichen Aufmärsche jetzt erst mal eingestellt haben“.

In Dortmund dürfe es keinen Platz für extremistisches Gedankengut und schreckliche Taten geben. Sierau erinnerte daran, dass erst vor Kurzem drei Brandsätze vor einer Dortmunder Moschee gezündet worden sind: „Auch das ist für eine Stadt, die sich dem interreligiösen Dialog und der interreligiösen Gemeinsamkeit verpflichtet fühlt, nicht hinnehmbar.“

Die steigende Anzahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland besorgt Carol Strauss

Ullrich Sierau dankte Carol Strauss herzlich für die Schenkung und dem Künstler Alexander Dettmar für sein künstlerisches Engagement im Rahmen von dessen Ausstellungsreihe „Painting to remember – Zerstörung deutscher Synagogen“.

Carol Strauss berichtete von einer Mail, die ihr eine gute Freundin nach dem furchtbaren rechtsterroristischen Anschlag von Halle vom 9.  Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, dem zwei Menschen zum Opfer gefallen waren, geschickt hatte. Die Freundin schrieb: „Wo sind wir nur hingekommen nach all den Jahren der Offenheit und dem Wiederaufbau von Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland?“ 

Dass sich in Deutschland, in Halle, so ein schrecklicher Vorfall ereignet hat und sich die Anzahl von antisemitischen Anschlägen erhöht hat, sei für sie sehr traurig: „Ich habe mein Leben lang gehört, dass Deutschland ein gutes, schönes Land ist, dass die Literatur und Geschichte Deutschlands enorm bedeutet ist, das die Sprache etwas Besonderes ist.“ 

Das erste Buch, das der Vater ihr vorgelesen habe, sei „Nathan der Weise“ gewesen. „Die Jahre 1933 bis 1945“, habe man ihr gesagt, „sind nicht die Geschichte Deutschlands“. Oft habe sie in New York dafür gestritten, dass Deutschland nun ein Land sei, wo Juden sich sicher fühlen können.

Carol Strauss geht es auch darum, dass Juden nicht ihre Identität verlieren

Die Dortmunder Synagoge - eine Ansicht aus dem 1923. Die Nazis verfügten den Abriss. Foto: Sammlung Klaus Winter
Die Dortmunder Synagoge (1923). Die Nazis verfügten den Abriss. Foto: Sammlung Klaus Winter

Die frühere Synagoge in Dortmund, die Synagoge ihrer Eltern und Großeltern, „stand für etwas“, sagte Strauss, das „heute kaum noch existiert: echtes, tiefes Bekenntnis zu glauben, dass der Mensch sich bessern kann, das tägliches Benehmen eine tiefere Bedeutung hat und dass alle in den Augen Gottes gleich sind.“

Dieser Glaube sei  offenbar „heute altmodisch“, merkte Carol Strauss, bezugnehmend auf ihre Erfahrungen in den USA, an. Viel moderner sei heute offenbar der politische Glaube. Juden und Christen stritten sich in ganz anderem Kontext: Emigration, Rechte, Unrecht. Strauss fehlt die Verbindung „zu unseren Texten mit den Philosophien, die unsere jüdische Zivilisation ganz einzigartig mache“.  

Es gehe darum, die Identität nicht zu verlieren. „Die Predigten, die meine Eltern hier in der Synagoge gehört haben, sind ein Grundstein meiner Erziehung“, erinnerte sich Carol Strauss. Für ihre Arbeit der Verständigung hat Strauss 2005 das Bundesverdienstkreuz und 2015 das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik erhalten.

Carol Strauss ist darüber „beglückt“, dass das Bild „nun an diesem Ort angekommen ist“

Das Opernhaus wurde auf dem Platz der alten Synagoge errichtet.
Das Opernhaus wurde auf dem Platz der alten Synagoge errichtet. Foto: Alex Völkel

Für Carol Strauss sei es eine besondere Ehre dieses Bild der Stadt Dortmund zu übergeben, unterstrich sie „beglückt“ – vor allem darüber, dass es nun „an diesem Ort angekommen ist“.

Zusammen mit dessen Urheber, Alexander Dettmar, enthüllte Carol Strauss unter dem Beifall der Anwesenden das auf einer Staffelei stehende Gemälde. Das als Schenkung von Carol Strauss an die Stadt Dortmund überreichte Gemälde wird zunächst im Theater Dortmund ausgestellt.

Alexander Dettmar hob in einer kurzen Rede hervor, dass  Carol Strauss in ihrem Institut immer dafür geworben habe, dass die ganze Besitze des Leo Baeck Institutes zurück nach Deutschland kommen.

In ihrem ganzen, zupackenden Temperament stehe sie den Menschen im Ruhrgebiet in nichts nach. Sie sei in ihrer Art hilfsbereit, direkt und ehrlich.

Warum, fragte Dettmar fordernd, benenne man nicht einfach die nächste Schule in Dortmund nach Carol Strauss?! Sie sei ein Mensch, der Brücken baue. Gewiss käme sie dann auch  gern nach Dortmund, um mit den SchülerInnen zu sprechen. Sie hätte ihnen doch so viel zu bieten, sagte der Künstler. Sierau schien dieser Idee gegenüber durchaus aufgeschlossen zu sein. 

Geflügelte Nashörner als Geschenk an die Gäste aus den Händen des Oberbürgermeisters

Als Zeichen der Dankbarkeit und zur Erinnerung überreichte der Oberbürgermeister der Spenderin des Gemäldes, Carol Strauss, ein Geflügeltes Nashorn: das Wappentier des Dortmunder Konzerthauses.

Das Nashorn, so Sierau, sei auch in Bezug gesetzt zur sprichwörtlichen Dickköpfigkeit der Westfalen. Weil wir alle unsere Projekte zum Fliegen brächten, habe das Nashorn Flügel, erklärte der OB. 

Überdies überreichte Sierau dem Gast aus New York als ein weiteres Stück Dortmund ein Foto, welches das Haus ihrer Familie mit einem Firmenschild abbildet. Es hatte sich im Stadtarchiv gefunden.

Eine kleinere Ausführung des Geflügelten Nashorns bekam der Künstler Alexander Dettmar zum Dank und als Erinnerung überreicht. 

Ein Trio von MusikerInnen des Dortmunder Philharmonischen Orchesters bestritt die musikalischen Beiträge anlässlich des Empfangs im Foyer des Opernhauses am Platz der Alten Synagoge.

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