Es war eigentlich nur ein symbolische Aktion, doch sie hat offensichtlich bei den Dortmunder Neonazis nachhaltige Wirkung entfaltet. Die bunte Neugestaltung der Nazi-Kiez-Gebäudefassade in Dorstfeld hat sie dazu verleitet, binnen von acht Tagen drei Kundgebungen und eine Demo anzumelden. Nun legen sie nach: bis zum 23. Dezember soll es jeden Montag eine Nazi-Demo in der Nordstadt geben.
Es geht nicht um eine beschmierte Wand, sondern um einen expliziten Dominanz-Anspruch
Doch der Grund, warum die Neonazis so empfindlich reagieren, ist nicht nur die Wand. Sie steht für deutlich mehr, als sie selbst in ihren Berichterstattungen und Reden zugeben wollen: „Die rechte Szene fühlt sich in die Ecke gedrängt. Es geht ihnen nicht um eine beschmierte Wand, sondern einen Dominanz-Anspruch. Sie wollen dort die Vorherrschaft ausüben und ein Kontrollgebiet unter ihre Vorherrschaft bringen, in dem Teile der Bevölkerung ausgeschlossen werden“, macht Polizeipräsident Gregor Lange deutlich.
„Wir bewachen daher keine Wand, sondern kümmern uns darum, dass ein Angstraum nicht Platz greift. Nach Erfolgen der SOKO Rechts war es zwingend notwendig. Wir mussten ihn dringend beseitigen – auch mit Bezug auf Nazi-Kiez-Anleihen an anderer Stelle“, so Lange.
Nicht ohne Genugtuung blickt der Polizeipräsident auf die jüngsten gerichtlichen Entscheidungen, die die Position der Dortmunder Polizei stärken. Denn die hatte der Partei „Die Rechte“ untersagt, den Begriff Nazi-Kiez auch in anderen Zusammenhängen – u.a. in Parolen und auf Bannern – zu verwenden. Dagegen waren die Neonazis erfolglos vor’s Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht gezogen.
Gerichtliche Erfolge im Kampf gegen Neonazi-Aktivitäten: territoriale Dominanzansprüche erhalten Dämpfer
„Beide Gerichte haben uns Recht gegeben. Das ist ein Meilenstein in der Rechtsprechung“, so Lange. Denn das Gericht bestätige die Bezüge zum Nationalsozialismus und den damit formulierten Machtanspruch. „Das geht gegen die demokratische Grundordnung. Das ist nicht zu unterschätzen.“
Auf diese Weise hat die Behörde nun einen Hebel: „Das Versammlungsrecht kennt den Begriff der öffentlichen Sicherheit. Dann können wir einschreiten. Das ist bei dieser Parole eigentlich nicht erforderlich. Doch das Gericht anerkennt den damit verbundenen territorialen Dominanzanspruch“, ergänzt die stellvertretende Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf.
Es gehe darum, Menschen aus dem selbst erklärten Nazi-Kiez heraus zu halten und einzuschüchtern. Daher habe das Polizeipräsidium die Parole auch mit Blick auf die Versammlungslagen untersagt. Die Gerichte folgten der Polizeiauffassung. „Das haben wir mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen“, so Dorndorf.
Verhalten von Neonazis erinnert Polizeiführung „an ein trotziges Kind“ – „Null-Toleranz-Strategie“ geht weiter
Dass es verstärkte Anmeldungen gebe, kommt für die Polizeiführung nicht überraschend: Das Verhalten der Neonazis erinnere „an ein trotziges Kind“, so Lange. Doch die „Null-Toleranz-Strategie“ gehe weiter – auch bei Kleinigkeiten.
„Wir werden die gesamte Palette des Rechts ausschöpfen, bei Clans wie Neonazis. Beides sind Parallelgesellschaften, die sich nicht an die deutsche Rechtsordnung halten wollen“, zog der Polizeipräsident einen interessanten Vergleich.
Abermals verwies er auf die Erfolge der SOKO Rechts und der eingesetzten Ermittlungskommission. Die Straftaten bei Gewaltdelikten und der Politisch Motivierten Kriminalität Rechts (PMK Rechts) seien seit 2015 um 40 Prozent zurückgegangen – allerdings bei einem tendenziell hohen Niveau.
Im Gegenzug sei die Aufklärungsquote weiter gestiegen. Sie liege aktuell bei 81 Prozent – und in diesem Bereich damit doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt.
Latente Gefahr: Neonazis denken über Umsturz und Bürgerkrieg nach – Doku ihrer Verfassungsfeindlichkeit
Doch das ist für die Dortmunder Polizeiführung kein Grund, die Aktivitäten der SOKO Rechts runterzufahren: denn die Gefahr sei bislang nicht geringer geworden. Die bundesweite Vernetzung, die zahlreichen Kampfsportevents und die bundesweite Klimavergiftung, wo auch an Bürgerkriegsszenarien gedacht werde, um einen gesellschaftlichen Umsturz hinzukriegen, sprächen eine deutliche Sprache.
Daher würden auch Bundesverfassungsschutz und BKA anders aufgestellt. Der Kontroll- und Strafverfolgungsdruck zeige, wie die Inhaftierung Einzelner sich auch in der Kriminalitätsstatistik ablesen lasse.
„Einige Delikte gehen auf das Konto von Steven Feldmann – nach der Inhaftierung sind die Straftaten zurückgegangen. Das zeigt, wie einzelne Personen Wirkung entfalten, wenn man sie lässt – oder wenn man sie nicht lässt“, betont Lange. Er führte eine ganze Liste von Verurteilungen und laufenden Verfahren gegen Führungskader der Neonazi-Szene ins Feld.
Übrigens: Nicht nur gegen Rechts, auch bei der Kriminalitätsbekämpfung insgesamt sowie insbesondere auch in der Nordstadt seien deutliche Erfolge ablesbar – anders als von Neonazis, etwa gestern noch im Dortmunder Stadtrat, gebetsmühlenartig kolportiert. „Die Kriminalitätsentwicklung ist deutlich rückläufig“, so Lange.
„Montagsdemos“ der Neonazis durch die Nordstadt sollen Konflikte und Zusammenstöße provozieren
Daher versuchten die Neonazis nun, zumindest durch Provokationen Erfolge zu erzielen – daher auch die Wahl der Nordstadt, wo das Provokationspotential am größten sei. Dazu zählt natürlich auch der Termin – die AntifaschistInnen von BlockaDO demonstrieren seit Wochen jeden Montag gegen den Thor Steinar-Bekleidungsladen in der City.
„Den Neonazis geht es darum, möglichst viel Öffentlichkeit herzustellen“, blickt Lange auf deren damit verbundene Strategie. Protest dagegen sei willkommen. „Es ist selbstverständlich, dass wir friedliche Aktionen schützen. Aber die Menschen sollten sich nicht verleiten lassen, sich in andere Auseinandersetzungen als verbale verwickeln zu lassen“, appellierte der Dortmunder Polizeipräsident.
Denn Konflikte und Zusammenstöße seien das, was sich die Neonazis erhofften. „Je gewaltbereiter der Protest, desto größer ist die Bühne.“ Der Polizeipräsident hofft daher „auf friedlichen Protest, der deutlich macht, dass Dortmund demokratisch, vielfältig und bunt ist, aber sich auch an demokratische Formen hält.“
Daher werde die Polizei auch nicht gegen friedliche Sitzblockaden vorgehen. Denn einen Handlungsbedarf dagegen gebe es nur, wenn daraus versammlungsrechtlich „grobe Störungen“ entstünden – das wäre eine Straftat. „Wenn eine Umgehung möglich ist, ist kein Straftatbestand erfüllt“, macht Lange deutlich.
Staatsschutz-Chef: „Wir haben versucht, ihnen den Schafspelz auszuziehen“
Doch diese Strategie ist endlich: Denn die Polizei will den Neonazis bestimmte Wege und Plätze untersagen – beispielsweise entlang der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, dem Tatort des Mordes an Mehmet Kubasik sowie an dem nach ihm benannten Platz.
Diese Problemstellung wird die Polizei beschäftigen – ebenso wie den erwarteten Gegenprotest bei den kommenden „Montagsdemonstrationen“ der Neonazis. Daher gibt es ja offenbar reichlich Gelegenheit, diese Strategien auszureizen und weiter zu entwickeln.
Der Vorteil: Das Mobilisierungspotential ist bei weitem nicht mehr so groß. Waren es vor zehn Jahren noch bis zu 1.700 Neonazis, die durch die Straßen zogen, sind es in diesem Jahr keine 200 mehr gewesen, die die Szene im Höhepunkt der Wahlaktivitäten auf die Beine brachte. Die Zahl fällt auch daher so gering aus, weil es in Dortmund keine Mischszene gebe.
Selbst bei vermeintlich populären und massentauglichen Themen kochen die Dortmunder Neonazis mittlerweile in ihrem eigenen Saft: „Wir haben eine Stigmatisierung erreicht, dass sie gesellschaftlich isoliert sind und komplett unter sich bleiben. Das soll auch so bleiben – daher wollen wir ihnen ja die Grenzen aufzeigen“, so Lange. Und: die Neonazis selbst haben nur noch 50 Teilnehmer für die jeweiligen Demos angemeldet.
„Wir haben versucht, ihnen den Schafspelz auszuziehen, dass es für den Normalbürger deutlich wird, dass man sich ihnen nicht anschließen kann. Mehr als 60 bis 80 Mann kriegen sie zurzeit nicht auf die Straße“, verdeutlicht Staatsschutz-Chef Karsten Plenker – und das, obwohl sie von Zugereisten teils schon unterstützt würden. „Durch die gegenseitigen Besuche wollen sie die jeweilige Szene vor Ort größer erscheinen lassen, als sie ist.“
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