Mordprozess Schalla: Blutgruppenbestimmung passt zu gefundenen Haaren, besitzt jedoch nur wenig Beweiskraft

Der Angeklagte Raf H. und sein Pflichtverteidiger Gencer Demir. Am heutigen Verhandlungstag wurde das Ergebnis einer vom Gericht angeordneten Blutgruppenbestimmung des Angeklagten durch einen Experten erläutert.

Während am letzten Verhandlungstag ein ärztliches Gutachten bestätigte, dass der Angeklagte Ralf H. trotz Sportverletzungen an beiden Händen in seiner Jugend, zum damaligen Zeitpunkt körperlich dazu in der Lage war, eine derartige Tat, wie den Mord an der 16-jährigen Nicole-Denise Schalla auszuüben, wurde heute das Ergebnis einer vom Gericht angeordneten Blutgruppenbestimmung des Angeklagten von einem Experten erläutert. Das Ergebnis: Die Blutgruppe des Angeklagten stimmt mit der Blutgruppe zweier am Tatort entdeckter Haare überein. Trotzdem verfügt diese Tatsache jedoch nur über wenig Beweiskraft.

Damaliger Stand der Technik ließ eine DNA-Analyse der Haarspuren nicht zu

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Peter Windgätter. Foto: Sascha Fijneman
Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Peter Windgätter. Fotos: Sascha Fijneman

1993 wurden in einem Gebüsch am Tatort und am nackten Körper des Opfers zwei Haare sichergestellt. Damals war die Technik jedoch noch nicht so weit, aus dem Material DNA-Analysen zu gewinnen. Stattdessen wurden die Haare einer Blutgruppenbestimmung unterzogen.

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Im Verlauf des Prozesses waren diese Haare schon öfter Thema gewesen, doch durch die Tatsache, dass Ralf H. eher dunkelblondes bis hellbraunes, glattes Haar hat, anstatt blondes, krauses wie die Spuren, war allgemein davon ausgegangen worden, dass diese Haare nicht von ihm stammen könnten.

Durch die kürzlich Aussage einer ehemaligen Friseurin des Angeklagten rückten sie jedoch wieder ins Interesse der Verfahrensbeteiligten. Denn diese hatte ausgesagt, dass H. Ihr anvertraut hätte, in früheren Zeiten des Öfteren eine blondierte Dauerwelle getragen zu haben. Daraufhin hatte das Gericht eine Blutgruppenbestimmung des Angeklagten angeordnet, um Gewissheit darüber zu erlangen, ob die gefundenen Haare vom Angeklagten stammen könnten oder nicht. 

Eindeutiges Ergebnis wird durch damalige Untersuchung relativiert

Wahlverteidiger Dreier und Pflichtverteidiger Gencer Demir.

Professor Bertinus Dufaux vom Labor Krone in Bad Salzuflen erläuterte dem Gericht das Ergebnis der Blutgruppenbestimmung der Probe des Angeklagten. Der Arzt berichtete, dass die Proben des Angeklagten nach dem Vier-Augen-Prinzip zweimal unabhängig voneinander von verschiedenen Medizinisch-Technischen Assistenten untersucht worden seien. Beide Untersuchungen hätten dasselbe Ergebnis hervorgebracht.

Das Blut des Angeklagten ist somit zweifelsfrei der Blutgruppe B zuzuordnen. Auch wenn sich hierdurch der Verdacht gegen Ralf H. zunächst erhärtet, ist bei näherer Betrachtung der im Jahr 1993 vorgenommenen Blutgruppenbestimmung der Haare festzustellen, dass damals lediglich festgehalten wurde, dass die Haare Merkmale der Blutgruppe B aufweisen und nicht, dass sie zweifelsfrei der Blutgruppe B zuzuordnen seien.

Diesen Umstand betonte Wahlverteidiger Christian Dreier am Ende des Verhandlungstages. Auf seine Nachfrage bestätigte Professor Dufaux, dass Blutbilder der Blutgruppe AB in der Regel auch Merkmale der Blutgruppe B aufweisen. Also könnten die Haare rein theoretisch auch von einer Person mit der Blutgruppe AB stammen. Hinzu kommt, dass in Deutschland ein Bevölkerungsanteil von elf Prozent der Blutgruppe B zuzuordnen ist.

Verteidigung möchte weitere Zeugen laden – Prozess wird für einen Monat unterbrochen

Somit wird die Beweiskraft der Blutgruppenbestimmung stark geschwächt. Am Ende des Verhandlungstages brachte Anwalt Dreier weitere Beweismittelanträge in die Verhandlung ein. Er beantragte einen ehemaligen Vollzugsbeamten der JVA Werl zu laden, der Auskunft darüber geben könnte, inwiefern die von der Verteidigung immer wieder thematisierten Handverletzungen des Angeklagten dazu führten, dass dieser eine während der Inhaftierung begonnene Ausbildung zum Bäcker habe abbrechen müssen.

Außerdem beantragte er, einen ehemaligen Bewährungshelfer des Angeklagten als Zeugen zu laden. Beide Zeugen könnten auch Aussagen zum damaligen Aussehen des Angeklagten machen. Die Nebenklage plädierte dafür, die Anträge abzuweisen. Der dem Mord zugrunde liegende Würgevorgang, sei auch ohne den immer wieder thematisierten Daumenschluss möglich. Außerdem bezweifelte sie, dass nach all den Jahren noch zweifelsfreie Äußerungen über das damalige Erscheinungsbild des Angeklagten zu erwarten seien.

Nach Aufnahme der Anträge verkündete Richter Peter Windgätter den Beschluss des Gerichtes, die Verhandlung für einen Monat zu unterbrechen. Der Prozess wird somit voraussichtlich am 23. September fortgesetzt. Sollten die Beweismittelanträge der Verteidigung abgelehnt werden, ist an diesem Tag mit dem abschließenden Plädoyer der Staatsanwaltschaft und Nebenklage zu rechnen. Am 26. September wird dann voraussichtlich die Verteidigung ihr Plädoyer vortragen. Die Urteilsverkündung ist momentan für den 4. Oktober geplant.

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