Von Angelika Steger
Eine rötliche Leinwand. Im oberen Teil des Bildes ein gezeichneter Fuchskopf, senkrecht verlaufen Linien nach unten, die an Birkenstämme erinnern. Auf einem anderen Bild: ein tanzendes Mädchen, die Augen geschlossen, als ob sie träumen würde, daneben übergroß eine Art Viereck, von dessen Ecken Linien abgehen: Nervenenden, Synapsen. Man erkennt nicht immer alles und nicht alles sofort, was der Dortmunder Künstler Marc Bühren da malt.
Die Materialauswahl spielt für
Marc Bühren eine große Rolle
„Mit dem Fuchsbild habe ich meine Fuchsphobie bekämpft. Eine Zeitlang führte mich mein Arbeitsweg ein Stück durch die Landschaft zwischen zwei Ortschaften, da ist mir mal ein Fuchs begegnet. Wir haben beide nach und nach den Rückzug angetreten“ erzählt der Künstler schmunzelnd. Mit den Mainstream-Pullover-Bildern, die Wald und einen Wolfskopf zeigen, haben seine Bilder nichts zu tun: sie sind komplexer und viel aufwendiger in der Entstehung.
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„Die Tempera-Farben haben mich gepackt.“ Begeistert zeigt er auf eines seiner Bilder. Zuerst werde die weiße Leinwand bemalt, damit der Hintergrund farbig ist. Auf ein leeres weißes Blatt muss dieser Künstler vor dem Beginn eines neuen Werks also nicht starren.
Während seiner gesamten Arbeit musste Bühren auch feststellen, dass in Farben enthaltene Lösemittel, seine Bronchien angegriffen hatten. Tempera ist eine Farbe aus Naturmaterialien, die Bühren selbst herstellt. „Auch wenn z. B. Ei-Tempera nicht sehr beliebt unter den Kunstschaffenden ist.“ Leinöl oder Ei, beides riecht unangenehm, wenn man die Reste nicht sofort wegräumt, so geschehe es oft in großen Mailsälen während des Studiums.
Tempera-Farbe ist eine Malfarbe, die aufgrund schlechter Haltbarkeit kaum im Laden erhältlich ist. Sie enthält Farbpigmente mit einem Bindemittel beispielsweise aus Öl oder Ei. Die Farbe trocknet schneller als eine reine Ölfarbe, daher kann sie gegebenenfalls auch eher übermalt werden. Nach dem Trocknen sind die Farben intensiver, Farbübergänge treten stärker hervor als bei anderen Farbmischungen.
Marc Bühren ist nicht nur begeisterter Maler, sondern auch Kunstlehrer
Bereits im Studium merkte der Maler, dass Acrylmalerei nichts für ihn ist. Und dann hat natürlich niemand Lust, diese Farbe zu verwenden. „Ei stinkt eben und Leinöl riecht so, dass es nicht jede-/r mag.“
Dabei seien diese Farben universal einsetzbar, daher auch für seine Arbeit als Kunstlehrer in einer Förderschule geeignet. Die Arbeit dort erfülle ihn immer mit Freude, die Kinder hätten Spaß am Malen.
Bei einer Theateraufführung hatte er ein tanzendes Mädchen auf der Bühne gesehen, danach sei eines seiner Bilder entstanden. Es gehört zur „Nesthocker“-Serie, das sich mit dem Thema Kinder befasst. Anlass für diese Serie war aber die Geburt seines Neffen, für ihn als homosexueller Mensch ein Highlight, weil das Thema Kinder in seiner Partnerschaft keine Rolle spielt.
Auf anderen Bildern sieht man Säuglinge, die halb in einem Karton liegen, der Gesichtsausdruck ist friedlich wie während des Schlafs. Und dennoch wirkt das Bild leicht unheimlich, weil das Kind nicht im Bett liegt.
Der Künstler zeigt Widersprüche im Verhältnis von Mensch und Natur auf
Ein Huhn mitten im Bild, wo man es nicht vermuten würde, eine Gruppe Menschen vor einem Wolkenkratzer, daneben ein unförmiger Akt… Bührens Bilder können überraschen und verwirren, weil etwas auf dem Bild scheinbar nicht dazu passt. „Ich bin auf dem Land neben einem großen Hühnerhof aufgewachsen, einer Legebatterie. Das habe ich daraufhin zum Thema gemacht, dass Tiere wie Menschen wie eingepfercht leben.“
Seine gemalten Hochhäuser könnten solche „Legebatterien“ für Menschen sein, eingezwängt zwischen Mauern. In asiatischen Ländern sind derartige, noch beengter Wohnsituationen noch häufiger anzutreffen. Marc Bühren möchte die Widersprüche im Verhältnis von Mensch und Natur aufzeigen, zwischen Luxus und der Gedankenlosigkeit, mit der sich viele Menschen trotz massiver Umweltverschmutzung immer noch verhielten.
Deshalb mische er auch seine Farben selbst, damit möglichst wenig übrig bleibt und die Reste nicht schädlich für die Natur sind. Es sei aber auch schwierig, Abstriche im eigenen Leben zu machen, um ökologisch zu leben. Als Künstler stellt er sich auch immer wieder die Frage, wie er die Strukturen der Natur übernehmen könne, um künstlerisch zu leben.
Moderne 3D-Druck-Technik in der Malerei: mal nicht so bunt, aber mit Überraschungen
Doch marc Bühren malt nicht nur mit Tempera-Farbe. Er nutzt einen speziellen Stift, mit dem er 3-D-Druck-Bilder herstellen kann. Es sind Zeichnungen, die in den Raum hinein reichen und zwei berühmte Figuren, die kein menschliches Vorbild haben, zeigen. Der Bio-Kunststoffstrang wird durch den Stift heiß und dann heißt es schnell zeichnen. Der Maler ist fasziniert von dieser Technik.
Dass seine Bilder auch witzig sein können, beweisen die beiden ausgestellten 3D-Grafiken: Es ist keine Fackel, die die Freiheitsstatue oder der Superheld da in der Hand hält… Arzthelfer und Krankenpflegerinnen dürften wissen, was das ist: ein Löffel zur Kotprobe. „Und auf dem einen ist sogar ein Kackehaufen drauf“, sagt Bühren schmunzelnd zum Abschluss. „Querschnitt“, eine sehr sehenswerte Ausstellung in der Artothek des Dortmunder Künstlers Marc Bühren.
Die Artothek befindet sich im ersten Stock der Stadtbibliothek Dortmund. Dort kann man sich mit einem gültigen Ausweis für drei Bilder oder Skulpturen für zuhause ausleihen. Und das auch, um beim Besuch des eigenen Chefs zu protzen? Einen Mitarbeiterin winkt ab. „Das Bild leiht man sich für sich selbst“, sagt sie. Die Auswahl ist groß, deshalb wird jede-/r „ihr“ oder „sein“ Kunstwerk finden. Kunst ist eben nicht nur anstrengend, sie macht auch Freude.
Weitere Informationen:
- „Querschnitt“, Ausstellung von Marc Bühren in der Artothek der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund. Eintritt frei.
- Öffnungszeiten der Artothek: Dienstag und Freitag 10 bis 19 Uhr, 2,50€ Leihgebühr pro Kunstobjekt.
- Website der Bibliothek.