„Echte Liebe“ im Schauspiel Dortmund – Homosexualität und der Fußball, des Deutschen liebste Freizeitbeschäftigung

Der Dortmunder Sprechchor unter der Regie von Laura N. Junghanns präsentiert „Echte Liebe“. Fotos: Birgit Hupfeld

Von Gerd Wüsthoff

Nach den gefeierten Inszenierungen wie „Das Bildnis des Dorian Gray“ und „After Life“ nimmt sich der Dortmunder Sprechchor – das siebzehnte Ensemblemitglied – in seiner brandneuen Produktion einem echten Thema mit Sprengkraft an. Es bleibt nämlich das letzte große Tabuthema in einer der letzten Domänen der Männlichkeit, dem Männerfußball: Homosexualität. Die Premiere findet heute um 20 Uhr im Studio des Schauspiels Dortmund statt.

Statt Spießrutenlauf im Stadion: Outing nur nach Ende der Fußballkarriere?

Dortmunder Sprechchor

Vielfach ist von Frauen, auch denen, die selber Fußballfans sind, zu hören, dass sich ihre Männer oder Freunde beim Thema Fußball zu so etwas wie Primaten zurück entwickelten. Der Fußball, neben dem Boxkampfsport, gilt weltweit als die Sportart, in der sich der wahre Mann verwirklichen kann. Der Fußball hat etwas von einem Männerbund.

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Das Produktionsteam für „Echte Liebe“ am Theater Dortmund hat für das Stück intensiv recherchiert und sowohl mit BVB-Vertretern, mit homosexuellen Fußballern sowie mit Experten zum Thema gesprochen. 

Darunter dem langjährigen Präsidenten des FC St.Pauli, 2003 bis 2010, Cornelius „Corny“ Littmann. „In einer Mannschaft sind Spielsüchtige normaler als Schwule“, schrieb Corny Littmann in einem Gastbeitrag in der „Zeit“. „Das Problem für schwule Fußballer sind nicht die Fans, sondern die Mitspieler und Präsidenten. Die haben vom homosexuellen Leben keine Ahnung. Und daher kein Verständnis“, heißt es dort weiter.

Seit dem Outing Hitzlspergers stagniert die Debatte – Schwul-Sein bleibt im Profifußball ein Tabu

Dortmunder Sprechchor

Knapp fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass sich mit Thomas Hitzlsperger der erste prominente deutsche Profifußballer öffentlich dazu bekannte, schwul zu sein. Nach Beendigung seiner Profi-Karriere! Es gab wohlfeile Erklärungen des DFB, inklusive eines Programms, wie auch von den einzelnen Vereinen. 

Doch seitdem hat sich in der Debatte nichts getan. Justinus Soni Fashanu (1961 bis 1998) war ein englischer Fußballprofi, der 1990 sein Coming-out hatte. Fashanu war damit der erste Fußballprofi, der es während seiner professionellen Spielertätigkeit wagte. Die Karriere von Fashanu endete abrupt – und sein Leben mit Selbstmord.

Die Regisseurin Laura N. Junghanns, die zuvor die gefeierten Abende „Orlando“ und „Everything Belongs to the Future“ inszeniert hat, arbeitete erstmals mit dem Sprechchor, begleitet von Dramaturg Matthias Seier.

Ein ebenso poetischer wie meinungsstarker Abend über Identität und Toleranz

Dortmunder Sprechchor

„Es war ein hartes Stück Arbeit“, erklärt Seier lächelnd, und verweist weiter darauf, dass der Sprechchor am Theater Dortmund, bestehend aus theaterbegeisterten Laien, seit dem Jahr der Kulturhauptstadt Ruhr existiert. Der in diesem Stück erscheinende Sprechchor nimmt in Gruppen die verschiedenen Positionen zum Thema Homosexualität und Fußball dynamisch ein.

Es wird ein poetischer wie meinungsstarker Abend über Identität und Toleranz, über Geschlecht und Rollenbilder, über Mannschaftsgeist und Ausgrenzung, über Empathie und Hass. 

Denn Manager und Experten raten schwulen Fußballern weiterhin strikt davon ab, sich während ihrer Karriere zu outen – aus Angst vor den Reaktionen aus dem Fanblock, den Medien, der eigenen Mannschaft, die heute zumeist in ethnischer und kultureller Vielfalt glänzt. 

Fake-Freundinnen oder Eheagattinen für homosexuelle Fußballer

Wie kann es sein, dass es keinen einzigen, offen schwulen Fußballer in der deutschen Bundesliga gibt? Weshalb müssen homosexuelle Fußballspieler aus ihrem Privatleben ein streng gehütetes Geheimnis mit Alibi-Freundinnen machen? Für genau diese Klientel gibt es in Mailand eine internationale Agentur, die schwulen Fußballprofis diskret Freundinnen, Ehegattinnen und sogar Nachwuchs „organisieren“.

Solange ein Club Manager, wie einst Assauer bei Schalke 04, sogar dem Masseur empfehlen kann, wegen seiner Homosexualität sich einen neuen Job zu suchen, solange nicht nur rassistische Parolen aus dem Fanblock, wie gerade beim Spiel der Nati gegen Serbien fallen, sondern Fehler mit homophoben Sprüchen kommentiert werden, solange DFB und Vereine sich nur zu Lippenbekenntnissen hergeben – so lange wird sich im Fußball erst mal nichts ändern, obgleich die Akzeptanz der Homosexuellen in der Gesellschaft allgemein angekommen ist.

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Weitere Informationen:

  • „Echte Liebe“: Svea Schiemann, Bühne und Kostüm; Matthias Seier, Dramaturg; Laura N. Junghanns, Regie; Sprechchor des Theater Dortmund
  • Eintritt: 19 Euro
  • Bereits feststehende Termine im Studio des Theaters Dortmund: Uraufführung: 29. März, 20 Uhr, nur noch Restkarten
  • Weitere Termine: 6. April 2019, 20 Uhr, 20. April 2019, 20 Uhr, 2. Juni 2019, 18:30 Uhr, 5. Juli 2019, 20 Uhr
  • Zusätzliche Termine sind in Planung!

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