Die Albrechtstraße in der westlichen Innenstadt zwischen Lange Straße, Westpark und S-Bahn Trasse: seit 2016 wurden hier die beiden Häuserzeilen, einschließlich der 2- bis 5-Raumwohnungen modernisiert. Nach Abschluss der mit erheblichem finanziellen Aufwand betriebenen Maßnahme heißt es nun: bis zum Jahr 2021 möchte der Spar- und Bauverein seine gesamten Bestände im Unionviertel nach dem Vorbild des aus der Gründerzeit stammenden Straßenzuges umgestalten – nicht ohne Grund. Bei einer Begehung wurde deutlich, worauf es der Genossenschaft ankommt.
Bauten nahe der S-Bahn-Haltestelle Dortmund-West gehören zu ersten Häusern der Genossenschaft
Damals, vor 125 Jahren, gründete sich die Dortmunder Wohnungsbaugenossenschaft. Dort, wo jetzt – unweit Ecke Paulinenstr., nahe der S-Bahn-Haltestelle Dortmund-West – die Hausnummer 111 in der Lange Straße zu finden ist, wurden 1894 die ersten Häuser des Spar- und Bauvereins e.G. errichtet.
Zu dessen fußläufig von der Innenstadt erreichbaren, historisch gewachsenen Kernbeständen im heutigen „Unionviertel“ gehören auch alle Gebäude in der nahegelegenen Albrechtstraße.
Dort waren – vor nicht umwerfend langer Zeit – die Toiletten auf den jeweiligen Zwischenetagen angebracht; und dies ist bei weitem nicht alles gewesen. Doch das soll Schnee von vorgestern sein, mehr noch: es wurde und soll weiter mit strategischem Blick im gesamten Viertel modernisiert werden – mit einem Konzept, das aus einer „Vogelperspektive auf die Wohnungsbestände“ schaue, so Franz-Bernd Große-Wilde, Vorstandsvorsitzender von Spar- und Bau.
Eine alternativlose Vorgehensweise, wenn es um Wirksamkeit von Dauer, um „Nachhaltigkeit“ für einen Stadtteil geht, der vor der Kulturhauptstadt 2010 noch zur „Rheinischen Straße“ geschlagen wurde. Eine Zeit, „als der U-Turm noch leer stand als Brauereihochhaus“, wie sich die Abteilungsleiterin für Stadterneuerung in Dortmund, Susanne Linnebach erinnert.
Seit dem Kulturhauptstadtjahr: das „U“ als Zentrum für Kunst und Kreativität erzeugt Sogwirkung
Mit der Idee, den Turm als ein Zentrum für Kunst und Kreativität umzugestalten, war klar, dass die Sogwirkung dieses Projekts mittelfristig für städtebauliche Umgebungsanpassungen in dem Stadtteil genutzt werden kann, ja muss, sollen seine Potentiale zur Entfaltung gebracht werden. Die noch junge Bezeichnung „Unionviertel“ entstand also nicht von ungefähr, sondern markiert genau diese Absicht der Stadtverwaltung.
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Und damit kommt wieder der Spar- und Bauverein als einer der strategischen Partner für die Kommune bei der Umsetzung des Vorhabens ins Spiel. Als Genossenschaft, die ihrem Selbstverständnis nach weniger auf kurzfristige Rendite denn auf die langfristige Wahrnehmung von Verantwortung setzt, besteht zu deren Interessen hier gewissermaßen strukturelle Passung.
Und dies umso mehr, als in dem Viertel und an seinen Rändern der historische Kernbestand der Genossenschaft zu zusammenhängenden Wohnzeilen links- wie rechtsseitig entlang der aus der Innenstadt nach Westen führenden S-Bahn-Trasse gewachsen ist: das sind zum Kreuzviertel hin der erweiterte Althoffblock-Komplex am Neuen Graben und auf der Nordseite zur Rheinischen Straße eben der Bestand um die Lange Straße.
Baugenossenschaft ist mit etwa 1.100 Wohnungen im Unionviertel „stadtteilprägend“
Dennoch, es hätte – zumindest hypothetisch – eine Alternative für den Spar- und Bauverein gegeben, wie Franz-Bernd Große-Wilde bei der offiziellen Begehung des neuen Schmuckstücks mit Blick auf die beiden modernisierten Häuserzeilen in der Albrechtstraße andeutet. Und das wäre vermutlich eine schleichende Gentrifizierung des Viertels gewesen.
Denn als lokaler Akteur ist die Genossenschaft „stadtteilprägend“, das wissen ihre Verantwortlichen für fast 1.100 Wohnungen allein im Unionviertel selbstverständlich. Was nun vor etwa zehn Jahren im Unionviertel erstmalig angewandt, hier in Dortmund im Grunde entwickelt worden sei und mittlerweile zu einem bundesweit anerkannten Instrument geworden ist: das war die Methodik der „kleinräumigen Quartiersanalyse“.
Auf dessen Ergebnissen sei schlussendlich die Modernisierungs- und Arrondierungsstrategie vom Spar- und Bauverein aufgebaut worden.
Doch es gab eine kleine Verführung: die Genossenschaft hatte nämlich die Resultate „von einem Forschungsinstitut gegenchecken lassen“, erzählt Große-Wilde. Die Frage war: Wie steht es mit dem Potential in dem Quartier?
Trotz Empfehlung von „Analyse & Konzepte“: Spar- und Bau sagt Nein! zur Gentrifizierung
Denn immerhin habe man „in den letzten gut 10 Jahren 37 Millionen Euro investiert.“ Und die wollten eben auch sinnvoll angelegt sein.
Die beauftragte Firma „Analyse & Konzepte“ hätte dann einerseits die Ergebnisse der kleinräumigen Quartiersanalyse bestätigt.
Andererseits aber „uns animiert, hier doch sehr stark in den Markt zu gehen, deutlich Eliten anzuziehen, und das Quartier auch ein Stück weit in Bewegung zu bringen bis hin zu einer gewissen Drehung in der Bevölkerung“.
„Wir haben uns dann damals … dagegen entschieden“, fasst Große-Wilde zusammen.
Begründung: Als Genossenschaft habe man eigentlich nicht gewollt, sich in einen Gentrifizierungsprozess bringen zu lassen. Konsequenz: deshalb sei hier dann häppchenweise modernisiert worden – und zusammen mit den BewohnerInnen.
Dabei sei man sehr vorsichtig gewesen, was Mieterhöhungen in den eigenen Quartiersbeständen betrifft; konkret: es ginge überall immer noch nicht über 5,50 Euro pro Quadratmeter hinaus. Und es soll so weiter gehen: bis 2021, wenn die Modernisierung des Gesamtbestandes von Spar- und Bau im Unionviertel planmäßig abgeschlossen sein wird: „Das ganze Quartier wird demnächst so aussehen, wie jetzt hier in dieser Straße“, macht Große-Wilde klar.
Soziale und kulturelle Durchmischung der Quartiere durch gezielte Grundrissveränderungen von Wohnungen
Ungefähr 170 der um die 12.000 Wohneinheiten der Genossenschaft mit etwa 300 BewohnerInnen lägen in der Albrechtstraße, präzisiert Florian Ebrecht. Bislang sei an Ort und Stelle für rund 8 Millionen Euro modernisiert worden, bis 2021 sollten weitere 18 Millionen in das Unionviertel investiert werden, dann wäre das ganze Wohnviertel auf einem ähnlichen Standard wie jetzt hier in der Straße.
Der Prokurist und Geschäftsbereichsleiter Technisches Gebäudemanagement Spar- und Bauverein beschreibt die Tätigkeitsfelder, die bei solchen Quartiersmodernisierungen für die Baugenossenschaft von Bedeutung sind: städtebauliche Aspekte spielten natürlich eine entscheidende Rolle, siehe das Fassadenkonzept.
Dann ginge es um energetische Maßnahmen: wie kann ökologisch sinnvoll modernisiert werden? Infrage kämen beispielsweise Fensteraustausch, Kellerdeckendämmungen oder Gasetagenheizungen wie jetzt in der Albrechtstraße.
Schließlich achte Spar- und Bau auch auf die Durchmischung der Quartiere, sozial wie kulturell. Das sei hier in den letzten zehn Jahren beispielsweise durch Wohnungszusammenlegungen mit Grundrissveränderungen erreicht worden: von ursprünglich 50 Quadratmeter-Wohnungen gäbe es jetzt ein variables Angebot von 30 bis 130 Quadratmetern.
Solche Effekte ließen sich auch mit neuen Raumkonzepten durch barrierefreie Wohnungen oder Freiflächenkonzepte erzielen, wonach Orte der Begegnung geschaffen würden, an denen sich die Menschen wohlfühlten.
Neben Modernisierungsinvestitionen: passende Arrondierungen für Bestände gesucht
Franz-Bernd Große-Wilde wirkt zufrieden: So habe man es geschafft, die Genossenschaftsmitglieder weitgehend zu halten, doch die Strukturen müssten nach und nach weiter angepasst werden.
Kooperiert würde dabei sowohl mit der Stadt wie lokalen Akteuren, dem Quartiersmanagement oder etwa den Urbanisten und Street Art Gallery, der Fassaden für Kunstwerke zur Verfügung gestellt worden seien, um den „Charakter dieses Kunst- und Kreativquartiers ein Stück weit heben“.
Die Investitionen in dem Quartier als Kernbestand der Genossenschaft betreffen zwar im Wesentlichen Modernisierungen, es wird aber auch arrondiert. So beabsichtige Spar- und Bau in Abstimmung mit der Stadt Dortmund weitere Grundstücke zu kaufen: so eines zur Nachverdichtung qua Neubau in der nahegelegenen Barmer Straße.
Dann gäbe es da noch die Idee, die alte Abendrealschule umzunutzen: „Wir sind da in engen Verhandlungen mit der Stadt Dortmund, weil wir gerne auch Wohnen in der Schule zukünftig machen wollen“, so Große-Wilde. Das passte perfekt, weil diese Schule quasi im Innenhof der eigenen Althausbestände läge, daher eine ideale Arrondierungsfläche böte.
Von Zugangsproblemen bei den hauseigenen Mülltonnen zur Debatte über Treppenhausgeländer
In den Innenhöfen der modernisierten Häuser sind an die Wohnungen großzügige Balkone angebracht worden, fast schon im Terrassenformat.
Im Flur des Eckhauses Albrechtstr. 16, nahe der S-Bahn: Da gäbe es stets das Thema „Fahrräder“, in diesen Gebieten aber vor allem das der Mülltonnen. Die standen früher im Keller, weil es hier Wohngebiete seien, erklärt Große-Wilde, wo es vor dem Haus eben kein Platz gäbe. Die müssten dann durch die Treppenhäuser gezogen werden, was sie nicht gerade schöner mache.
Man habe allerdings mit allen involvierten Partnern eine Lösung gefunden. Zukünftig sollen die Mülltonnen nach hinten raus, von den Innenhöfen her weggebracht und im Frühjahr entsprechend in das Außenkonzept mit eingebunden werden.
Hirschblaubeer oder Hainbuche? – Große Diskussion und Mitgliederumfragen, was die Gestaltung der Treppenhausgeländer betrifft: es gewänne bei ihnen die Hainbuche, hat Große-Wilde die Lacher der Umstehenden auf seiner Seite.
Ralf Stoltze: Beteiligung von BürgerInnen jeder Wohnungsbaugesellschaft empfohlen
Die derzeit einzige freie Wohnung in der Albrechtstraße: auf der anderen Seite, Haus Nr. 15, 1. Etage, Besichtigung: alles wirkt wie entkernt.
Ralf Stoltze, Bezirksbürgermeister Dortmund Innenstadt-West, deutet einen entscheidenden Aspekt für die erfolgreich voranschreitende Quartierstransformation an: die Beteiligung der BürgerInnen.
Die sei deshalb so gut verlaufen, „weil alle Beteiligten Interesse daran hatten“. Was damit gemeint war, lautet im Nachsatz: „Wir empfehlen auch jeder Wohnungsbaugesellschaft, die Bürger daran zu beteiligen…, zu fragen, was sie wünschen.“
Ludger Wilde, Dezernent für „Umwelt, Planen und Wohnen“, weist darauf hin, dass für den (zumindest qua Öffentlichkeitsarbeit im Kopf) erfolgreichen Wandel von der „Rheinischen Straße“ zum „Unionquartier“ neben den Stadterneuerungsmaßnahmen „auch das private Engagement der Wohnungswirtschaft“ eine große Rolle gespielt habe – und da sei der Spar- und Bauverein eben „der zentrale Player hier im Quartier“.
Gute Frage an sich selbst: Was machen wir eigentlich als Heimatministerium NRW?
Implizit setzt der Stadtrat so die Baugenossenschaft mit Kapitalgesellschaften wie Vonovia und anderen Haifischen auf dem Wohnungsmarkt gegenüber der öffentlichen Hand unter dem Dach des Privaten gleich.
Dr. Jan Heinisch, NRW-Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, löst diese etwas skurrile Zuordnung mit Humor gegenüber der eigenen Rolle ab.
Ja, das mit dem „Heimatministerium“, da würden sie schon zuweilen belächelt, so der stellvertretende Vorsitzende (einer von fünf) der CDU in NRW. Deshalb hätten sie sich überlegt: Was machen wir hier eigentlich? – Sicherlich nicht die schlechteste Frage.
Das mit der „Heimat“ auf Fördergeld-Deutsch: das, was identitätsstiftend wirkt
Statt nun der Versuchung zu erliegen, erklärt Heinisch, eine große Werbekampagne zu machen, wie schön Nordrhein-Westfalen sei, und dafür Geld ausgeben, habe man sich für Städtebauförderung entschieden.
Auf diese Weise würden seitens des Landes solche lokalen Projekte mit 120 Millionen Euro ermutigt, die identitätsstiftend wirkten: die betonen, was verbindet, nicht, was trennt. – Eine wunderbar weiche Formulierung.
Susanne Linnebach sekundiert: es sei unheimlich viel angestoßen worden, gelungen, dem Viertel einen Stempel aufzudrücken, eine neue Identität zu schaffen. Und weist auf die Leistungen des Quartiersmanagements vor Ort hin: bei der Umgestaltung von Spielplätzen bis zur Ansprache von Eigentümern wegen der Neugestaltung ihrer Fassaden.
Grundmodernisierte Wohnung in der Albrechtraße für 5,40 Euro pro Quadratmeter
Und die Wohnungen? – Die Dielen blieben, soweit möglich, erhalten, erklärt Florian Ebrecht; würden dann geschliffen und geölt. Da spiele allerdings auch der Schallschutz bzw. die Wohnlage eine Rolle.
Will heißen: bei einer fünfköpfigen Familie für eine Dachgeschosswohnung wird es schwierig mit dem Abschleifen.
Grundsätzlich gälte bei der Wohnungsbaugenossenschaft: den historischen Charakter optisch möglichst zu bewahren: ob es um das Abhängen von Decken ginge, alte Innentüren aus Holz, Dielen im Treppenhaus oder Fliesen an den Wänden.
Dies spiegele sich auch in den Instandhaltungskosten wider: die seien relativ hoch und beliefen ich auf etwa 25 Euro pro Quadratmeter bei einem Wohnungswechsel.
Kostenpunkt für potentielle MieterInnen: 5,50 Euro? „So wie jetzt noch nicht, aber nach der Grundmodernisierung: 5,40 Euro.“ Top? – Ne, die Liste ist lang, hätte es bei einer solchen Frage geheißen.
Weitere Informationen:
- Quartiersmanagement Unionviertel, hier:
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Bert
„und zusammen mit den BewohnerInnen.“…
NEIN! Nicht mit uns zusammen! Wir werden nicht gefragt und jedwede Beschwerde wird abgebügelt, sowie Wünsche ignoriert. Es wird rein Investorengerecht „modernisiert“. Es geht allein um Mietensteigerung mithilfe von „Modernisierungen“, nach denen kein Hahn gekräht hat.
Die Vorstandsebene hat sich inzwischen völlig abgekapselt. Es ist kein direkter Kontakt zu S&B mehr möglich. Sämtliche Kontaktdaten (Telefonnummern und eMail-Adressen) wurden von der Webseite entfernt. Wir sollen neuerdings den Weg über eine kommerzielle „Real Estate“ Firma in den USA gehen, um uns für Anfragen anzumelden.
S&B hat seine Konten von der Sparkasse zu einer Investorenfreundlichen „Real Estate“-Bank verlegt (Aareal-Bank).
Könnt Ihr alles nachprüfen. Das würde aber echte journalistische Arbeit erfordern, gell?
Der Nordtadtblogger ist echt verkommen. Diese positiven Propagandameldungen der S&B-PR-Abteilung sind für mich als betroffenen Mieter unerträglich.
Nordstadtblogger-Redaktion
Wir haben auch sehr ausführlich über die Protestaktionen der Mieter:innen berichtet. Wir sind alles – nur kein „gekauftes“ Blatt.
Norbert
Also ich finde weiterhin schon auf der Startseite eine E-Mail-Adresse und Telefonnummer.
Mir hat man nicht mitgeteilt, dass ich jetzt mit jemand in den USA kommunizieren muss.