Der Platz von Rostow vor dem südlichen Innenstadtring soll umgestaltet werden. Entstehen soll dort ein vor allem als Hotel und Wohngebäude genutzter grün-gläserner Hochhauskomplex. Die CDU-Fraktion im Stadtrat lehnt aus verschiedenen Gründen den betreffenden Verwaltungsvorschlag ab. Ob ihre Argumentation in der Sache immer glücklich und vor allem erfolgreich ist, werden die anstehenden Debatten zeigen. Immerhin: sie wirft sich in den Ring; das für den Bauentwurf verantwortlich zeichnende Bochumer Architekturbüro hielt sich dagegen mit Stellungnahmen geflissentlich zurück.
Mischnutzungskonzept für geplantes Hochhausensemble vor den Toren der südlichen Innenstadt
Die Verwaltung der Stadt Dortmund hat jüngst ein Bauvorhaben von erheblicher Größenordnung vorgestellt. Vor der südöstlichen Zufahrt in die Innenstadt, auf dem Platz von Rostow zwischen Märkischer Straße und B 54 – vom Wall aus gesehen über der S-Bahn-Station „Stadthaus“ und gegenüber dem Ellipson – soll ein weiträumiges Hochhaus mit einer Höhe von bis zu 60 Metern entstehen.
Geplant ist dort ein riesiger Gebäudekomplex mit im Prinzip drei Bauteilen: einem 20-geschössigen Hauptgebäude, einem Sockelgebäude mit fünf Etagen und einem Parkhaus, das 115 PKW-Stellplätze fasst. Bis ungefähr zum neunten Obergeschoss ist die Nutzung als Hotel mit etwa 184 Zimmern vorgesehen, darüber soll es ein differenziertes Wohnraumangebot mit unterschiedlichen Zuschnitten geben – bei einem vom Investor zugesicherten öffentlich geförderten Anteil von ca. 27 Prozent.
Komplettiert wird das Mischnutzungskonzept durch ergänzende Dienstleistungs- und Gewerbeeinrichtungen sowie Gastronomiebetriebe in Teilbereichen des Hochhausensembles. Nach dem Entwurf des bekannten Bochumer Architekturbüros „Archwerk Generalplaner KG“ wird die Fassade des Gebäudes in erheblichem Umfang gläsern und genauso wie die Umgebung signifikant begrünt sein.
Verwaltungsvorschlag wird auf der nächsten Sitzung des Stadtrates zur Abstimmung stehen
Seitens der Stadt Dortmund wird das ehrgeizige Vorhaben damit begründet, dass an einem solchen citynahen Standort durch „die geplante Neubebauung … eine klare Stadtkante zum öffentlichen Raum“ geschaffen werden könne, die bislang entlang der südlich verlaufenden S-Bahntrasse in angemessener Form gefehlt habe.
Ziel sei „die städtebauliche Aufwertung eines derzeit reinen Verkehrsknotenpunktes von Auto, Stadtbahn, S-Bahn, Fußgänger und Fahrrad“, wie es in der Beschlussvorlage heißt, die aus dem zuständigen Verwaltungsdezernat unter Leitung von Stadtdirektor Ludger Wilde dem Stadtrat für die nächste Sitzung am 15. November zur Abstimmung vorgelegt werden wird.
Was dabei herumkommt, ist offen. Eine Fraktion hat sich bereits explizit festgelegt. Überraschenderweise sperren sich die kommunalen Christdemokraten, die bislang weniger durch resoluten Widerstand gegen Großinvestitionen in Erscheinung getreten sind, weiterhin gegen das Bauvorhaben in seiner jetzigen Planungsform.
Kontroverse Debatten sind also zu erwarten; bereits heute, Mittwoch, den 7. November, haben Befürworter und Gegner in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen die Gelegenheit, sich ihre Standpunkte gegenseitig mit Nachdruck zu verdeutlichen. Denn im Rathaus steht dann das Thema zur Empfehlung fest auf der Tagesordnung.
Dortmunder CDU: Diskurs soll wieder zu einem „festen Bestandteil der Stadtbaukunst“ werden
Die Dortmunder CDU rechtfertigt die Ablehnung der Baumaßnahme mit einer Reihe von – teils erstaunlichen – Argumenten. Ihr planungspolitischer Fraktionssprecher, Uwe Waßmann, sieht in dem Planvorhaben insgesamt „eine Leuchtturm-Architektur ohne jeden städtebaulichen Bezug“ auf die BürgerInnen zukommen – zudem einer „zeitgenössischen Verblendung“ folgend wie „ästhetisch“ abschreckend.
Zwar erklärte schon der alte Kant in seiner Kritik der ästhetischen Urteilskraft ausführlich, weshalb über „Geschmack“ sich zwar trefflich streiten, aber keinesfalls disputieren ließe – dies wohl wissend, doch dadurch nicht verschreckt, möchte die CDU mit kämpferischem Trotz „diesen Diskurs wieder zum festen Bestandteil der Stadtbaukunst machen“, wie Waßmann in einer Presseerklärung mitteilen lässt.
Immerhin: den Willen zur Auseinandersetzung in der Sache hat er potentiellen Widersachern vom Architekturbüro Archwerk voraus: dieses war nämlich auf Nachfrage von nordstadtblogger zu keinerlei Stellungnahme bereit.
Warnung vor städtebaulichen Defiziten und unerwünschten sozialen Folgen bei Wohnraum in Hochhäusern
Konkrete Defizite nach städtebaulichen wie sozialplanerischen Kriterien sieht die CDU in der vorgestellten Vorhabenskonzeption an verschiedenen Stellen: die verglaste Fassade passe nicht zum Umfeld des historischen Befestigungswalls, die „Wucht des Baukörpers“ sei „befremdlich“; die Teilnutzung als Wohnraum widerspreche dem Citykonzept 2030. Die Wohnqualität selbst ist für die Christdemokraten durch die vorgesehenen Laubengänge als Aufenthaltsraum wegen des dichten Verkehrs gefährdet.
Schließlich warnt die CDU vor unerwünschten sozialen Folgen durch das Wohnen in dem anvisierten Mega-Gebäudekomplex vor dem ehemaligen Neutor – und dies in doppelter Hinsicht:
Erstens seien Hochhäuser nach Feststellung des Potsdamer Instituts für Stadtentwicklung immer noch die „unbeliebteste Wohnform“. Die alten Wohntürme aus den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts mutierten zu „sozialen Brennpunkten“, beruft sich die CDU auf die Forschungseinrichtung; das Leben in solchen Gebäuden sei geprägt von „Anonymität, Verschmutzung und Gleichgültigkeit gegenüber Nachbarn“, sind sich die Dortmunder Christdemokraten sicher.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Einkommensschwäche und defizitärem Sozialverhalten?
Ihr zweiter Punkt in dieser Hinsicht: wegen des hohen, aus Eigenverantwortung zu bewerkstelligenden Pflegeaufwandes durch die Konstruktion von großen begrünten Balkonen, Loggien und Wintergärten an den Außenseiten in dem Entwurf könnte es nach Auffassung der CDU eine Art Eigendisziplinproblem mit den zukünftigen BewohnerInnen geben. Ausdrücklich wird in ihrer Pressemitteilung in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass etwa 27 Prozent des Wohnraums mietpreisgebunden sein sollten – ein Risiko aus Sicht der CDU.
Denn die erforderliche Pflege gelänge in vielen solcher Wohnanlagen eben nicht immer. „Im Herzen der City ohne Not einen Risikobau zu errichten, ist jedenfalls nicht die Idee der CDU für unsere Stadt“ fasst Uwe Waßmann diesen Einwand zusammen.
Heißt im Klartext: Indem die CDU hier ein erhöhtes Risiko tendenzieller Wohnraumverwahrlosung ausmacht, insinuiert sie bis zu einem gewissen Grad eine Korrelation von Einkommensschwäche mit Habita aus dem Umkreis defizitären Sozialverhaltens. Gut vorstellbar, dass darauf so manche BefürworterInnen des Projektes etwas geeignetes antworten können.
Weitere Informationen:
- Beschlussvorlage der Stadtverwaltung, hier:
- Presserklärung der CDU-Fraktion, hier:
- Entwurf des Architekturbüros Archwerk Generalplaner KG, Bochum, hier:
- Diskussion der Beschlussvorlage: Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen im Dortmunder Rathaus, Friedensplatz 1, am 7. November ab 15 Uhr.
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