Von Gerd Wüsthoff
„Das unmögliche Theater“, ein Sprechchor des Ensembles eröffnete die fulminante Geburtstagsfeier für das Schauspielhaus Dortmund auf dem Vorplatz. Die Einstimmung der Festgäste gelang, denn mit dem Gong zur Vorstellung strömten erwartungsfrohe DortmunderInnen in den Publikumsraum. Das Bühnenbild, aus dem Stück „Die Show“, zeigte dass eine Show kommen würde. Als dann Julia Schubert und Frank Genser, Mitglieder des Ensembles, erschienen, um den Abend zu moderieren, wurden sie mit Beifall empfangen. Im Laufe des Abends überreichten die Vereine „Theater- und Konzertfreunde“ und „Dortmunder für ihr Schauspiel“ jeweils eine Spendenscheck von 5.000 Euro an Kay Voges.
Das Schauspielhaus Dortmund: ein Beitrag zur lebendigen Kultur und Vielfalt in der Stadt
Zuvor spielte Tommy Finke + Band „This Picture“ zu einer großformatigen Fotoslideshow, die an die vergangen 50 Jahre des Schauspielhauses, seine Inszenierungen und seine Mitglieder erinnerte. Dass das Theater, erfunden in Griechenland, als auch die Griechen die Demokratie erfanden, immer auch politisch ist und war, zeigte sich aktuell an einem kleinen Detail auf der Bühne über der Bühne – das kleine Notenpult von Tommy Finke zeigte in weißen Buchstaben: FCK AFD.
Politisch ging es auch weiter, als Oberbürgermeister Ullrich Sierau sich mit seinem Grußwort an das Auditorium wandte. Sierau hob die Bedeutung des Schauspielhauses als bedeutenden Standortvorteil für die wieder erstarkende Stadt Dortmund hervor. Der OB vergaß dabei auch nicht die Bedeutung des Theaters als Spiegel der Vielfältigkeit von Dortmund darzustellen. „Ein Theater im Zentrum der Stadt, ist ein Beitrag zur lebendigen, demokratischen Stadtkultur“, sagte Sierau, von Beifall unterbrochen.
Als Sierau, die eigens angereisten Politiker grüßte, Hans-Josef Vogel, Regierungspräsident von Arnsberg, und NRW Kulturstaatssekretär Klaus Kaiser, konnte sich Sierau einen Seitenhieb auf die „Causa Maaßen“, unter tosendem Beifall und Gelächter aus dem Publikum, nicht verkneifen. „Mit Klaus Kaiser haben wir einen Staatssekretär mit Kompetenz, und nicht wegen Versagens“, sagte Sierau. Als Sierau die Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde grüßte, wurde er wiederum von tosendem Beifall aus dem Auditorium unterbrochen.
50 Jahre bewegter Geschichte und eine aktuell mutige Avantgarde
In seinem Kurzinterview, durch Schubert, ging Günther Beelitz, ehemaliger Chefdramaturg, wie Sierau zuvor, auf die Ursprünge des Hauses als Konzerthaus zurück. Es war die „schräge Wand“, welche damals architektonisch wohl nötig war. Diese Ecke im Schauspiel wurde später noch von anderen komödiantisch erwähnt.
Mit Kay Voges, zuvor schon mehrfach für seine mutigen Inszenierungen, wie das Schauspiel „Die NSU Monologe“ oder die aktuell sehr positiv kritisierte Inszenierung „Die Parallelwelt“ – das weltweit erste digitale Theater – gelobt, trat zu seinem kurzem Grußwort vor das Publikum, um sich bei dem Ensemble und dem Dortmunder Publikum zu bedanken.
Kulturpolitisch und soziologisch beißend wurde es mit dem Monolog von Andreas Beck aus dem aktuellen Stück „Der Theatermacher“. Thomas Bernhards „Theatermacher“, die Theaterwiederholungsqual, immer wieder in Utzbach, in Dortmund, in Bochum. Kay Voges hatte sie in der Dortmunder Inszenierung für alle erfahrbar gemacht, nicht nur für die SchauspielerInnen, die KritikerInnen, sondern für das ganze Publikum. Beck hielt einen Zerrspiegel vor.
Wallfisch junior damals: „Das ist hier besser als am Broadway!“
Bevor Marlena Keil und Ekkehard Freye Grußworte von verhinderten ehemaligen Ensemblemitgliedern vorlasen, spielte der ehemalige musikalische Leiter Paul Wallfisch. Der Künstler zitierte eine Aussage, seines damals 13-jährigen Sohnes: „Das ist hier besser als am Broadway!“ Das Zitat brachte launige Heiterkeit in das Publikum. Das Klavierspiel von Wallfisch war animierend, wie er auch das Publikum zum letzten Stück begeistern konnte, dass es im Rhythmus mitklatschte.
Ines Burkhardt sollte aus ihrem Buch „Theaterleben in Deutschland“ vorlesen, was aber nicht geschah, da die aktuelle Ausgabe leider zu fehlerhaft sei, weshalb sie dann für den korrigierten Neudruck, im Dezember ankündigte: „Von den 20 Euro für das Buch, gehen zehn Euro an eine Blindenhilfsorganisation in Afrika, und die anderen zehn Euro an den Kinderschutzbund Dortmund.
Mittlerweile war der Zeit-Ablauf der 50-Jahr Feier, wie bei jeder Live-Show im TV, aus dem Ruder gelaufen, was spätere Programmpunkte mit ihrem stillschweigenden Übergehen erfuhren. Merle Wasmuth begeisterte das Publikum mit ihrer Darbietung von „L´Amour“, wobei Wasmuth wie in die Zeit des Art Déco verrückt auftrat.
Lehrreiches und Unterhaltsames aus 50 Jahren Schauspielhaus Dortmund
Die Talkrunde mit den ehemaligen und dem aktuellen Intendanten, Jens Pesel, Andreas Weißert, Jost Krüger und Voges, war ein zum Teil launiger, aber auch nachdenklicher Rückblick in die Geschichte und Geschichten aus 50 Jahren des Schauspiel Dortmund. Zur Sprache kam auch der Aufstand des Ensembles und der DortmunderInnen gegen eine geplante Abschaffung des Hauses im Zuge von geplanten Haushaltskürzungen der Stadt Dortmund. „Es konnte nicht sein, dass die damals sechstgrößte Stadt der Bundesrepublik kein Schauspielhaus mehr haben sollte“, äußerte sich Pesel zu seiner Flugblattaktion von damals.
Der aktuelle Musikalische Leiter des Schauspielhauses, Tommy Finke, konnte im Anschluss, wie zu Beginn, wieder sein eigenes stimmliches und musikalische Talent mit seinem Song zeigen. Finke hat eine Stimme für weit mehr.
Der folgende Vortrag der Universitätsprofessorin Ulricke Haß zu „Entwicklung des Stadttheaters gestern, heute und morgen“, erwies sich leider, wie in der After-Party zu hören, ein wenig als Stimmungskiller. Haß entschuldigte sich zuvor, dass der Vortrag keinen direkten Dortmund-Bezug habe, konnte aber den Nutzen des Theaters, allgemein, für die Entwicklung einer Stadtgesellschaft und die Demokratie darlegen. Es ist der Kulturleistung der Griechen zu verdanken, dass sie die religiösen Spiele im Zuge der Entwicklung der Athenischen Demokratie als demokratischen Ausdruck weiterentwickelten.
Das Theater an sich und das Schauspielhaus Dortmund sind ein Spiegel der Gesellschaft
Das im Barock in „Pomp and Circumstance“ bis in das 20te Jahrhundert erstarrende Theater nahm zwar immer wieder Ausdrucksformen von der Straße, wie der italienischen Comedia auf. Dennoch blieb es eine elitäre Veranstaltung. Trotz eines dem Volk offenen „Globe“ in London. Erst mit Stücken wie „Nachtasyl“, 1900, oder „Berlin Alexanderplatz“, öffnete sich das Theater wieder der breiten Bevölkerung.
Während Haß mit dem Vergleich der venezianischen Kanäle in „Der Kaufmann von Venedig“ von William Shakespeare, im „Globe“ uraufgeführt, diese Kanäle mit den damals global einsetzenden Kapitalströmen und denen von Heute im Zeitalter des „Globalen Neoliberalismus“ verglich, und eine „Neoliberalismus“ Kritik zitierte, brannte Beifall auf.
Weißert, ehemaliger Leiter des Schauspiel, (Ziffel) und Jürgen Mikol (Kalle) spielten eine Szene aus „Flüchtlingsgespräche“ von Berthold Brecht. Die beiden aus Nazi-Deutschland geflohenen sprechen über Szenarien, wie sie vielleicht auch heute noch in Militärkreisen ablaufen könnten. Die angesprochenen Flüchtlingsproblematiken könnten bei weltweit über 268 Millionen Geflüchteten aktueller nicht sein.
Stadt, Fördervereine und Publikum garantieren einen Fortbestand des Schauspielhauses
Ein wenig emotionaler wurde es wieder als sich die Vorsitzenden der beiden Fördervereine „Theater- und Konzertfreunde“ und „Dortmunder für ihr Schauspiel“ vor der Übergabe eines Spendenschecks von jeweils 5.000 Euro an das Publikum wandten. Während der After-Party im Foyer waren positiv erstaunte Stimmen zu hören, dass auch eine Spende von „Theater- und Konzertfreunde“ überreicht wurde.
Mit einem emotional vorgetragenen „Happy Birthday“, von den Ensemble Mitgliedern Bettina Lieder, Alexandra Sinelnikova, Marlena Keil und wieder Merle Wasmuth endete der Abend auf der Bühne weit später als ursprünglich geplant.
Der gelungene Feierabend im Schauspielhaus Dortmund fand seinen Abschluss in einem lockeren „Come Together“, der After-Party, im Foyer des Hauses, das schier aus den Nähten platzte. 50 Jahre Schauspielhaus Dortmund, auch wenn immer noch in einem Provisorium, hat weitere mindestens 50 Jahre vor sich, denn die Stadtverwaltung und sein Publikum stehen hinter dem Haus.
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