Am Westpark eröffnete die erste Tagespflege in Nordrhein-Westfalen

40 Jahre Eugen-Krautscheid-Haus: In Sachen Seniorenarbeit am Puls der Zeit

Vorfreude auf die Geburtstagsfeier: Am Wogende wird der 40. Geburtstag des Eugen-Krautscheid-Hauses begangen.
Vorfreude auf die Geburtstagsfeier: Am Wogende wird der 40. Geburtstag des Eugen-Krautscheid-Hauses begangen. Foto: Dieter Schütze

Ein echter Grund zum Feiern: Das Eugen-Krautscheid-Haus gibt es seit 40 Jahren. Zur Eröffnung damals hatte es noch einen anderen Namen – als „Seniorenzentrum für Therapie, Begegnung und Tagespflege“ ging die AWO-Einrichtung am Westpark (Lange Straße 42) an den Start. Die Angebote waren damals sehr modern und innovativ. Seitdem hat sich das „EKH“ immer wieder neu erfunden.

„Seniorenzentrum für Therapie, Begegnung und Tagespflege“

Der Name Eugen-Krautscheid-Haus kam später. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Ende der 70er Jahre hatten Geschäftsführung und Vorstand der Arbeiterwohlfahrt beschlossen, ein Zentrum zu bauen, welches alle Möglichkeiten der modernen Altenhilfe und Altenpflege beherbergt – außer vollstationären Angeboten“, erinnert sich Georg Deventer.

Der Vorstand war damals in Dänemark, um sich ein Beispiel anzusehen. „Da war man weiter als in Deutschland. Mit politischer Unterstützung haben wir das Konzept entwickelt und das Haus gebaut“, berichtet der erste Leiter des Hauses.

Bericht zur Eröffnung. (Repro) Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Einer der Unterstützer war Eugen Krautscheid: Der AWO-Bezirksvorsitzende war auch Sozialausschuss-Vorsitzender in Dortmund und setzte sich sehr für das Haus ein. Kurz nach der Eröffnung starb er und das neue „Seniorenzentrum für Therapie, Begegnung und Tagespflege“ bekam seinen Namen.

Viel häufiger verwendet wird die Abkürzung EKH. Nicht alle waren damit glücklich: „Die Abkürzung klingt nach Landeskrankenhaus“, runzelt Franziska Köhler die Stirn, die 1997 die Leitung der Einrichtung am Westpark übernahm.

Am Westpark eröffnete die erste Tagespflege in NRW

Alles unter einem Dach – das war das innovative Konzept. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Es war eine sehr moderne Ausrichtung – alles unter einem Dach in einem Zentrum integriert“, beschreibt Deventer.  Begegnungsarbeit, Kegelgruppen, Tanzkurse, Tischtennis-Gruppe, Musikgruppe von „Zwischen Arbeit und Ruhestand“ (ZWAR), Kreativräumen und jeden Donnerstag gab es mit bis zu 130 Senior*innen Tanzveranstaltungen.

Es gab damals schon eine Tagespflege: „Die erste Tagespflege in NRW und die elfte in Deutschland“, betont Georg Deventer nicht ohne Stolz. In der Pflege existierten nur ambulanten Hilfen und die vollstationäre Pflege.

„Wir hatten eine große Vorreiterrolle in NRW. Ich war damals war oft beim Landschaftsverband, um unsere Arbeit, aber auch das Konzept sowie die Raum- und Personalbedarfe vorzustellen.“ Der LWL hatte später das Dortmunder Modell zur Grundlage für die Richtlinien zur Ausstattung von Tagespflegeeinrichtungen gemacht.

Georg Deventer war der erste Leiter des EKH - und sein Botschafter.
Georg Deventer war der erste Leiter des EKH – und sein Botschafter. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Auch das Kuratorium deutsche Altenhilfe interessierte sich für das EKH – Land auf und Land ab stellte Deventer die Arbeit vor und baute auch weitere Tagespflegen auf. Außerdem organisierte er Schulungen und Fortbildungen für verschiedene Gruppen, ab 1990 half er im Namen der AWO beim „Aufbau Ost“ in Zwickau.

„Nebenbei“ musste er noch das Tagesgeschäft organisieren. Damals gab es noch keinen Gastronomen als Pächter – das EKH bewirtschaftete selbst die Gastronomie. Mit Unterstützung von Zivis und teils auch Fortbildungsgruppen eines Vorläuferprojekts der dobeq kochten sie 300 bis 500 Essen am Tag.

Franziska Köhler folgte als Einrichtungsleitung auf Georg Deventer

„Das war ziemlich schwierig zum Schluss“, erinnert sich Franziska Köhler mit Blick auf die jungen Leute, die wenig Schnittmengen mit den anderen Gruppen hatten. Schwierig war aber auch, dass Deventer eine Vielzahl von Aufgaben neben der Einrichtungsleitung hatte.

Früher gab es Bücherbasarae, heute gibt es das „Lese-Zeichen“, welches Franziska Köhler gerne nutzt.
Früher gab es Bücherbasarae, heute gibt es das „Lese-Zeichen“, welches Franziska Köhler gerne nutzt. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Das änderte sich 1997. Deventer wurde Betriebsleiter, Köhler übernahm die Leitung des Hauses. Mit zwei Stellen für Sozialarbeiter*innen und Betriebskostenzuschüssen für das „Haus am Park“ wurde das Tagesgeschäft organisiert – die Tagespflege war selbstständig.

„Das Team und die Gruppen waren 1997 froh, dass endlich jemand kam, der ständig vor Ort war. Georg hat ja sehr viel gemacht und war daher oft unterwegs“, so Köhler.

Mit ihr war die tägliche Präsenz sichergestellt und Köhler froh, dass sie sich beruflich verändern konnte. Neun Jahre hatte sie in Volllzeit die Schwangerschaftskonflikt- und Lebensberatungen geleitet und war auch zeitweise freigestellte Betriebsrätin.

Zahlreiche Kooperationen im Stadtteil Westliche Innenstadt

„Ich wollte gerne eine Familienbildungsstätte machen – da kam mir das EKH gerade recht. Ich habe zunächst geguckt, was es schon gibt – das war eine ganze Menge. Aber dann habe ich auch neue Sachen initiiert.“ Sie sorgte im Rahmen der Stadtteilarbeit für Kontakte der Senior*innen mit Kindern, Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen, aber auch zu denen, die noch vor der Rente standen.

Frank Pranke und Tanja Tenholt leiten das DKH.
Frank Pranke und Tanja Tenholt leiten das DKH heute. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

„Ich wollte in der Sozialarbeit auch Neueres machen, auch mit nicht ganz so alten Menschen. Es gab gemeinsame Aktivitäten mit der Tagespflege. Eine Betreuungsgruppe wurde ins Leben gerufen. „Es ging nicht nur um Demenz, sondern auch um andere Einschränkungen. Die Ehrenamtlichen haben sich sehr gekümmert – es war eine sehr nette Gruppe und hat wunderbar geklappt für alle Beteiligten“, schaut Franziska Köhler gerne zurück.

Außerdem gab es Kontakte zur Kita und zur Hauptschule: „Die Älteren sind dann in die Schule gegangen und haben mit den Schülern gekocht und gegessen. Auch in der Kita haben sie zusammen gemalt – das war schön für Jung und Alt.“ Es gab auch Führungen durch den Westpark, Ausflüge und Tagesfahrten. „Wir haben immer geguckt, dass es eine gute Mischung gibt und die Alten und Kranken nicht nur unter sich blieben.

Die Kursangebote wurden immer wichtiger

Gefragt waren auch die Handarbeitsgruppen, die sich mit ihren Basaren sozial engagierten und die Erlöse spendeten. Zunehmend gab es Angebote für Männer, die früher immer nur auf ihre Frauen gewartet hatten, um diese abzuholen. Wandern, Kegeln, Kreativangebote, Tischtennis etc. … aber auch Angebote für alleinstehende Männer wurden etabliert.

Auch heute gibt es noch die Handarbeitsgruppe – mal sind es „Schals gegen soziale Kälte“ oder aktuell Anhänger zum 25. Dortmunder CSD. Foto: AWO Dortmund

Außerdem organisierte sie neue Kursangebote, die auch Jüngere ansprachen. So bot beispielsweise die Tanzschule Gödde Stepptanz an. „Das war der absolute Knaller. Später gab es „Tanzfit“ – in der nahen Kirchengemeinde wurde ein Raum genutzt. Wir machen das noch immer“, freut sie sich über die Langlebigkeit mancher Angebote.

Tanja Tenholt und Frank Pranke – sie übernahmen 2019 die Leitung des Hauses – haben „Tanzfit“ noch immer im Programm. „Mittlerweile gibt es vier Gruppen.“

Allerdings war Corona eine Zäsur. Im Ehrenamt gibt es seitdem einiges weniger, die Angebote haben gelitten“, sagt Tenholt beispielsweise mit Blick auf die Handarbeits- und die Schmuckgruppe. „Man merkt durchaus, dass viele Ehrenamtliche nicht zurückgekehrt sind oder sich was anderes gesucht haben.“

„Aber die Kurse sind total explodiert: Ich könnte noch vielmehr Sportangebote dazu nehmen, wenn wir den Platz und die Kursleiter*innen hätten.“ Alles boomt und die Kursleiter*innen sind genauso ausgebucht wie die Kurse. Mittlerweile überschreiten die Angebote auch die regulären Öffnungszeiten: Verschiedene Yoga-Angebote, Tai Chi, Chi Gong, Forever Fitly Young…. alle größeren Räume im EKH und in der Gemeinde sind am Vormittag belegt.

Der Zeitgeist findet sich in vielen Angeboten wieder

Während der klassische PC-Kurs nicht mehr gefragt ist, besteht dafür großes Interesse an Tablet- und Smartphone-Kurse, berichtet Frank Pranke. Es gibt zudem unterschiedliche Wander-, Walking- und Radfahrgruppen, aber auch Malgruppen.

Bei den Gruppen und in den Kursen spiegelt sich der Zeitgeist wieder: Makramee, Weben, Töpfern, Seidenmalen waren vor Jahrzehnten sehr gefragt, heute sind sie Geschichte. Dann kamen die PC-Kurse und die PC-AG, die durch andere digitale Angebote abgelöst wurde. Und statt des Bücherverkaufs gibt es jetzt die Bücher-Telefonzelle vor der Tür.

Eine Ladestation für E-Bikes – es gibt immer wieder neue Angebote am Westpark. Foto: Alexander Völkel für nordstadtblogger.de

Im Haus gibt es auch heute noch Gruppen: Der Kulturpott Ruhr ist im Haus. Er sorgt dafür, dass Menschen mit wenig Geld, Kulturangebote nutzen können. Die Kulturlokomotive sorgt für Austausch, der Schachclub SC Hansa ist hier, es gibt Musikangebote für Eltern und Kinder. Auch AWO-Chor SINGBUNT macht weiter. Zudem trifft sich der AWO-Ortsverein Mitte im Haus. Es gibt einen Politik- und Philosophie-Treff, einen philosophischen Lesekreis usw.…

Die einzige Konstante: Es gibt zu wenig Platz. Denn insbesondere für Bewegungsangebote sind die meisten Räume zu klein. Daher gibt es bei vielen Kursen Wartelisten. „Unsere Angebote sind so kalkuliert, dass auch Menschen mit  schmalem Portemonnaie mitmachen können. Auch müssen wir verdeutlichen, dass wir kein Fitnessstudio sind“, betont Tanja Tenholt. Das wird auch bei anderen Angeboten deutlich – vom Rollator-Training bis hin zu Gymnastik am und auf dem Stuhl.

Das EKH als Kompetenzzentrum fürs Ehrenamt

Das EKH ist aber auch wichtig für die Aktivitäten der AWO: Vorstand und Beirat tagen hier, es gibt Konferenzen. Schon früh wurde auch die Betreuung der damals 60 Ortsvereine aus dem EKH heraus organisiert. Das Thema wurde insbesondere während und nach Corona wichtiger. Das EKH ist ein Kompetenzzentrum für die Ortsvereine und Begegnungsstätten. Sie erhalten hier professionelle Unterstützung.

„Das EKH war eines der Häuser, die während Corona sehr früh wieder geöffnet haben. Es war Vorreiter für alle anderen Begegnungsstätten, wie man trotz Corona-Beschränkungen öffnen kann. Das Ehrenamt hat viel davon profitiert“, lobt Cordula von Koenen, bei der AWO zuständig für die Verbandsarbeit.

„Wir haben ja auch das Konzept für die anderen gemacht. Hier ist das Kompetenzzentrum mit viel Know-how. Wir sind Dienstleister für die Ortsvereine und organisieren Schulungen beispielsweise zur Kassenführung, Öffentlichkeitsarbeit und Lebensmittelbelehrung – je nach Bedarf.“

Mehr Informationen:

  • Am Samstag, 26. August, wird von 11 bis 17 Uhr das Jubiläum mit einem Sommerfest am Westpark gefeiert.
  • Es gibt Musik, Kabarett und Tanz, aber auch Kinderspiele, Tombola und natürlich auch kulinarische Angebote im Zusammenhang mit dem BierCafé West.
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