31 Kilo Kunst aus Istanbul – neue Ausstellung im Künstlerhaus zeigt acht recht unterschiedliche Positionen

Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Daniela Löbbert
Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Daniela Löbbert

Von Rolf Pfeiffer

Der Titel der Veranstaltung – „31 Kilo“ – hat mit ihr eigentlich nichts zu tun. 31 Kilo nämlich, so ist zu erfahren, sind das Höchstgewicht für Paketsendungen aus der Türkei nach Deutschland. Also durfte mehr als 31 Kilo nicht wiegen, was zunächst in Istanbul für den dort ausgestellten „part one“ der Ausstellung entstand und dann für den „part two“ nach Dortmund expediert wurde. Acht junge Künstlerinnen und Künstler also wirkten zunächst am Bosporus für eine Gemeinschaftsausstellung, deren Fortsetzung nun im Dortmunder Künstlerhaus am Sunderweg zu sehen ist.

Künstlerische Leichtgewichte – wegen des Luftposttransports

Den Erfordernissen des Transports gemäß wurden die Exponate künstlerische Leichtgewichte, was nicht zwingend gewesen wäre, denn die Arbeiten hätte man natürlich auch auf mehrere Pakete verteilt nach Dortmund schicken und dort wieder zusammensetzen können. Vielleicht jedoch hätte das die Budgets überschritten, denn junge Künstler sind mehrheitlich auch arme Künstler, ihre Kunst mithin notgedrungen eine „arte povera“, was der Kreativität keinen Abbruch tun muss.

Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Installationen von Daniel Burkhardt
Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Installationen von Daniel Burkhardt

Machen wir es wie der Katalog und arbeiten die Künstler alphabetisch ab. Daniel Burkhardt, 1977 in Bochum geboren, hat zwei Videoprojektionen geschaffen, die den räumlichen Gegebenheiten des Künstlerhauses recht genau angepaßt wurden. Es sind Flächen, die in ihrer Anmutung mal eine streng dahängende Gardine, mal eine Lüfterabdeckung naturalistisch zu zeigen scheinen, tatsächlich jedoch aus vielen sich wiederholenden, mit der Videokamera gefilmten Flächen zusammengesetzt sind. Einerseits sind sie in der Gesamtfläche völlig homogen, andererseits ist ein Minimum an Bewegung in ihnen. Man nimmt sie aber fast nur dann wahr, wenn man ganz nahe herantritt und die Projektionspixel erkennen kann.

Özgur Demirci, geboren 1982 in Cihanbeyli, nähert sich der Stadt Dortmund und ihren Menschen mit dem Mittel der Befragung an. Zum einen hat er Bergleute zu Arbeits- und Lebensentscheidungen befragt – die Interviews sind zu hören -, zum anderen bittet er mit Zettelchen und Wahlbox Ausstellungsbesucher um Auskunft: „Wurdest du jemals dazu gezwungen, eine Entscheidung zu fällen? Wenn ja, welche?“. Die Arbeit zeichnet Existenz als Produkt persönlicher Entscheidungen.

Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Videoinstallation von Uygar Demoglu
Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Videoinstallation von Uygar Demoglu

Unbeschwert und spielerisch auf den ersten Blick geht Aygar Demoglu, geboren 1982 in Istanbul, sein Thema an. Er hat farbige Ballons vor öder Stadtkulisse mit der Kamera verfolgt, zeigt ihren Flug bis zur Landung. Projiziert jedoch wird das gleichsam wie durch Glasbausteine hindurch, eine Art betonierte Schlüssellochperspektive, die die Leichtigkeit des ersten Eindrucks zunichte macht.

Der Xantener David Kroell, geboren 1985, macht Wandflächen zu seinem Arbeitsgegenstand. Mal hat er eine Wand mit Textur versehen, indem er sie mit Paketband beklebte, dieses später wieder abzog und die Klebstoffreste kleben ließ, mal hat er, man beachte das Ausstellungsthema, eine kleine Zahl von Gipskartonplatten von Istanbul nach Dortmund geschickt und hier aus ihnen eine recht fragile Wand zusammengebastelt. Die Trockenbau-Wand wie auch die Klebstoffreste-Wand, die auf den ersten Blick einfach nur etwas schmutzig wirkt, sollen als minimalistische Raumeingriffe verstanden werden, übersehbare Veränderungen.

Can Kurucu, geboren 1986 in Ordu, transportiert Details des Istanbuler Ausstellungsortes nach Dortmund, eine Mehrfachsteckdose, ein Heizungsrohr, einen Heizkörper. Doch sind die Dinge nicht real vorhanden (sie hätten auch deutlich mehr als 31 Kilo gewogen), sondern lediglich in Videoprojektionen am rechten Ort, die wegen ihrer Alltäglichkeit schnell übersehen werden könnten. Zweifellos ist dies die humorvollste Arbeit der Geimeinschaftsausstellung, gleichwohl nicht ohne Hintersinn, stellt sie doch einmal mehr die Frage nach Wert und Bedeutung der Dinge, die die Kunst seit ewigen Zeiten frommt.

Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg
Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg

Daniela Löbbert, 1979 in Haltern geboren, hat in eher konservativer Manier mit Acryl und Wandfarbe farbige Flächen geschaffen, die Räumlichkeit suggerieren. Der Eindruck dadurch wird verstärkt, daß ihr Bild um eine Raumecke herum und teilweise über ein Innenfenster verläuft.

Von Patrick Presch, 1980 in Hamm geboren, stammen zwei große Farbfotografien, die sich einander gegenüber hängen. Die eine zeigt eine jugendliche, verschwörerisch gleichsam die Köpfe zusammensteckende Jugendgruppe vor leuchtendem Bosporusblau, die andere eine mit Filzer vollgekritzelte Außentür aus dem Dortmunder Norden, und beide Bilder sollen etwas mit jugendlicher Kommunikation, Verortung usw. zu tun haben. Vielleicht ist es aber auch eine unterschwellige Provokation des Dortmunder Publikums, wenngleich der Phoenixsee dem Bosporus natürlich nicht das Wasser reichen kann…

Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Installationen von Daniel Burkhardt
Ausstellung 31 Kilo im Künstlerhaus Sunderweg. Installationen von Daniel Burkhardt

Schließlich die Rauminstallation von Sümer Sayin, geboren 1985 in Istanbul. Sie besteht aus Gummiseilen, die an zwei Buchstaben, „W“ und „E“, befestigt sind. Die meisten verbinden die Buchstaben, hängen allerdings stark durch, manche auch sind nur noch einseitig befestigt. Will sagen: W und E, also englisch „we“ gleich „wir“, das ist eine instabile, unsichere Angelegenheit. Ein Spiel mit Wörtern und Gummibändern, Ausdruck möglicherweise eines Lebensgefühls.

Wenn acht Leute mit doch recht unterschiedlichen Ansätzen ausstellen, fällt es schwer, von einem Gesamteindruck zu reden. Mehr oder weniger ist allen Arbeiten Ernsthaftigkeit eigen, allerdings wirken sie auch recht artig, gefällig und dekorativ. Provokation oder schonungslose Auseinandersetzungen, die doch Merkmale junger Kunst sein sollten, sind nicht auszumachen. Eher ahnt man hier und da die nicht mehr ganz so jungen Vorbilder. Doch gilt, wie immer, so auch hier: Am besten macht sich jeder selbst ein Bild und besucht die Ausstellung.

 

„31 Kilo“, Künstlerhaus Dortmund, Sunderweg 1. Bis 21.12.2014. Geöffnet Do-So 16-19 Uhr.

 

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