„Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben!“ – Internationaler Frauentag in Dortmund zu Corona-Zeiten

Gestern, an der Reinoldikirche, auf zwei Meter Abstand: Frauen zeigen Flagge. Fotos: Leopold Achilles

Von Jil Bastian

Zum Internationalen Weltfrauentag am 8. März, gestern Nachmittag: Kundgebung des Feministischen Kollektivs vor der Reinoldikirche. Im Zentrum steht die Frage: „Who cares?“ – Wer sorgt sich eigentlich, macht die Arbeit, die nicht anerkannt wird? Rund 250 Menschen sind dabei; erwartet worden waren 500 Teilnehmer*innen. Der geplante Demonstrationszug wurde kurz zuvor untersagt. Doch fanden die Feminist*innen andere Wege, um ihre zentralen Positionen zu vermitteln. Es ging wieder um ein Zeichen. Für die Gleichberechtigung aller Geschlechter. Darum, auf bestehende Geschlechterungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Und – wie bereits im letzten Jahr, während der sich gerade ausbreitenden Pandemie – klare Kante: gegen Sexismus und jedwede Gewalt gegen Frauen.

 „Corona and Care“ – Feministisches Kollektiv macht klar: Wir sind es, die sich kümmern!

Unter strengen Hygieneauflagen, Maskenpflicht sowie ausreichend Abstand gingen viele – vor allem junge Menschen – auf die Straße, um die weiterhin bestehenden Geschlechterungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft anzuzeigen. In diesem Jahr ist durch die weltweite Pandemie die Lage so angespannt wie nie zuvor. Durch die anhaltenden Einschränkungen im alltäglichen Leben wird die ungleiche sowie ungerechte Behandlung von Frauen weiter verstärkt. ___STEADY_PAYWALL___

Viele Teilnehmer*innen der Kundgebung hatten Plakate vorbereitet, worauf sie ihre Positionen deutlich machten.

Insbesondere im Pflegesektor arbeiten überwiegend weibliche Personen, die von schlechten Arbeitsbedingungen, einem ungerechten Gehalt sowie fehlender Anerkennung betroffen sind.

Zudem findet unbezahlte Arbeit wie beispielsweise Hausarbeit und Fürsorge (Care), welche häufig von Frauen verrichtet wird, keine angemessene gesellschaftliche Anerkennung, denn ihr ökonomischer Nutzen ist nicht direkt greifbar. Jedoch funktioniert eine Familie ohne diese Tätigkeiten nicht, was vielen Menschen – überwiegend Männern – nicht bewusst ist. Die Einhaltung von Zusagen, die in diesem Zusammenhang im Zuge der Pandemie getroffen wurden, lässt auf sich warten. Worte und Gesten allein genügen aber nicht: es braucht eine angemessene finanzielle Kompensation.

Das Feministische Kollektiv Dortmund ist ein Zusammenschluss von Menschen unterschiedlicher Strömungen. Sie haben sich zusammengefunden, den Internationalen Weltfrauentag gemeinsam zu feiern. Ihre Intention ist, feministische Praxis in Dortmund und Umgebung sichtbar zu machen, indem sie Sexismus im öffentlichen Raum bekämpfen, Bildungsarbeit leisten sowie eine Plattform für benachteiligte Personen bieten. Sie organisieren von Workshops bis hin zu Vorträgen ein vielseitiges Angebot, um Möglichkeiten der Aufklärung bezüglich der Geschlechterungerechtigkeiten zu schaffen.

Frauen in Pflegeberufen werden auf verschiedene Art und Weise schamlos ausgenutzt

Mila aus Köln, die gerade eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin macht, ist eine von vielen Redner*innen auf der Kundgebung. Die junge Frau ist seit zwei Jahren in dem Beruf tätig.  Ihre Meinung: dass die in der Berufsbranche gezahlten Löhne viel zu niedrig ausfallen. Auch machten schlechte Arbeitsbedingungen den Job immer unattraktiver.

Mila aus Köln wünscht sich einen offenen Umgang mit dem Thema „Sexuelle Übergriffe im Berufsleben einer Krankenpflegerin“.

Weil überwiegend weibliche Personen in diesem Berufsfeld tätig sind, fällt das Gehalt dementsprechend geringer aus, was eine Ungerechtigkeit gegenüber Frauen darstelle. Zudem könne es im pflegerischen Berufsalltag zu übergriffigem Verhalten sowie sexistischen Äußerungen kommen – wegen der Intimität zwischen Patient*innen und Pflegefachkräften, besonders bei Körperpflege oder etwa dem Lagern im Bett.

Fast jede weibliche Pflegekraft wurde schon einmal während der Körperpflege sexuell durch verbale Äußerungen sowie offensichtliche Übergriffe belästigt, wo Situationen von Intimität ausgenutzt werden, beispielsweise durch das Berühren von intimen Stellen.

Das Problem an diesen Vorfällen ist, dass keiner darüber offen und ehrlich redet – ein ,,Tabuthema“. Betroffene erhalten nach einem Übergriff keine Unterstützung, werden weder ernst- noch wahrgenommen.

In Milas gesamter Ausbildungszeit gab es bis jetzt nur eine Gesprächsrunde, in der das zum Thema wurde. Aber: Es sei wichtig, auf das Problem aufmerksam zu machen und einzuschreiten, anstatt übergriffiges Verhalten zu ignorieren, sagt sie.

Es müsse bewusst gemacht werden, dass verbale Äußerungen belästigend wirken und ein Gefühl von Unwohlsein erzeugen, wofür sich niemand rechtfertigen müsse, machte Mila klar.

Die feministische Perspektive: „Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben.“

Die verschiedenen Redner*innen auf der Kundgebung setzten in ihren Perspektiven unterschiedliche Akzente. Ebenfalls vertreten: Sexarbeiterin Lou, die sich für die Anerkennung ihres Berufes starkmacht. Mit Aussagen wie „Wenn dein Feminismus Sexarbeiter ausschließt, ist dein Feminismus scheiße“; oder: „Wir kämpfen an eurer Seite gegen das Patriarchat, den Kapitalismus und gegen jede Autorität – wir ficken das Patriarchat“, bekam die junge Frau viel Zuspruch von den Teilnehmenden. Ihr Ziel sei es, dass in unserer Gesellschaft ihr Beruf anerkannt wird, ihr dadurch keine Nachteile entstehen.

Gerade Sexarbeiter*innen dürfen nicht wegen ihres Berufes von der Gesellschaft ausgegrenzt werden.

Eine junge Frau von Fridays for Future stellte einen Zusammenhang zum Klimawandel her, da Geschlechtergerechtigkeit eine Voraussetzung für Klimagerechtigkeit sei. Aufmerksam gemacht wurde in verschiedenen Beiträgen auf den „Klassenkampf“, die zunehmende häusliche Gewalt aufgrund von Corona oder die tragischen Ereignisse im Camp Moria, wo unter anderem Frauen täglich vergewaltigt werden. Insgesamt wurde dadurch ein breites Spektrum verschiedener feministischer Perspektiven präsentiert.

Gesa, 17, hatte auf die Demonstration gehofft. War von der großen Anzahl Menschen begeistert, die trotz kalter Temperaturen und Pandemie zur Kundgebung gekommen sind. Die junge Frau möchte Solidarität mit betroffenen Personen sexualisierter Gewalt ausdrücken. Und hört Mila aus Köln aufmerksam zu. Solche Geschichten treffen.

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Reaktionen

  1. Auch Frauen steht die PrEP zur Verfügung – Internationaler Frauentag am 8. März 2021 (PM Aidshilfe Dortmund)

    Aidshilfe Dortmund informiert: Auch Frauen steht die PrEP zur Verfügung
    – Info zum Internationalen Frauentag am 8. März 2021

    Vielen Frauen ist auch fünf Jahre nach Zulassung der HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) diese Form der Vorsorge vor einem möglichen HIV-Kontakt weitestgehend unbekannt. Die aidshilfe dortmund e.v. nimmt daher in Zusammenarbeit mit der Landesarbeitsgemeinschaft Frauen und HIV/Aids in NRW (LAG) auch in diesem Jahr den Internationalen Frauentag am 8. März zum Anlass, auf diese für Frauen mit erhöhtem HIV-Risiko effektive Schutzvariante hinzuweisen.

    „Die PrEP kann für Frauen in bestimmten Lebensphasen eine gute Schutzmöglichkeit vor HIV sein. Als Beraterin finde ich es wichtig, dies aktiv und natürlich bewertungsfrei in der Beratung anzusprechen“, erklärt LAG-Sprecherin Alexandra Frings. „Es ist wichtig, dass Frauen ihre Optionen kennen und alle Informationen dazu bekommen, um sich selbstbestimmt für eine PrEP entscheiden zu können.“

    Bei der PrEP nehmen HIV-negative Menschen ein HIV-Medikament ein, um eine Infektion zu verhindern. Dazu sind in Deutschland Präparate zugelassen und nach ärztlicher Verschreibung in ausgewiesenen Apotheken erhältlich. Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen.

    „Leider ist die PrEP noch immer nicht bei allen Ärzt:innen bekannt oder, schlimmer noch, akzeptiert. Immer wieder hören wir von Frauen, die Interesse an einer PrEP haben und dabei bei ihren Gynäkolog:innen auf große Vorbehalte stoßen“, so Nicole Hohenkirch von der aidshilfe dortmund. Daher sei es umso wichtiger, Frauen diesbezüglich umfassend zu informieren. Die Frauenberatungen der Aidshilfen klären darüber auf, dass mit der PrEP neben Kondomen bzw. Femidomen und dem Schutz durch Therapie eine dritte Möglichkeit besteht, sich vor HIV zu schützen und helfen den ratsuchenden Frauen, die jeweils beste Methode für sich herauszufinden.

    In Nordrhein-Westfalen leben etwa 3.400 Frauen mit HIV, nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Berlin wissen etwa zehn Prozent noch nichts von ihrer Infektion. Liegt der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der HIV-Infizierten bei etwa 19 Prozent, beträgt der Anteil von ihnen, die eine der Aidshilfen in NRW aufsuchen und hier Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen nutzen, bei über einem Viertel.

    XXelle, die Marke der landesweiten Frauenarbeit, bildet auf kommunaler, regionaler und landesweiter Ebene ein wichtiges Netz für Frauen mit HIV und Aids in NRW. In der seit 25 Jahren arbeitenden Landesarbeitsgemeinschaft Frauen und HIV/Aids in NRW sind Mitarbeiterinnen aus Aidshilfen und anderen Vereinen vernetzt.

    Weitere Informationen zur PrEP finden Sie unter https://www.aidshilfe.de/hiv-prep. Einen Bericht über den Weg einer jungen Frau zur PrEP lesen Sie unter http://www.xxelle-nrw.de/xxelle.

  2. IG BAU kritisiert „Karrierefalle Minijob“ – Frauen in Dortmund besonders stark von Folgen der Pandemie betroffen (PM)

    IG BAU kritisiert „Karrierefalle Minijob“ – Frauen in Dortmund besonders stark von Folgen der Pandemie betroffen

    Sie kümmern sich stärker um Haushalt und Kinder, haben niedrigere Einkommen und müssen häufiger um ihren Job fürchten: Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März hat die Gewerkschaft IG BAU vor einem Rückschritt bei der Gleichberechtigung in Folge der Corona-Pandemie in Dortmund gewarnt. „Insbesondere Minijobs werden in der Krise zunehmend zur Karrierefalle“, kritisiert Bezirksvorsitzende Gabriele Henter. Nach Angaben der Arbeitsagentur sind aktuell 59 Prozent der insgesamt rund 52.800 geringfügig entlohnten Arbeitsverhältnisse in Dortmund in Frauenhand. In der Gebäudereinigung liegt der Frauenanteil bei den 450-Euro-Stellen sogar bei 75 Prozent.

    „Geringfügig Beschäftigte gehen nicht nur beim Kurzarbeitergeld leer aus. Sie sind auch häufiger von Entlassungen betroffen“, so Henter. Die IG BAU plädiert dafür, die Minijobs in der jetzigen Form abzuschaffen und sozialversicherungspflichtig zu machen. Eine Anhebung der Verdienstgrenze auf 600 Euro, wie sie einige Arbeitgeberverbände fordern, liefe hingegen auf einen Ausbau prekärer Arbeitsverhältnisse hinaus.
    Zudem stehe das Ehegatten-Splitting einer echten Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt im Weg.

    „Durch hohe Abzüge in der Steuerklasse 5 bleibt vielen Frauen nur wenig vom Bruttoverdienst. Das führt auch zu geringen Arbeitslosenansprüchen und Einbußen beim Elterngeld“, kritisiert Henter. Die Politik müsse das Thema in diesem Wahljahr anpacken und eine Reform der Einkommenssteuer voranbringen.

    Die IG BAU Bochum-Dortmund verweist zugleich auf die gestiegene Belastung von Frauen in der Pandemie. „In Zeiten geschlossener Kitas und Schulen bleibt die Kinderbetreuung nach wie vor meist an den Frauen hängen. Hinzu kommen die Arbeit im Haushalt und die Pflege von Angehörigen“, unterstreicht Henter. Neben besseren politischen Rahmenbedingungen sei hier auch ein gesellschaftliches Umdenken nötig. „Männer, die beruflich etwas zurücktreten, können der Partnerin helfen, den nächsten Karriereschritt zu gehen und Lasten in der Familie fairer zu verteilen.“

    Nach einer repräsentativen Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung ist die durchschnittliche Erwerbsarbeitszeit von Frauen im Zuge der Corona-Krise stärker gesunken als die von Männern. Vor Ausbruch der Pandemie arbeiteten Frauen demnach im Durchschnitt fünf Stunden pro Woche weniger als Männer in einem bezahlten Job. Im Herbst 2020 betrug die Differenz bei Erwerbstätigen mit betreuungsbedürftigen Kindern elf Stunden pro Woche. Zwei Drittel der befragten berufstätigen Frauen mit Kindern gab an, in der Partnerschaft den größeren Teil der Kinderbetreuung zu übernehmen. Sieben Prozent sahen die Hauptverantwortung bei ihrem Partner, 27 Prozent sprachen von einer Gleichverteilung der Sorgearbeit.

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