150 Jahre SPD in Dortmund: Schauspiel feiert das Jubiläum mit dem Stück „Unsere Herzkammer“ von Rainald Grebe

Dortmund, Herzkammer der SPD: Was hier geschieht, geht aufs Ganze. Fotos: Birgit Hupfeld

Herbert Wehner prägte einst den Begriff von Dortmund als der „Herzkammer der Sozialdemokratie“. – Inzwischen ist die „alte Tante“ SPD in die Jahre gekommen. In diesem Jahr wird die Dortmunder SPD 150 Jahre alt. Bereits 1863 gründete Ferdinand Lassalle in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV), aus dem später durch einen Zusammenschluss mit der SAP die SPD hervorging. Eine Ortsgruppe des ADAV wurde fünf Jahre später – 1868 – auf Anregung des Schneidergesellen Joseph Rönsch in Dortmund gebildet. In ihrer 150-jährigen Geschichte hat die Dortmunder SPD durchaus viel bewegt. Dortmund ist der größte SPD-Unterbezirk. 

Große Geburtstagsfeier für die Jubilarin am Dortmunder Schauspiel

Das Schauspiel Dortmund richtet der Jubilarin eine große Geburtstagsfeier aus. „Unsere Herzkammer“ heißt die neue große musikalische Schauspiel-Produktion. Premiere wird am kommenden Samstag, dem 30. März 2019, sein.

Ein Glücksfall: Für die Regie konnte der Sänger, Musiker, Kabarettist, Schauspieler, Autor, Regisseur, Komponist und Puppenspieler Rainald Grebe gewonnen werden.

Während eines Pressegesprächs bekannte Michael Eickhoff, Chefdramaturg am Schauspiel Dortmund, auch im Namen der SchauspielerInnen, man „sei sehr sehr glücklich, dass Rainald Grebe hier sei und mit ihnen probiert“. 

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Dafür, dass man fünf Tage vor der Premiere sei, gehe es „erstaunlich entspannt zu“, stellte Eickhoff zufrieden fest. Grebe erwiderte verschmitzt: „Das ändert sich noch.“

Rainald Grebe entwickelte das Stück zusammen mit dem Ensemble

Das Stück, so Grebe, habe er mit dem Ensemble zusammen entwickelt. Das sei seine Art: Zu Probenbeginn gebe es von ihm nur einen Zettel mit ein paar Szenenvorschlägen.

Es sei dabei keine historische Dokumentation entstanden, sondern „eine Mischung aus Ortsvereinssitzung, musikalischer Arbeiterlieder-Revue mit merkwürdigen Klängen und gewissen Personen aus der SPD-Geschichte, die aus der Pathologie kommen und mal was sagen“. Wo quasi die Parteigeschichte „bunt durcheinandergewürfelt wird“. Auf sie werden Schlaglichter geworfen. 

Das Mittel der Ironie fände in der Inszenierung durchaus auch Anwendung, erfahren die Presseleute. Und es gehe darin u.a. auch darum, was uns etwa Rosa Luxemburg, Ferdinand Lassalle oder Kurt Schumacher – alle haben früher einmal in Dortmund gesprochen – heute zu sagen hätten. 

Ein Stück Zeitgeschichte werde also so auf diese Weise jeweils ebenfalls angerissen. Des Weiteren habe man Gäste da: Den Männergesangsverein „Harmonie“ der Zeche Victoria, Lünen und den Chor der Dortmunder Tafel  (von der wird es übrigens einen Stand im Theater geben). 

Theater mit innewohnender Leidenschaft, bei dem das Herz aufgehen kann

Alle anderen Jubiläumsgäste, informierte Rainald Grebe, spielten die SchauspielerInnen aus dem Dortmunder Ensemble alle selbst. Dabei sind Andreas Beck, Christian Freund, Caroline Hanke, Marlena Keil, Uwe Schmieder, Anke Zillich und Ingeborg May. 

Das Stück habe mit dem auf der Bühne ablaufenden Jubiläum einen Rahmen und so handele es sich deshalb durchaus um Theater, merkte Rainald Grebe an. Und zwar eines mit Leidenschaft, „bei dem einem auch mal das Herz aufgeht – Stichwort: Herzkammer“. 

Der im Stück vorkommende, „für 150 Euro engagierte DJ, der das Fest bespaßt“ gebe schon einmal ironische Kommentare von sich, „und ein paar Leiharbeiter“ kämen als Figuren zum Kellnern auf der Szene vor. Rainald Grebe: „Im Stück geht es schon auch mal zur Sache …“

Woher bezieht der Antrieb der GenossInnen seine Energie?

Eigentlich, war Rainald Grebe mit der Idee über die SPD etwas zu machen zunächst gar nicht so glücklich: „Schon wieder da draufhauen, nee …“ Aber man könne es ja auch anders machen. Und so habe er sich schließlich dann doch damit angefreundet etwas über die „alte Tante“ zu machen. 

Chefdramaturg Eickhoff: Je länger man sich nämlich inhaltlich mit dieser Partei beschäftige, desto mehr verstehe man , dass es da bei den Mitgliedern einen starken, leidenschaftlichen Antrieb gebe, sich dem Ringen um eine ganz bestimmte Politik zu verschreiben. 

Früherer SPD-Vizevorsitzender Franz Müntefering wird die Aufführung besuchen

Für das Stück ist mit vielen alten SPD-Genossen, aber auch welchen aus der aktiven Politik gesprochen worden. Interviews seien, so Michael Eickhoff, im Vorfeld beispielsweise mit den beiden aktuellen SPD-Landtagsabgeordneten Nadja Lüders und Volkan Baran sowie mit der ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Gerda Kieninger geführt worden. 

Ebenfalls getroffen habe man den 89-Jährigen SPD-Politiker Hans-Eberhard Urbaniak. Mit dem früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering sei ebenfalls ein Gespräch geführt worden. Müntefering übrigens, war zu erfahren, wird sich das Stück anschauen.

Man habe einfach wissen wollen, warum diese Menschen offenbar eine innere Notwendigkeit verspürt hätten sich als Politiker in der SPD zu engagieren und warum sie dafür ein Großteil der eigenen Lebenszeit bereit waren darauf zu verwenden.

„Politikverdrossenheit“: Zumindest mit Parteien haben junge Leute heutzutage kaum noch etwas  am Hut

Uwe Schmieder

Auch mit jungen Leuten ist man zu Informations- und Orientierungszwecken ins Gespräch gekommen. Die allerdings hätten heutzutage kaum noch etwas mit Parteien am Hut, erzählte der Chefdramaturg. Sie engagierten sich jedoch vielfältig anderweitig.

Rainald Grebe gestand, er habe – gerade, wenn er Lokalpolitiker treffe – hohen Respekt vor deren Fachkompetenz, die die auf verschiedenen Gebieten haben müssten. Bedauerlicherweise könnten sie in Umfragen sowie bei Wahlen schnell „eine Arschkarte“ kassieren, für Geschichten – für die sie oft unmittelbar gar nicht verantwortlich seien. 

Interesse bei Dortmunder SPD und in Parteizentrale

Interesse am Stück werde schon jetzt natürlich zuvörderst in Dortmund, aber wohl auch im Willy-Brandt-Haus in Berlin, wo Grebe Kontakte habe und schon mal vorgelassen werde, registriert. 

Die Geschichte die das Stück transportiert ist die 150-Jahrfeier des Ortsvereins. Aufgenommen werde darin sozusagen eine tatsächlich im vergangenen Jahr am Phönix-See stattgefunden habende Feier des Ortsvereins der SPD. Rainald Grebe schildert kurz den Ablauf auf der Bühne: „Es gibt einen Vereinsaal, wo „Kuchen gespachtelt“ wird und Würstchen verspeist werden – das geht dann bis in den Abend hinein. 

Ein Journalistenkollege fragte, ob Grebe denn auch selber auftreten werde. Der Regisseur entgegnete leicht geheimnisvoll: „Vielleicht – manchmal mache ich das – bei der Premiere. Ich bin ja dann noch da.“

Michael Eickhoff zur Inszenierung: „Es gibt auch was zu lachen“

Das potentielle Publikum (Stand: 26.3.: es gibt noch Restkarten) der Premiere am kommenden Samstag darf auf jeden Fall gespannt sein. Es wird keineswegs auf das Abspulen trockener SPD-Parteigeschichte hinauslaufen. Das wird garantiert. Chefdramaturg Eickhoff versprach: „Es gibt auch was zu lachen.“

Und „wer Rainald Grebe und seine Neigung zum schwarzen Humor kennt, weiß“, verrät die Presseinformation,  dass dies nicht alles ist … sein wird: Wo und wofür steht die SPD heute, auf was darf sie hoffen? Gespannt wartet man auf die Gäste aus nah und fern zur Feier der Jubilarin und ihre musikalischen Überraschungen. 

Vier Multiinstrumentalisten musizieren auf einer Vielzahl von Instrumenten 

Andreas Beck

Die erste Stückentwicklung und Regie Rainald Grebe am Schauspiel Dortmund wartet neben den SchauspielerInnen übrigens auch mit vier Multi-Instrumentalisten auf. Gespielt werden von denen eine Vielzahl von verschiedenen Instrumenten.

Zum Erklingen gebracht werden u.a. auch die türkische Langhalslaute Saz und gewissermaßen ihr indisches Pendant, die Sitar. Die Band besteht aus Umut Akkuş, Tobias Bülow, Jens-Karsten Stoll sowie Markus Türk, der – wie Michael Eickhoff zu sagen wusste – als „Miles Davis vom Niederrhein“ gilt.

Vorkommen soll in der Inszenierung auch das – unvermeidliche? – Steigerlied, wurde verraten: allerdings, versprach Regisseur Grebes, in neuer Variante. So das Publikum mitsingen möchte, kann es das: Textzettel würden ausgelegt. 

Die Uraufführung „Unsere Herzkammer“, die neue große musikalische Schauspiel-Produktion, läuft am Schauspiel Dortmund bis zum 5. Juli 2019.

Premiere ist am kommenden Samstag um 19.30 Uhr. Mit Live-Musik und dem Ensemble des Schauspiel Dortmund.

 

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Weitere Informationen:

Zu Rainer Grebe:

Rainald Grebe ist Sänger und Musiker, Kabarettist und Schauspieler, Autor und Regisseur, Komponist und Puppenspieler. Er liebt echten Indianerfederschmuck und falsche Bärte. Er ist der Großmeister des kabarettistischen Wahnwitzes und schenkte Dörte ein Liebeslied und Brandenburg eine ganze Hymne. 

Er verführt mit seiner Sprachgewalt, spinnt uns ein in seine dadaistische Komik, seinen klugen anarchischen Unsinn und lässt uns hart in der Wirklichkeit aufschlagen. Vermutlich kann Rainald Grebe fast alles – und noch ein bisschen mehr. 

Wahrscheinlich kann er sich deshalb zwischen Kabarett und Theater nicht entscheiden. Jüngste Arbeiten am Theater widmete er dem Weltklima (Centraltheater Leipzig), analogen Aufbrüchen ins Digitale (Schauspiel Hannover) oder dem Effzeh! Effzeh! (Schauspiel Köln). „Unsere Herzkammer“ ist seine erste Stückentwicklung und Regie am Schauspiel Dortmund.

Reader Comments

  1. Grünen-Kreisverband Dortmund (Pressemitteilung)

    Dortmund gehört den Dortmunder Bürger*innen!

    Die Grünen in Dortmund kritisieren die Äußerungen von Thomas Westphal (SPD) zum Theaterstück „Unsere Herzkammer“. Insbesondere der Satz „Dortmund ist unsere Stadt“ irritiert Julian Jansen, Sprecher des Dortmunder Kreisverbands: „Das Selbstbild, das Thomas Westphal hier von der SPD zeigt, ist für eine demokratische Partei verstörend. Eine Stadt gehört nie einer Partei, sie gehört den Bürger*innen.
    Seit 1999 hat die SPD keine absolute Mehrheit mehr. Sie muss akzeptieren, dass ein Großteil der Stadt nicht mehr mit der SPD verbunden ist. Von „unserer Stadt“ kann nicht die Rede sein.“

    Katja Bender, Sprecherin des Kreisverbands: „Der Satz zeigt, welches Denken in der SPD vorherrscht: ein automatischer Anspruch auf politische Macht und Verwaltung. In Dortmund gibt es jedoch kein Anrecht auf den Einfluss einer einzelnen Partei. Die Bürger*innen müssen immer wieder von politischen Konzepten und Ideen überzeugt werden. Politik – egal welcher Partei – bedarf immer der demokratischen Legitimation“.

  2. Die SPD und die NS-Vergangenheit: Kristina Meyer referiert in der Steinwache (PM)

    Aus den Trümmern des „Dritten Reiches“ eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft aufzubauen, dies war das erklärte Ziel der SPD nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dafür jedoch waren ihre vielfach aus Haft und Emigration zurückgekehrten Funktionäre auf die Unterstützung von Millionen ehemaliger „Volksgenossen“ angewiesen.

    In einem Vortrag am Donnerstag, 29. September, 19 Uhr in der Gedenkstätte Steinwache (Steinstraße 50) legt Dr. Kristina Meyer den Fokus auf die Auseinandersetzung der Nachkriegs-SPD mit den Widerstands- und Verfolgungserfahrungen ihrer Mitglieder.

    Den vergangenheitspolitischen Weg der SPD in der alten Bundesrepublik beschreibt sie als eine permanente Gratwanderung zwischen dem Streben nach Aufarbeitung der NS-Geschichte und den Bedürfnissen nach „innerer Versöhnung“.

    Dr. Kristina Meyer bekam 2015 den Willy-Brandt-Preis für Zeitgeschichte für ihre Dissertationsschrift „Die SPD und die NS-Vergangenheit 1945-1974“. Sie ist Co-Sprecherin des SPD-Geschichtsforums und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung in Berlin.

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