Nach Polizeiangaben haben am Sonntag (18. Oktober 2020) 1.100 Menschen an einer Demonstration der „Querdenken“-Bewegung teilgenommen. Der Anmelder hatte eigentlich mit rund 3.000 Personen gerechnet. Die Teilnehmenden hielten sich zähneknirschend an die polizeilich verordnete Maskenpflicht. Allerdings gab es eine überraschend hohe Anzahl von Menschen, die Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht vorlegten – einige davon jedoch waren gefälscht. Gegen diese Personen wurde ebenso Strafanzeigen gefertigt wie gegen zwei weitere, die einen Davidstern mit der Aufschrift „Ungeimpft“ trugen – gegen sie wird wegen Volksverhetzung ermittelt.
Auflage der Polizei: Maskengegner*innen mussten eine Mund-Nase-Bedeckung tragen
Ursprünglich sollte die Demonstration auf dem Dortmunder Hansaplatz starten und enden, doch weil dort bereits der Aufbau des berühmten Weihnachtsbaums begonnen wurde, mussten die „Querdenker*innen“ auf den Friedensplatz ausweichen.
Obwohl das offizielle Programm erst um 15 Uhr beginnen sollte, fanden sich bereits gegen 13 Uhr die ersten Teilnehmenden vor dem Rathaus ein. Auch einzelne Gegendemonstrant*innen und Mitglieder der Partei „Die Partei“ hatten sich mit selbstgebastelten Schildern auf dem Platz eingefunden. Sie wurden von den „Querdenker*innen“ angepöbelt.
An den Zugängen des Friedensplatzes kontrollierte die Polizei vereinzelt, ob die Teilnehmenden eine Mund-Nase-Bedeckung trugen oder ein entsprechendes Attest vorweisen konnten. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung gehörte ebenso zu den Auflagen, die die Versammlungsbehörde und das Gesundheitsamt der Stadt Dortmund erarbeitet hatte, wie auch das Einhalten von Mindestabständen.
Ein „Hobby-Virologe“ auf der Bühne kennt die Wahrheit, weil er bis nachts am PC sitzt
„Gegen gesundheitsgefährdendes Verhalten werden wir entschlossen und konsequent einschreiten. Gegen das Virus ist niemand resistent“, hatte der Leitende Polizeidirektor Udo Tönjann angekündigt.
Weil viele Demonstrierende keinen Mund-Nasen-Schutz trugen oder diesen wieder abnahmen, nachdem sie die Polizist*innen passiert hatte, musste die Polizei mehrfach Kontakt zum Veranstalter aufnehmen, um diesen auf die Einhaltung der Auflagen hinzuweisen.
Während der Auftaktkundgebung wurde – wie üblich – die Gefährlichkeit des Corona-Virus geleugnet und behauptet, dass die „Systemmedien“ und Politiker*innen die Bevölkerung belügen würden und Deutschland sich erneut in dem Zustand einer Diktatur befinde. Als Beleg führte ein Redner, der sich selbst als „Hobbyvirologe“ bezeichnete, an, dass er bis in die Nacht am PC sitze und deshalb die Wahrheit kenne.
200 Atteste zur Maskenbefreiung – in Chats werden Ärzt*innen genannt, die Blankoatteste ausstellen
Gegen 16 Uhr starteten die „Querdenker*innen“ ihren Aufzug, der sie einmal rund um den Wall führte. Dabei sollten sie laut polizeilicher Auflage in Reihen mit jeweils fünf Personen laufen und weiterhin eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Ausgenommen davon waren die rund 200 Personen, die ein ärztliches Attest vorweisen konnten.
Für Polizeipressesprecher Oliver Peiler eine überraschend hohe Anzahl. Bei der Kontrolle der Atteste stellte die Polizei fünf gefälschte Atteste fest und fertigte Strafanzeigen. In den Chatgruppen der „Querdenker*innen“ wird immer wieder auf gleichgesinnte Ärzt*innen hingewiesen, die Blankoatteste ausstellen. Die Richtigkeit der Atteste könne vor Ort nicht immer überprüft werden, so Peiler. „Das sind jeweils aufwendige Einzelfallprüfungen.“
Dass die Maskenpflicht während der Demonstration von den Teilnehmenden zu großen Teilen eingehalten wurde, sorgte in den Chats der „Querdenker*innen“ übrigens für Diskussionen. Einige waren mit dem Vorgehen nicht einverstanden, weil sie die Maske für ein Symbol der Unterdrückung halten.
Demo ohne Zwischenfälle – Polizei setzt erstmals eine Drohne zur Kontrolle der Abstände ein
Der Aufzug über den Wall verlief ohne Zwischenfälle. Die Dortmunder Polizei setzte erstmals eine Drohne ein, um die Einhaltung des Infektionsschutzes zu kontrollieren.
Die Demonstration endete dort, wo sie begonnen hatte. Auf dem Friedensplatz kam es bei der Abschlusskundgebung zu einem Zwischenfall: Eine Frau hatte sich Zugang zur Bühne der „Querdenker*innen“ verschafft und bezeichnete diese als „Nazis“.
Daraufhin versuchte ein Redner über das Mikrofon eine Strafanzeige wegen Beleidigung zu stellen. Dabei betonte er, dass es sich um eine Kollektivbeleidigung handle. Im Jahr 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass es sich bei einer solchen Kollektivbeleidigung nicht um strafbare Beleidigung handle, sofern sich die Äußerung nicht „auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht.“
Polizei fertigte mehrere Strafanzeigen – auch wegen Volksverhetzung
Des Weiteren fertigte die Polizei zwei Strafanzeigen wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Zwei Teilnehmende der „Querdenken“-Demonstration trugen gelbe Davidssterne mit der Aufschrift „Ungeimpft“. Eine Symbolik, die in der Bewegung beliebt ist.
Teile der „Querdenken“-Bewegung vergleichen sich immer wieder mit den Jüdinnen und Juden, die während des Nationalsozialismus ausgegrenzt und später deportiert und systematisch ermordet wurden. Polizeisprecher Peiler stellt klar, dass Antisemitismus auf solchen Demonstrationen nicht zu dulden sei. „Mit solchen Symbolen versuchen sich die Teilnehmer in eine Opferrolle zu bringen. Damit verharmlosen sie den Holocaust.“
Peiler gibt aber zu bedenken, dass dies häufig unterhalb der Strafbarkeitsschwelle geschehe. In der Vergangenheit wurden auf „Querdenken“-Demonstrationen auch immer wieder antisemitische Verschwörungserzählungen verbreitet, die beispielsweise hinter dem Coronavirus den jüdischen Investor George Soros oder sogenannte „Neue Weltordnung“ vermuten. Letztere ist eine weitere antisemitische Verschwörungserzählung, die neben jüdischen Familien auch „Freimaurer“ oder „Illuminaten“ zu heimlichen Weltherrschern erklärt.
Es gibt viele Gründe, warum mich die s. g. #Querdenker anwidern. Das hier ist einer davon, gesehen heute bei deren Demo in Dortmund#Querdenken #do18010 pic.twitter.com/hCCxGCYZA3
— Roland Geisheimer @Geisheimer@ruhr.social (@RolandGei) October 18, 2020
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