Entspanntes Kultur- und Familienfest im Westfalenpark; davor die traditionelle 1. Mai-Demo des DGB vom Platz der Alten Synagoge aus. Alles wie gehabt: Dortmund ist Vielfalt – und kann Vielfalt, zigmal bewiesen. Aber das ist kein Selbstläufer. Und funktioniert auf Dauer nicht ohne Solidarität und Gerechtigkeit. Deshalb sind gewerkschaftliche Forderungen danach ebenso an die Große Koalition wie gegen rechte Hinterwäldler gerichtet. – Ansonsten gab es am „Tag der Arbeit“ eine Demo in der Demo und eine zweite vom Sonnenplatz in die Nordstadt.
Breit angelegtes Bündnis um den DGB will Druck auf Große Koalition in Berlin ausüben
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat seine diesjährigen Maiveranstaltungen bundesweit unter das Motto „Solidarität – Vielfalt – Gerechtigkeit“ gestellt. Denn was die Große Koalition an Reformen für ArbeitnehmerInnen plant, geht den GewerkschafterInnen nicht weit genug. Hier sollte ein Zeichen gesetzt werden. Und dafür eignet sich der internationale Kampftag der ArbeiterInnen bestens.
Ausdrücklich hat der DGB in seinem Mai-Aufruf 2018 „mehr soziale Gerechtigkeit, mehr solidarische Politik, mehr Förderung der Vielfalt“ gefordert. Druck auf die Bundesregierung solle ausgeübt werden für eine Politik in Richtung „Solidarität statt gesellschaftliche Spaltung und Ausgrenzung, klare Kante gegen Rassismus und extreme Rechte“, heißt es in der Erklärung.
Damit war die inhaltliche Stoßrichtung der Maidemonstrationen vorgegeben, um genau diesen Druck zu erzeugen. An den vom DGB-Dortmund organisierten Veranstaltungen beteiligte sich neben demokratischen Parteien und Jugendorganisationen ein breites Bündnis weiterer zivilgesellschaftlicher Akteure am friedlichen Protest.
Demonstrationszug der GewerkschafterInnen wird durch Protest im Protest aufgehalten
Zunächst an der traditionellen Demonstration vom Platz der Alten Synagoge am Stadttheater ab 11 Uhr in den Westfalenpark, dann zum Abschluss bei der dort in eher familiär-multikultureller Atmosphäre ausgerichteten Festveranstaltung. Entsprechend bunt und locker ging es zu.
Allerdings erreichte der DGB-Maiumzug Dortmunds größte Kulturfläche in naturgrün erst mit einiger Verspätung. Auf der Route zum Park war es immer wieder zu kleinen Verzögerungen durch eine „Gruppe K“ aus dem etwas radikaler aufgestellten linken Spektrum gekommen.
Auf einem von der Gruppe zeitweilig im Zug mitgeführten Transparent wurde nämlich scharfe Kritik am DGB laut – was die verantwortlichen OrganisatorInnen aus den Gewerkschaftsreihen wiederum dazu veranlasste, freundlich dessen Entfernung zu fordern. Mit entsprechend kleinem Hickhack in der Folge, das aber zu jeder Zeit sportlich blieb.
Was im Übrigen nicht alle so gesehen haben mögen: Aus dem Hauptdemonstrationszug wurden verschiedentlich Rufe laut, die dem Protest im Protest mangelnde Solidarität vorwarfen. Und um die ging es den VeranstalterInnen ja schließlich.
Statt große Reden: entspanntes Miteinander beim Kultur- und Familienfest im Westfalenpark
Endlich im Westfalenpark angekommen – inmitten von Infoständen, Spielanlagen für die Kleinsten, Kulinarischem für den kleinen Hunger und anderen Spezialitäten – konnte es dann losgehen. Das friedliche Miteinander in Vielfalt, entspannt, wohin das Auge schaut. Und, nicht zum ersten Mal in diesem Jahr: ohne lange Reden von der kleinen Festbühne.
Dafür schilderten eingangs einige Jugendliche aus verschiedenen Betrieben die Situation an ihrem Arbeitsplatz. Statt traditioneller Emphase in Sachen Arbeiterrechte also eher Konkretes von jungen Menschen darüber, wo es in ihrem Arbeitsalltag hakt, was verändert werden müsse. Eingeladen waren ebenfalls Jugendliche aus Dortmunder Partnerstädten.
In einer kurzen Ansprache bezieht sich Jutta Reiter, Vorsitzende des DGB Dortmund-Hellweg, natürlich auf die Leitmotive der Veranstaltung. Und sie betont ganz besonders einen wichtigen, sehr plausiblen, aber immer wieder leicht übersehenen, weil unterschätzten Aspekt ihres Impulses.
Jutta Reiter warnt vor den möglicherweise fatalen Folgen einer „Politik der Ankündigung“
Demokratische und solidarische GewerkschafterInnen könnten sich nämlich ein „Weiter-So“ schlicht nicht leisten, so die Dortmunder DGB-Chefin. Ihre Begründung ist eindeutig: „Denn bleibt es bei einer Politik der Ankündigung, kehren immer mehr Menschen der Demokratie den Rücken und laufen den Rattenfängern von Rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien hinterher.“
Will heißen: Wenn in der Wahrnehmung vieler BürgerInnen den Worten der Politik nicht wirkliche Taten folgen, sieht es mau aus. Dann besteht die Gefahr, dass die viel beklagte Politikverdrossenheit allein Verdrießlichkeit gegenüber den demokratischen Parteien bedeutet – mit einem parallel offenen Ohr für Demagogen, die penetrant Ängste schüren und das Blaue vom Himmel in einem von Fremdeinflüssen gereinigten Land versprechen, aber nichts halten werden.
Weil eine nationalstaatlich abgeschottete Welt nicht mehr funktioniert, zumindest nicht in Mitteleuropa. Deswegen warnt Jutta Reiter ausdrücklich vor jenen geistigen Brandstiftern, die Fremdenfeindlichkeit und Rassismus schürten – damit Übergriffe auf Minderheiten, Andersgläubige zu verantworten hätten. Und sieht die Politik in der Pflicht, dies zu verhindern.
AnarchistInnen ziehen nach Kundgebung am Sonnenplatz aus dem Kreuzviertel in die Nordstadt
Rund ums anarchistische Verständnis von Gesellschaft gruppieren sich einige
Stunden später gut 200 vorwiegend junge Menschen am Sonnenplatz zu ihrer Mai-Demo; von Anarcho-SyndikalistInnen bis zu kosmopolitischen FreidenkerInnen ist alles vertreten.
Hier wird selbstverständlich Schwarz getragen. Ebenso wie die skandierten Parolen im Vergleich zur vorherigen Kundgebung ein wenig variieren.
Auffällig etwa: Wurde bei den GewerkschafterInnen „internationale Solidarität“ gefordert, wird hier Wert auf strikten Antinationalismus gelegt. In der Solidarität zwischen den Nationen scheint den DemonstrantInnen noch zu viel „Nation“ zu liegen.
Aber vielleicht liegen sich die beiden Lager nicht in jeder Hinsicht gegenseitig so quer im Magen, wie es scheint: Zur Auftaktkundgebung am Sonnenplatz spricht ein Vertreter des Bündnisses „Make Amazon Pay“.
Was er unter anderem im Kern fordert, dagegen dürfte kaum ein Gewerkschafter etwas haben – dass sich nämlich die Beschäftigen beim Logistik- und Versandriesen ungehindert über eine Interessenvertretung organisieren können, um ihre Rechte wahrzunehmen.
Reader Comments
Rosa Eich
An der Berichterstattung über die DGB-Demonstration möchte ich etwas richtigstellen, ich habe die Szene in der Saarlandstraße nämlich beobachtet und war entsetzt. Die Leute vom DGB haben die Entfernung des gewerkschaftskritischen Transparents damit begründet, dass sie das Hausrecht auf dieser Veranstaltung hätten und sich deshalb so etwas verbieten können. Dann haben sie mit Räumung durch die Polizei gedroht. Als die Leute sich der Forderung durch die DGB-Offiziellen nicht gebeugt haben, haben zunächst die Ordner eingegriffen – etwas mehr als „sportlich“, würde ich sagen. Dann wurde tatsächlich die Polizei gerufen! Das fanden wiederum viele Demonstranten blockübergreifend unerhört und haben dagegen protestiert („das ist hier unsere Demo,“, war beispielsweise zu hören und „auch wenn ich nicht der Meinung dieser Gruppe bin, ist es linke Solidarität, dass die ihre Kritik äußern dürfen“). Daraufhin hat die Demo-Führung schließlich eingelenkt – zumal die Polizei selbst nicht scharf darauf war, die Situation zu eskalieren.
Insgesamt jedenfalls ein Ding, dass der DGB die Polizei gegen seine eigenen Mitglieder einsetzt, wenn deren Meinung ihm nicht passt!
Werner Beinhart
Ich weiß nicht vorher die/der Autor/in die Information nimmt, es wäre alles „sportlich“ geblieben bzw. was er/sie darunter versteht. Die Kritik der Gruppe K am DGB lautet: Dieser schwingt sich zum Stellvertreterverein aller Lohnarbeiter/innen in Deutschland auf und behauptet deren Interessen seien mit denen der Arbeitgeber/innen vereinbar. Dabei ist es doch der DGB der Massenentlassungen, Lohnkürzungen und der Agenda 2010 zugestimmt hat. Alles im Sinne des kapitalistischen Standorts und gegen die Interessen der Arbeiter/innen, was seinen Auftrag als heuchlerisch entlarvt. Diese Kritik findet sich auf den Transparenten der Gruppe K mit „Klassenkampf statt Standort-Nationalismus“ und „Deutschlands Erfolg auf unsere Kosten, dabei hilft der DGB!“ wieder.
Das hat den Ordnern nicht gepasst und sie haben sogleich das Einrollen der Transparente verlangt als Voraussetzung weiterhin Teil der Demo zu bleiben. Als die Gruppe K sich weigerte, bildeten die Ordner des DGBs eine Menschenkette um ein Weitergehen zu verhindern. Die Gruppe wagte einen Vorstoß wobei sie beide Seiten der Kette umging. Daraufhin lies die Vorsitzende des DGBs die Polizei holen, welche die Gruppe K auf Grundlage des Hausrechts räumen sollte. Mittlerweile hat sich aber ein großer Teil der Demo, u.a. Genossen aus der Türkei und dem anarchistischen Spektrum, solidarisiert. Daraufhin weigerte sich die Polizei eine Räumung vorzunehmen und der Zug ging weiter.
Also lässt der DGB nicht einfach nur keine Kritik zu ( der er sich ja hätte stellen können ), sondern er will, dass die Leute ohne Transparent mit weitermarschieren um seine Vereinnahmung geltend zu machen. Später versuchten die Ordner die Gruppe K noch am Betreten des Westfalenparks zu hindern und wollten abermals die Polizei dafür instrumentalisieren, welche dafür jedoch keine rechtliche Grundlage hatte und somit keine Sperrung vornahm.
Gerd Pfisterer
Es gibt eine formal juristische und ein politische Ebene der Auseinandersetzung: Formal juristisch ist eine kritische Äußerung auf einer Demo durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Entscheidend halte ich die politische Auseinandersetzung. Die Kritik des Transparentes richtet sich gegen eine Politik des Co-Managemants und Klassenzusammenarbeit verschiedener führender Gewerkschaftsfunktionäre, die dazu führt, die Interessen der Beschäftigten den Profitinteressen der Konzerne unterzuordnen. Diese Politik widerspricht den ureigensten Aufgaben der Gewerkschaften, Interessenvertretung der Arbeiterinnen und Arbeiter zu sein und die sind im Kapitalismus denen der Unternehmer diametral entgegengesetzt. Die Millionen Gewerkschaftsmitglieder sind in die Gewerkschaft eingetreten, weil sie die Gewerkschaften als Kampforganisation wollen. Deshalb ist es falsch, pauschal die Gewerkschaften zu kritisieren. Diese Auseinandersetzung ist sehr wichtig und muss in den Gewerkschaften ausgetragen werden, weil sie über die Zukunft der Gewerkschaften und damit einen sehr wichtigen Teil der Arbeiterbewegung entscheidet. Diese Auseinandersetzung muss aber argumentativ geführt werden und nicht mit administrativen Maßnahmen und schon gar nicht mit Hilfe der Polizei! Deshalb war es richtig, dass die Mehrheit der Demonstranten es abgelehnt und verhindert hat, dass der Block mit dem Transparent aus der Demo entfernt werden konnte.