Zwischen Zuversicht und Zögern: Pandemie schlägt sich auch in der Kriminalstatistik nieder – Zunahme von Sexualdelikten

Das Amtsgericht Dortmund hat eine viermonatige Haftstrafe auf Bewährung für die Beleidigung und den Widerstand gegen Vollzugsbeamte verhängt.
Die Dortmunder Polizei hat die Kriminalstatistik 2020 vorgestellt. Archivfoto: Alex Völkel

Von Gina Thiel

Bei der Betrachtung der Zahlen der Dortmunder Kriminalstatistik für das Jahr 2020 ist eine differenzierte Betrachtung wohl wichtiger als je zuvor. Einerseits hat Dortmund einen neuen Tiefstand bei der Anzahl der Wohnungseinbrüche verzeichnen können, vor dem Hintergrund des Corona-Jahres und Lockdown-Jahres ist das allerdings nur bedingt positiv zu bewerten. Andererseits hinterlässt die dafür deutlich gestiegene Anzahl an Sexualdelikten, besonders im Hinblick auf die Herstellung und Verbreitung kinderpornografischer Schriften, erstmal ein flaues Gefühl im Magen, zeigt aber auch, dass die Taten endlich strafrechtlich verfolgt und aufgedeckt werden.

Gewaltkriminalität erreicht ein Zehn-Jahres-Tief – Straßenkriminalität trotz Lockdown gestiegen

Polizeipräsident Gregor Lange machte bei der Vorstellung der Dortmunder Kriminalstatistik die Lage noch einmal deutlich „Es ist kein normales Jahr, auf das wir zurückblicken.“ Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger Zahlen einzuordnen. Die Dortmunder Polizei hat nach eigener Einschätzung in den vergangenen Jahren viel erreicht. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2020 fort.

Insgesamt spricht Lange von einem Straftatenrückgang von 30 Prozent seit 2014. Dieser Rückgang konnte auch im vergangenen Jahr gehalten werden. Damit ist Dortmund auf dem dritten Platz im Städtevergleich von Nordrhein-Westfalen.

Das sei ein positives Zeichen, auf dem sich die Polizei trotzdem nicht ausruhen wolle „Wir als Polizei werden nicht zufrieden sein. Wir möchten immer noch ein bisschen mehr erreichen, aber wir blicken zuversichtlich in die Zukunft“, betont Lange.

Die Gewaltkriminalität ist auf einem Zehn-Jahres-Tief angekommen, mit 2.395 Straftaten für das Jahr 2020 – zum Vergleich, im Jahr 2015 waren es noch 851 Straftaten mehr und auch die Aufklärungsquote konnte seit dem Jahr 2017 stetig erhöht werden. Im Bereich der Straßenkriminalität ist trotz des Lockdown-Jahres 2020 ein leichter Anstieg der Taten zu sehen.

Polizeipräsident Gregor Lange bei der Pressekonferenz zur Kriminalstatistik für 2020. Foto: Gina Thiel

Im vergangenen Jahr wurden 14.681 Straftaten erfasst, während es im vorherigen Jahr knapp 1.000 Straftaten weniger waren (13.668) und auch die Aufklärungsquote ist in diesem Zusammenhang stark gesunken.

Eine Vermutung der Dortmunder Polizei für den Anstieg der Zahlen sei, dass viele Menschen in ihrem Aktionsradius eingeschränkt wurden. Durch geschlossene Clubs, Fitnessstudios und andere Freizeitaktivitäten sei die Frustration und das Aggressionspotential vieler Menschen gestiegen.

Diese angestauten Aggressionen könnten sich dann wiederum in Sachbeschädigung und ähnlichen Delikten entladen haben, so die Vermutung von Polizeipräsident Gregor Lange. Im vergangenen Jahr gab es allein 255 erfasste Straftaten im Bereich der Sachbeschädigung an Kraftfahrzeugen.

Polizeipräsident: „Das ist ein echter Hammer, was da in den letzten Jahren passiert ist.“

Während die Stadt Dortmund in den letzten Jahren bundesweiter Negativ-Spitzenreiter im Bereich Wohnungseinbruch war, ist dieser Trend die letzten Jahre immer weiter zurückgegangen und hat in diesem Jahr einen neuen Tiefstand erreicht.

Gerade einmal 1.000 erfasste Wohnungseinbrüche hat es im vergangenen Jahr gegeben. Dabei spielen natürlich auch Pandemie-Faktoren eine Rolle, die Menschen befanden sich mehr als jemals zuvor in den eigenen vier Wänden, dank Homeoffice und Lockdown.

Die Pandemie sei aber nur eine Erklärung, sagt Lange. Sie erkläre aber nicht den Gesamtrückgang der letzten Jahre. Zum Vergleich: 2015 wurden in Dortmund noch 3.357 Wohnungseinbrüche verzeichnet. „Das ist ein echter Hammer, was da in den letzten Jahren passiert ist“, gibt Lange freudig zu. Damit seien Dortmunder Bürger*innen erstmals dem geringsten Risiko des Wohnungseinbruchs ausgesetzt, im Vergleich mit Städten wie Düsseldorf, Köln oder Essen.

Nur teilweise positive Nachrichten gibt es im Bereich der Raubüberfälle. Die Zahlen sind im Gegensatz zum Vorjahr 2019 leicht gestiegen. Ursache dafür sieht die Dortmunder Polizei vor allem in der Raubserie durch Jugendliche in Aplerbeck. Die Dortmunder Polizei habe dem, wie versprochen, mit allen Mitteln entgegengewirkt und die Polizeipräsenz im Vorort deutlich verstärkt, so Lange. Dank der umfangreichen Ermittlungen konnten die jugendlichen Straftäter ermittelt und die Tat-Serie gestoppt werden. Seitdem seien die Zahlen in diesem Bereich auch wieder rückläufig, erklärt die Dortmunder Polizei.

Sexualdelikte mit deutlichem Anstieg – tendenziell allerdings vorsichtig positiv zu bewerten

Durch die Einführung des Paragraphen §184i StGB (sexuelle Belästigung) im Jahr 2018 konnte man damals schon einen Anstieg der Sexualdelikte erkennen. Dieser Anstieg hat im Jahr 2020 noch einmal deutlich zugenommen.

Zum Vergleich: Im Jahr 2019 wurden 757 Fälle registriert, im Jahr 2020 waren es 965. Das ist vor allem auf die Ermittlung im Zusammenhang mit dem „Vertreib, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Schriften“ zurückzuführen.

Allein für das vergangene Jahr wurden 226 Straftaten erfasst. Das sind 175 Fälle mehr als im Jahr davor. Polizeipräsident Gregor Lange versucht die positiven Facetten dieser Entwicklung deutlich zu machen. Der Paragraph §184g StGB (Jugendgefährdende Prostitution) habe sich zu einem neuen Schwerpunktthema entwickelt. Das sei tendenziell erst einmal gut, weil es zeigt, dass die Straftaten aufgedeckt und sanktioniert werden.

Das führt der Polizeipräsident auch auf den extremen Druck, der seitens der Polizei gegen die Täter ausgeübt wird zurück. Diese Straftaten hat es auch in den vergangenen Jahren gegeben, dadurch dass sie jetzt aufgedeckt und sichtbar werden, steigen dementsprechend die Zahlen auch in der Statistik. Positiv hervorzuheben ist an dieser Stelle die hohe Aufklärungsquote von rund 95 Prozent durch die Ermittler*innen der Polizei.

Die Dortmunder Polizei arbeite mit Datenmengen im Terabyte-Bereich, was kinderpornografisches Material angeht. Dabei sind Ermittler*innen teilweise täglich mit extrem verstörendem Bildmaterial konfrontiert und müssen dieses durchgehen. „Es sind solche Mitarbeiter, die hohen Respekt verdient haben, die tagtäglich versuchen, das Leid von Kindern zu reduzieren“, lobt Gregor Lange. Der Bekämpfung von Kinderpornografie wird in Nordrhein-Westfalen, genau wie im restlichen Bundesgebiet eine hohe Priorität eingeräumt. Das wirkt sich auch auf die Fallzahlen aus.

Gewalt gegenüber Polizist*innen nimmt ab, genau wie organisierte rechtsextreme Gewalt

Die Nazi-Kiez-Parolen wurden übermalt - die Neonazis sind sauer.
Die Nazi-Kiez-Parolen wurden übermalt – und auch im Stadtbild sind die Neonazis kaum noch wahrnehmbar. Archivfotos: Alex Völkel

Besonders positive Entwicklungen gibt es im Bereich der rechtsextremen Gewalt in Dortmund. Viele Jahre wurde Dortmund eng mit Rechtsextremismus verbunden, dieses Image könnte sich in den nächsten Jahren wandeln. Im Jahr 2020 konnten noch elf rechts motivierte Gewalttaten in Dortmund erfasst werden, während es im Jahr 2015 noch rund 50 waren.

Das sei vor allem auf die ins Leben gerufene „Sonderkommission Rechts“ zurückzuführen, aber auch  auf die Inhaftierungen von Christoph Drewer (ehem. Vorstandsmitglied „Die Rechte“), Sascha Krolzig, (ehem. Co-Bundesvorsitzender „Die Rechte“), Siegfried Borchardt (SS-Siggi) und Steven F.

Die Dortmunder Polizei geht davon aus, dass die rechtsextreme Szene durch den Verlust ihrer Führungspersonen enorm geschwächt wurde. Die Szene sei seit langem versammlungsrechtlich nicht mehr wahrnehmbar, sagt Lange. Das sei für ihn und seine Kollegen allerdings kein Grund den Druck auf die rechtsextremen Anhänger zu lockern – im Gegenteil. Lange hat vor kurzem erst die „Sonderkommission Rechts“ verlängert.

Auch erfreulich ist der Rückgang der Angriffe auf die Staatsgewalt. In Dortmund konnte erstmals ein Rückgang seit 2015 verzeichnet werden. Man dürfe bei dem Blick auf die Zahlen allerdings nicht vergessen, dass viele Anlässe, bei denen Angriffe auf Polizisten verübt werden, im Jahr 2020 nicht stattfinden konnten.

Durch die Absage von Fußballspielen, rechts- und linksextremen Demonstrationen boten Polizist*innen weniger Angriffsfläche als in den Jahren zuvor. Auch Lange bekräftigt dies. Die Entwicklung sei „kein Grund zur Freude. Ich bin da etwas zögerlich“, sagt er. Mit Blick auf das Jahr 2021 wünscht er sich, dass dieser rückläufige Trend sich weiter vorsetzt, auch trotz stattfindender Veranstaltungen und Fußballspiele.

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  1. Polizeikontrollen gegen kriminelle Strukturen: Drogen im Kinderwagen und gesuchter Räuber auf Schulhof festgenommen (PM)

    Polizeikontrollen gegen kriminelle Strukturen: Drogen im Kinderwagen und gesuchter Räuber auf Schulhof festgenommen

    Immer wieder kontrolliert die Polizei gezielt Teile Dortmunds, um gegen kriminelle Strukturen konsequent vorzugehen. Bei Kontrollen an der Münsterstraße floh ein Verdächtiger gestern (18.3.) in ein Mehrfamilienhaus und entledigte sich seiner Betäubungsmittel: Er schmiss sie offenbar völlig selbstverständlich in einen Kinderwagen. Ein bereits per Haftbefehl gesuchter Räuber schlenderte ähnlich selbstverständlich über einen Schulhof – Beamte nahmen ihn sofort fest.

    Gegen 15.15 Uhr forderten Polizisten einen Mann auf, für eine Kontrolle stehen zu bleiben. Der nunmehr Verdächtige rannte in ein Mehrfamilienhaus an der Münsterstraße und versteckte sich. Die Beamten entdeckten den 20-jährigen Marokkaner (der keinen festen Wohnsitz in Deutschland hat) in der dritten Etage. Außerdem fanden sie vier Plastiktütchen mit augenscheinlich abgepacktem Marihuana in einem Kinderwagen, der im Hausflur geparkt worden war. Polizisten nahmen den jungen Mann fest, weil er sich unerlaubt in Dortmund aufhielt. Die mit Drogen gefüllten Tüten werden durch Kriminaltechniker untersucht. Die Ermittlungen, ob der 20-Jährige die Drogen in den Kinderwagen legte, dauern daher an.

    Weitere Kontrollen führten um 16.20 Uhr zu einem gesuchten Räuber, der völlig selbstverständlich über einen Schulhof an der Münsterstraße lief. Die Polizisten überprüften den 22-jährigen Dortmunder, für den ein Haftbefehl vorlag. Die Festnahme folgte postwendend.

    Während der Streife im Bereich des Keuningparks, auf der Straße Oestermärsch und der Lauenburgstraße trafen die Beamten jeweils eine Person die gegen räumliche Beschränkungen verstießen.

    Auf der Leopoldstraße entdeckten Polizisten bei einem 20-jährigen Dortmunder ein Springmesser. Die Beamten schrieben dazu eine Ordnungswidrigkeitenanzeige und stellten das Messer sicher.

    Mit fortwährenden Nadelstichen zeigt sich die Polizei in wechselnden Bereichen Dortmunds weiter konsequent gegen kriminelle Strukturen. Ob uniformiert und für jeden sichtbar oder aber in zivil und damit nicht erkennbar für die Öffentlichkeit.

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