Dortmunder Mieterverein rät zur Prüfung von Mietanpassungen

Zwischen Tür und Angel unter Druck gesetzt: Hausverwaltung fordert 177 Euro Mieterhöhung

Markus Roeser (l.) und Olaf Friedland (r.) schauen sich gemeinsam die Abmahnung an. Foto: Paulina Bermúdez

Eine Dortmunder Hausverwaltung überrascht einen ihrer Mieter an der Haustür und fordert eine Mieterhöhung von fast 200 Euro, formuliert als „einvernehmliche Mietanpassung“. Der Mieterverein vermutet ein System: Bereits im Vorjahr hatte es einen ähnlichen Fall gegeben. Die Betroffenen sind Leistungsempfänger:innen. Nach einem ersten Schock wird deutlich, die drastische Mieterhöhung ist ein perfider Trick. Mittlerweile hat der Mieter seine Zustimmung widerrufen.

Druck und Unsicherheit: Mieter unterzeichnet immense Mieterhöhung an der Haustür

Olaf Friedland lebt seit 17 Jahren im Stortsweg 23 in Eichlinghofen. Gemeinsam mit seiner Katze bewohnt er eine kleine Wohnung in der zweiten Etage. Der 64-Jährige ist arbeitslos, seine Miete bezahlt das Jobcenter. Jahrelang übernimmt er die Tätigkeit als Hausmeister für das Mehrfamilienhaus, verdient sich so ein kleines Taschengeld dazu. Er wohnt gern dort.

Das Haus im Dortmunder Süden bewohnt Olaf Friedmann seit 2007. Foto: Paulina Bermúdez

Im Sommer letzten Jahres verkauft der Eigentümer das Mehrfamilienhaus an eine Dortmunder Hausverwaltungsfirma. Zu Mai diesen Jahres erhält Olaf Friedland eine Mieterhöhung nach Mietspiegel von zwanzig Prozent, seine Kaltmiete beträgt nun 288 Euro.

Im Frühjahr wird Olaf Friedland überrumpelt. Ein Mitarbeiter der Hausverwaltung steht vor der Tür. In den Händen hält er einen Vertrag, eine „einvernehmliche Mietanpassung“. Olaf Friedland fühlt sich unter Druck gesetzt, ein mehrseitiger Vertrag, zwischen Tür und Angel. Aus Unsicherheit ruft er beim Jobcenter an und schildert die Situation.

Nicht nur Mieterhöhung, sondern auch Vollmacht und Index-Miete

„,Wie verhält sich das denn jetzt?‘ habe ich am Telefon gefragt“, erzählt der Dortmunder. Doch man habe ihm gesagt, er solle den Vertrag unterschreiben und an das Jobcenter schicken. Also unterschreibt er die Mieterhöhung. Den Vertrag nimmt der Mitarbeiter wieder mit. Olaf Friedland bleibt nur sein ungutes Bauchgefühl und eine Kaltmiete von 465 Euro.

Olaf Friedland kann vorerst durchatmen. Foto: Paulina Bermúdez

Was der 64-Jährige zu dem Zeitpunkt nicht weiß: Er hat in dem Vertrag nicht nur der „einvernehmlichen“ Mieterhöhung, sondern auch der Umstellung auf eine Index-Miete zugestimmt und der Hausverwaltung eine Vollmacht zur Informationsauskunft erteilt, mit der sie auch Darlehensanträge für Kaution oder Mietrückstände stellen kann.

Das Jobcenter lehnt die vollständige Kostenübernahme der neuen Miete ab. Einen Teil der Miete müsste der Leistungsempfänger selbst zahlen – doch das ist für ihn kaum möglich. Ausziehen möchte er nicht. „Ich wohn jetzt schon so lange hier und ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste“, stellt Friedland fest.

Dummer Zufall oder bewusstes Modell?

Um den Vertrag, den er unterschrieben hat, noch einmal lesen zu können, nimmt er mehrfach Kontakt mit der Hausverwaltung auf, die online weder eine Webseite, noch eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer zur Verfügung stellt. Nach einiger Zeit wird Friedland dann der Vertrag zugesendet, doch zu dem Zeitpunkt hat er bereits die erste Abmahnung erhalten. Auf Anraten des Jobcenters wendet Olaf Friedland sich an den „Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.“.

Markus Roeser berät Betroffene für den Mieterverein. Foto: Paulina Bermúdez

Dieser vermutet ein Vermietungsmodell „Bürgergeld“. Markus Roeser, Wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins, befürchtet, dass „der Eigentümer bewusst versucht bei Mietern im Leistungsbezug höhere Mieten zu realisieren, als eigentlich möglich wären. In der Hoffnung, dass die Mieten in dieser Höhe bei Leistungsbeziehern automatisch übernommen werden.“

Grund dieser Annahme ist, dass im Gegensatz zu seinen Nachbar:innen ausschließlich Olaf Friedland eine derartige „einvernehmliche“ Mieterhöhung vorgelegt wurde. Außerdem ereignete sich ein vergleichbarer Fall bereits im Vorjahr in einem anderen Haus desselben Eigentümers.

Instandhaltungen und Reparaturen muss der Vermieter selbst zahlen

Roeser zeigt sich zwar wenig schockiert, aber empört, denn wenn das Jobcenter überhöhte Mieterhöhungen nicht akzeptiere, seien die Mieter:innen schlussendlich „die Dummen“. Zudem nutze ein „bewusstes Modell“ dementsprechend Steuergelder aus. „Das darf so nicht sein“, findet Roeser. Er erklärt weiter: „Es gibt klare Spielregeln für Mieterhöhungen. Nach keiner dieser Regelungen hätte der Vermieter aktuell oder zeitnah eine Anpassung der Miete verlangen können.“

Von außen bröckelt die Fassade bereits. Foto: Paulina Bermúdez

In dem Schreiben des Vermieters, der „einvernehmlichen Mietanpassung“, werden Maßnahmen zur Verbesserung des Hauses genannt, die dadurch finanziert werden sollen. Zwar kann ein Vermieter für Modernisierungen, wie beispielsweise neue Energetik, die Miete erhöhen, allerdings handele es sich bei den aufgeführten Maßnahmen aus Sicht des Mietervereins um Instandhaltungen und Reparaturen.

„Renovierung des Treppenhauses, Säuberung der Fassade, neuer Fassadenanstrich, all das sind Dinge, die Mieter bereits mit ihrer Miete bezahlen. Instandhaltungen hat der Vermieter zu zahlen“, erläutert Markus Roeser.

„Nur bei tatsächlichen Verbesserungen des Wohnumfeldes wäre eine Mieterhöhung denkbar. Die Modernisierung müsste aber zunächst angekündigt und dann korrekt abgerechnet werden“, erklärt der Wohnungspolitische Sprecher des Mietervereins.

Olaf Friedlands Badezimmerfenster schimmelt. Foto: Paulina Bermúdez

Und all diese Maßnahmen der Instandhaltung und Reparatur sind im Stortsweg 23 dringend notwendig. Die Hausfassade bröckelt, im Hausflur sind Teile der Treppenstufen abgebrochen und ein Schild weißt darauf hin, dass eins der Flurfenster aufgrund von Verschleiß nicht geöffnet werden darf.

In Olaf Friedlands Wohnung ist der Rand des Badezimmerfensters bereits schwarz. Die defekte Dichtung führt zu starkem Schimmelbefall. Im Mai sei jemand von der Hausverwaltung gekommen, um die Fenster zu vermessen. Seitdem hat er nichts mehr gehört.

Mieterhöhungen vor Zustimmung immer überprüfen – einmal zugesagt sind sie bindend

In der Wohnung über ihm seien Renovierungsmaßnahmen vorgenommen worden, berichtet Friedland. Diese hätten zu einem massiven Wasserschaden geführt, seine Wohnzimmerdecke ist stark verfärbt – eben „Altbau-Charme“ im Vorort, für nur 640 Euro im Monat. Der Mieterverein hat die Zustimmung Friedlands widerrufen.

Der Wasserschaden erstreckt sich über die Wohnzimmerdecke. Foto: Paulina Bermúdez

Aber wie handeln, wenn man von einer Mieterhöhung überrumpelt wird? „Bei Mieterhöhungen besteht immer ausreichend Zeit zur Prüfung. Diese sollte genutzt werden, bevor man vorschnell zustimmt“, erklärt Roeser. Dazu könne man sich an Anwält:innen, Mietervereine oder die Verbraucherzentrale wenden.

Für Leistungsempfänger:innen gelte: „In jedem Fall sollte die Mieterhöhung zusätzlich auch dem Jobcenter vorgelegt werden, bevor man diese unterschreibt“, informiert der Mieterverein. Denn einmal zugestimmt lässt sich eine freiwillige Mietanpassung nicht mehr zurückholen, auch dann nicht, wenn sie unbegründet oder falsch ist. Eine Ausnahme stellen aber – wie im Fall von Friedland – sogenannte Haustürgeschäfte dar. Hier sieht das Gesetz ein Widerrufsrecht von 14 Tagen vor.

Der Fall von Olaf Friedland ging noch einmal glimpflich aus. Dabei wären anstelle der Mieterhöhung eher eine Mietminderung oder umfangreiche Renovierungsmaßnahmen angebracht.


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