Von Leonie Krzistetzko (Text) und Leopold Achilles (Fotos)
Wenn in einer Nacht rund 200.000 Besucher an 48 Spielorten in 20 Städten des Ruhrgebiets Schauplätze der Industriekultur besuchen, dann ist wieder einmal die ExtraSchicht. Immer am letzten Samstag im Juni bietet das Kulturfestival Besucherinnen und Besuchern die Chance von 18 Uhr bis 2 Uhr in der Nacht ein abwechslungsreiches Programm von Museumsbesuchen, über Konzerte bis hin zu Lesungen zu erleben.
Kulturformat ExtraSchicht begeistert BesucherInnen seit 15 Jahren
Die ExtraSchicht ist ein Format, das dieses Jahr am letzten Samstag bereits zum 15. Mal stattfand und vor allem jungen Künstlern eine Präsentationsplattform bietet. Neben Städten wie Duisburg und Essen war auch Dortmund in diesem Jahr mit insgesamt acht Spielorten Teil des Programms.
Besitzerinnen und Besitzer des Tickets waren hierbei nicht nur berechtigt alle Spielplätze zu besuchen, vielmehr konnten sie auch den Shuttlebusservice nutzen, der sie zu den beteiligten Locations quer durchs Ruhrgebiet fährt.
Das Mobilitätskonzept dieses Formats dient hierbei dazu die Industriekultur des Ruhrgebiets an ein breitgefächertes Publikum zu bringen und die einzelnen Locations miteinander in Verbindung zu bringen.
Dortmunder U stellt Frage nach zukünftigem Leben
Ein großer Dortmunder Spielort war das Dortmunder U. Das Wahrzeichen und Museum verwandelte sich in ein Ernährungslabor und stellte die Frage: „Wie wollen wir zukünftig leben?“.
So erwartete die Besucherinnen und Besucher ein volles Programm von Insektenküche über den Bau einer eigenen Aquaponikanlage.
Auch gab es eine Videoinstallation des Künstlers Benjamin Tieck, bei dem sich jeder Besucher in ein virtuelles „Candyland“ begeben konnte.
In Kooperation mit dem Kino im U gab es zur Extraschicht im U von 18- 24 Uhr im Rahmen des „Clip Kino Ruhr“ 22 Video-Clips zum Thema „Food Hacking“ zu sehen, die der Videokünstler Andrew Gryf Paterson mit Joanna Szlauderbach und Rana Imran sowie Gisele Legionnet-Klees im Rahmen der Düsseldorfer Ausstellung „Planet B“ aus dem Internet zusammensuchte.
„Clip Kino Ruhr“ zeigt Videoclips aus dem Internet
Clip Kino wurde 2008 von Andrew Gryf Paterson initiiert. Mit Clip Kino Ruhr möchten er und der Kino im U e.V. sich gemeinsam mit lokalen Gruppen gegenwertigen und historischen Migrationsbewegungen in Dortmund und dem Ruhrgebiet widmen.
„Internetvideos und Video-Clips im generellen sind sehr interessant, da man sie normalerweise alleine vor dem eigenen Bildschirm sieht. Ich allerdings setze Video-Clips in den Kontext von gemeinsamen Zuschauen“ so Paterson.
Ihm sei die Idee zu Videokollektionen dieser Art 2007 gekommen. „Ich wollte wissen, was Jugendliche online ansehen und daraus ein Projekt formen. Im Laufe der Zeit habe ich dann auch mit Künstlern und Aktivisten zusammengearbeitet“, so Paterson. Momentan interessiert mich vor allem die Zusammenarbeit mit Flüchtlingen“, so Paterson.
Der Kurator wünscht sich, dass Projekte wie das Clip Kino Ruhr mehr Zulauf bekommen und visiert an im Oktober in Dortmund mit Migranten und Flüchtlingen an einem Projekt zu arbeiten.
Eines der Highlights war der Auftritt des Trip-Hop Duos AniYokore, der wetterbedingt von der Dachterrasse in das Foyer des Museums verlegt werden musste.
Ab 23 Uhr öffnete der Club des Dortmunder Us seine Türen: Besucher erwartete HipHop des Hamburger Rappers Das Bo und DJ Plazebo.
Brauereimuseum verbindet zur Extraschicht Bier und Poetry
Viele der Besucherinnen und Besucher pendelten in der Nacht von Stadt zu Stadt.
„Wir sind aus Karmen zur Extraschicht gekommen“, sagten drei Besucherinnen des Brauereimuseums, die sich eigentlich gerne das Thyssenkrupp-Gelände in Duisburg angesehen hätten.
„Die Warteschlange war allerdings zu lang- wir hätten vier Stunden warten müssen“, so eine von ihnen. Stattdessen seien sie in das Fußballmuseum gegangen und dachten darüber nach noch der DASA einen Besuch abzustatten.
„Ich war schon öfter bei der ExtraSchicht dabei und bin bis jetzt immer mit dem Angebot zufrieden gewesen“, ergänzte sie.
Das Brauereimuseum selber lud zur Bierverkostung im historischen Sudhaus und einem Poetry Slam ein, der an diesem Abend drei Mal stattfand.
ExtraSchicht 2016: Deutsches Fußballmuseum ist zum ersten Mal dabei
Auch das im Oktober 2015 eröffnete Deutsche Fußballmuseum nahe des Hauptbahnhofs war erstmalig Teil des Programms der ExtraSchicht.
„Vor allem weil wir ein sehr junges Museum sind, freuen wir uns sehr Sie nun zum ersten Mal im Rahmen der Extraschicht das Fußballmuseum zeigen zu können“, so Dr. Henry Wahlig. Der Sportwissenschaftler ist im Fußballmuseum für das Kultur- und Veranstaltungsprogramm zuständig.
Die Kurzführungen durch die Dauerausstellung auf einer Ausstellungsfläche von 3.300 Quadratmetern waren- wie ein richtiges Fußballspiel- in zwei Halbzeiten unterteilt.
„Wir zeigen unter anderem alle zehn Minuten magische Momente der letzten Jahre und damit auch Legenden des Revierfußballs und der Nationalmannschaft“, so Wahlig.
Auch bot sich den Besucherinnen und Besuchern an, sich auf der Multifunktionsfläche des Museums beim sogenannten „Private Viewing“ beide EM-Achtelfinalspiele anzusehen.
Kokerei Hansa bezaubert BesucherInnen mit Musik und Lichtinstallationen
Besonders abwechslungsreich war in diesem Jahr das Programm in der Kokerei Hansa. Auch 2016 war das Industriedenkmal in Dortmund-Huckarde Teil des Programms und bediente sich einem abwechslungsreichen und jungen Programm.
Hierbei ging es stets um Gegensätze wie „Mensch und Maschine“ oder auch „Natur und Technik“.
Die alten Gemäuer der Kokerei waren in vielen verschiedenen Farben durch zahlreiche Lichtinstallationen erleuchtet und führte Besucher auf eine Reise zwischen Märchen und Industrie.
So tanzen Besucherinnen und Besucher zu Live Musik vom „Konfetti Klub Ensemble“ und durchliefen den „Wald der Mythen und Märchen“.
Künstlerkollektiv „Morons of Motions“ zeigt interaktive Videoinstallation „Traceland“
Die begehbare und interaktive Videoinstallation „Traceland“ des Künstlerkollektivs „Morons of Motion“ regte Besucher zum Mitmachen an und lies die Komponenten Mensch und Technik miteinander verschmelzen.
Mittels Motion-Tracking Kameras und Projektoren wurden die Körper der Menschen als schemenhafte Lichtbilder bestehend aus Daten an die Wände des Gebäudekomplexes gestrahlt.
Auch gab es eine Lichtinstallation, bei der Besucherinnen und Besucher an den Koksofenbatterien eine Klaviatur aus Licht entstehen lassen konnten, indem sie auf einem Klavier spielten.
Als Highlight und Abschluss des Programms der Kokerei gab es zwei Mal am Abend eine Live-Performance auf der Druckmaschine von „Aaron.St“ und „Smart part of art“, die ebenfalls an eine Lichtshow gekoppelt wurde und Tanz mit Live Musik verband.
Das Depot an der Immermannstraße zeigte neben seinem Hauptprogramm dieses Jahr auch preisgekrönte Pressefotografien der World Press Photo Ausstellung.
Weitere Dortmunder Spielorte in diesem Jahr waren das LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, das Hoesch-Museum und die DASA.
Die nächste Extraschicht findet am 24. Juni 2017 statt.
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