Zum Tag der Afrikanischen Einheit: Wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Kontinents ist Thema im Dortmunder Rathaus

TeilnehmerInnen bei einer Fotopause während der Konferenz zum Tag der Afrikanischen Einheit. Fotos (4): Alexander Völkel

„Globale Vernetzung & moderne Ökonomie“ lautete das diesjährige Konferenzthema anlässlich der Feiern zum Afrikanischen Einheitstag am 25. Mai im Dortmunder Rathaus. Bereits zum achten Mal hatte AfricanTide Union e.V. VertreterInnen afrikanischer Diasporagemeinden, der Stadt, DiplomatInnen sowie Unternehmen und interessierte Kreative-Akteure eingeladen, gemeinsam Möglichkeiten auszuloten, die großen Potentiale des ebenso großen Kontinents auszuschöpfen.

Globale Vernetzung, Beispiel: Gespräche unter Menschen bilden den Ausgangspunkt

Wie im Motto der Veranstaltung angedeutet, lag in diesem Jahr der Focus auf – Vernetzung. Die ist freilich kein Selbstzweck. Ihr erklärtes Ziel, betont Joerg Fecke, Sprecher von AfricanTide im Interview, sei es, etablierte Leute der afrikanischen Communities sowie kleinere oder mittelständische Unternehmen aus der Bundesrepublik dafür zu interessieren, in Ländern und Regionen Afrikas die wirtschaftliche und soziale Lage zu stabilisieren.

Dafür bräuchte es für alle – potentielle Investoren aus der Bundesrepublik mit ethnischen oder noch gar keinen Bezügen zu Afrika sowie politischen Mandatsträgern vor Ort – Räume, Gelegenheiten, um miteinander sprechen zu können: um abzuklopfen, was geht, was nicht, so Fecke.

Mit anderen Worten: Es sollen zwischen Afrika und der Bundesrepublik Akteure und Entscheidungsträger auf einer mittleren Entscheidungsebene in ein Boot geholt werden, damit alle profitieren: vom Kleinunternehmer beispielsweise aus dem Ruhrgebiet bis zum Jugendlichen in Zentralafrika, der eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild macht, weil von hier strategisch investiert wurde. –  Globales Denken trifft Nachhaltigkeit.

Modebegriff „Nachhaltigkeit“: Verstetigung von was eigentlich?

Zur Realisierung globaler Ziele heißt das neue Zauberwort Nachhaltigkeit. Die wird in der Agenda 2030 betont, dem sog. Weltzukunftsvertrag, beschlossen von der UN 2016 mit dem politischen Ziel einer ausgewogenen ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklung weltweit.

Und mit einer Formulierung, die auf dieser Abstraktionsebene natürlich schlicht eine Phrase ist, solange nichts konkret wird, weil niemand mehr eine Idee hat, was Gerechtigkeit bedeuten könnte. Wo der Teufel sozusagen im Detail steckt.

Denn eins ist klar: Am Tag der afrikanischen Einheit treffen in Dortmund auch Welten aufeinander, die untereinander in vielfacher Hinsicht quer zueinander stehen und als einzelne selbst äußerst heterogen sind.

Das mag für spannende Interaktion gut sein, aber häufig kommen unter solchen Voraussetzungen erst gar keine Gespräche zustande, weil keine einvernehmlich definierbaren Ziele von Gewicht sichtbar sind oder das Misstrauen durch Brüche in der Vergangenheit zu groß sein könnte.

Der Jahrestag der afrikanischen Einheit ist auch ein Gedenken an den Befreiungskampf

Armel Djine, VKII
Armel Djine, VKII

Auch wenn es, wo es um Investitionen geht, nicht jede/r hören mag: Der afrikanische Einheitstag geht auf die Gründung der Organisation für afrikanische Einheit (OAU) 1963 inmitten des Befreiungskampfes der afrikanischen Völker vom Kolonialjoch zurück.

Und es dürften keine AfrikanerInnen an diesem Wochenende im Rathaus gesessen haben, denen der Begriff „Postkolonialismus“ als System nicht geläufig ist.

Aber es gab keine Motivationen, deswegen ein Fass aufzumachen, weil es wenig zielführend gewesen wäre. Denn es ging schlicht um die Erreichung von etwas Positivem, nicht um Abrechnungen.

Afrika war zudem, was seine Kultur betrifft, niemals eine Einheit – und wird auch nie eine sein. Das bestätigt Armel Djine vom Verein Kamerunischer Ingenieure und Informatiker (VKII) im Gespräch. Was afrikanische Kulturen, Ethnien, Nationen wesentlich einte, sei ihre geteilte Geschichte, so der Vorsitzender des VKII. Mithin ihr antikolonialer Impetus.

Ein wirkmächtiges Motiv, das sich solange reproduziert, statt irgendwann in der geschichtlichen Versenkung zu verschwinden, wie postkoloniale Politik sichtbar ist. Umso größer der Wert der Veranstaltung. Miteinander reden, um positive Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten, ist nie der schlechteste Ansatz.

Wirtschaftliche und kulturelle Globalisierung nicht mehr ohne soziales Pendant denkbar

Was Afrika jetzt zusammenwachsen lassen könnte, ist die Globalisierung. Die aber betrifft alle, nicht nur den Kontinent. Die UN-Idee-2030, dass dann auch alle verstetigt profitieren sollen, liegt nahe.

Abgesehen davon, dass sie als Ausdruck des Willens einer formal gleichberechtigten Weltgemeinschaft auch gar nicht anders hätte formuliert werden können.

Denn die Zeiten, in denen Offiziere des Imperialismus in Wüstenzelten den Kontinent nach jeweiligen Interessen mit Lineal und Bleistift sauber aufteilen konnten, sind vorbei: definitiv. Also auch hier kein Grund, weiter zu streiten.

Schließlich wären da noch Bilder von Afrika: von Hunger, Elend und Krieg. Bilder, die sicher nicht lügen, keine Fake-News; vermutlich ist es noch viel schlimmer vor Ort, weil wir gerne wegschauen. Aber es gibt auch eine andere afrikanische Wirklichkeit. Die von Menschen, Organisationen, Institutionen, die um Veränderung ringen; wirtschaftliches Wachstum und soziale Entwicklungen als Pendant betrachten.

Es ginge um fairen Handel, sagt Armel Djine vom VKII. Und um eine gerechte Verteilung des Reichtums. – Selbstlos handeln bundesrepublikanische Unternehmen oder Ministerien in Afrika sicherlich nicht. Aber es hat sich etwas verändert: Im Grunde wissen alle, dass in einer sich immer weiter globalisierenden Welt, wirtschaftlich wie kulturell, niemand mehr allein auf Dauer fett werden kann.

Aufrechter Gang, stolzer Kontinent: eine Bereicherung für Dortmund

Und solange durch das gute alte Kapital Gutes bewirkt wird, junge Menschen in Afrika etwa eine Ausbildung, eine Perspektive erhalten, statt im Sumpf von Hunger, Drogen oder Gewalt unterzugehen – so what?

Das wäre ein Plan wie: „Africa positive! – Elend gibt es genug, es geht was!“. Oder so ähnlich. Ein Beispiel dafür vor der Haustür, eingelassen in die Nordstadt-Integrationskultur, gibt es als eingetragenen Verein. Neben vielen anderen, die aus der Zivilgesellschaft heraus sich engagieren.

Dadurch würden Bilder verändert, auch in Dortmund, sagt Kulturdezernent Jörg Stüdemann am Rande der Feiern zu Ehren jenes stolzen Kontinents, der schon immer um seinen Reichtum wusste und ihn niemals vergaß.

Da ist aufrechter Gang und Selbstbewusstsein. Und eine Stadtgesellschaft, die nicht nur deshalb weiß, weil sie mittlerweile auch schwarz ist, dass Afrika in ihr eine unermessliche Bereicherung ist.

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