Hotellerie am Limit: Zu Beginn der Hauptreisezeit fehlt in vielen Dortmunder Hotels und Pensionen das nötige Personal. „Rezeptionistinnen, Köche, Barkeeper, Service- und Reinigungskräfte werden händeringend gesucht. Ohne sie kann die Branche in der wichtigsten Saison des Jahres nicht durchstarten“, sagt Torsten Gebehart von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die NGG verweist auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Danach zählte das Beherbergungsgewerbe in Dortmund Ende Juni 38 offene Stellen – fast dreimal so viele wie vor genau einem Jahr (plus 192 Prozent).
Viele Beschäftigte haben sich aufgrund der Pandemie umorientiert
„Für viele Hoteliers ist es aktuell einfacher, Gäste zu finden als Mitarbeiter. Denn in der Folge von Lockdowns und Kurzarbeit haben etliche Beschäftigte ihre Branche verlassen. Es kommt jetzt darauf an, Fachleute mit guten Konditionen zu locken, um für die steigende Nachfrage nach Urlaubs- und Geschäftsreisen gewappnet zu sein“, so NGG-Geschäftsführer Gebehart.
Ein entscheidender Punkt sei die Bezahlung. Hier habe sich bereits einiges getan: Mit dem neuen Tarifvertrag, den die Gewerkschaft mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ausgehandelt hat, liegt der Einstiegsverdienst in der Branche in Nordrhein-Westfalen seit Mai bei 12,50 Euro pro Stunde – 28 Prozent mehr als zuvor.
Fachkräfte kommen auf einen Stundenlohn von mindestens 13,95 Euro. „Entscheidend ist nun, dass sich die Betriebe an die tariflichen Standards halten“, betont Gebehart.
Kritik an der Ampel-Koalition in Sachen Arbeitszeitgesetz
Doch auch bei den Arbeitsbedingungen müssten die Firmen nachlegen, um sich im Wettbewerb um dringend gesuchtes Personal behaupten zu können.
„Hotelangestellte arbeiten oft dann, wenn andere frei haben – nachts, am Wochenende oder an Feiertagen. Das geht zulasten von Familie und Freizeit. Es ist wichtig, Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten zu organisieren“, macht Gebehart deutlich.
Flexibilität dürfe keine Einbahnstraße nur für Unternehmer sein. Der Gewerkschafter mahnt zugleich die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes an, denn auf das vorhandene Personal komme eine hohe Mehrbelastung zu, wobei die gesetzlichen Vorschriften, die die Beschäftigten schützen, nicht unterlaufen werden dürften.
Die Gesetze würden genügend Spielräume lassen, um Auftragsspitzen abzufedern. „Ein Herumexperimentieren am Arbeitszeitgesetz, wie es die FDP in den Berliner Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat, ist nicht der richtige Weg“, betont Gebhart.
Mehr Flexibilität und bessere Löhne – Branche muss für die Beschäftigten attraktiver werden
Für die Hotelbranche in Dortmund rechnet der Gewerkschafter mit einer hohen Auslastung für die kommenden Monate:
„Nach fast zweieinhalb Jahren Corona machen viele Menschen zum ersten Mal wieder richtig Urlaub. Der Tourismus im eigenen Land steht dabei hoch im Kurs. Hinzu kommen die Geschäftsreisenden. Und auch manche verschobene Geburtstags- oder Hochzeitsfeier wird nachgeholt.“
Damit die Pläne der Gäste nicht an fehlenden Rezeptionisten und Köchinnen scheiterten, müsse die Branche für die Beschäftigten attraktiver werden, ist Gebehart überzeugt. Das gelinge nur, indem sich Löhne und Arbeitsbedingungen verbesserten.
„Zwar ist klar, dass damit gerade für kleinere Betriebe die Personalkosten steigen“, räumt der Gewerkschafter ein. Aber anders seien keine Menschen mehr für den Job im Gastgewerbe zu gewinnen. Es komme darauf an, dass jetzt auch die Kunden Verständnis zeigten. „Für ein sauberes Hotelzimmer und einen guten Service sollte man bereit sein, etwas mehr auszugeben. Das gilt auch im Restaurant. Ein Schnitzel für neun Euro ist heute nicht mehr machbar“, so Gebehart.