Das Problemhaus Nordstraße 37 ist dicht – das Wohnungsamt hat es für unbewohnbar erklärt und geschlossen. Möglich macht das das neue Wohnungsaufsichtsgesetz.
Doch ist das mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Was kann das Gesetz leisten? Was soll die geplante Neuorganisation des Wohnungsamtes und der Stadterneuerung bringen? Die Nordstadtblogger sprachen mit Sozialdezernentin Birgit Zoerner und dem Leiter des Wohnungsamtes, Thomas Böhm.
Strategie: Stärkere Zuwendung zu den Quartieren
„Wir wollen alle Aufgaben zum Kontext Wohnen in einem Amt zusammenführen“, erklärt Thomas Böhm. Bereits im vergangenen Jahr wurde die Wohngeldstelle wieder ins Wohnungsamt eingegliedert. Zum 1. Januar 2015 kommt die Stadterneuerung hinzu – sie ist bislang dem Bauordnungs- und Stadtplanungsamt zugeordnet.
„Wir wollen uns noch stärker den Quartieren zuwenden. Denn während das Wohnungsamt von seiner Aufgabe her stärker die einzelne Immobilie im Blick hat, hat die Stadterneuerung eher das Quartier im Auge. Nun sollen beide Abteilungen zusammengeführt werden. „Das ist eine strategische Entscheidung“, betont Birgit Zoerner.
Vernetzung der einzelnen Ämter zur Stärkung der Quartiere
Die Ausgestaltung der Zusammenarbeit wurde aber nicht von oben herab entschieden – in zahlreichen Runden mit den Mitarbeitern aus den Abteilungen sei das künftige Arbeiten besprochen worden. Schon jetzt arbeiteten die Kolleginnen und Kollegen zusammen, wie das Handlungskonzept für Westerfilde belege.
Ziel des neuen Amtes soll sein, die Wohnungs- und Hauseigentümer stärker zu aktivieren. Dortmund habe mit seinen Quartiersanalysen da schon früh einen eigenen Weg eingeschlagen und knüpfe nun an den Erfahrungen aus dem Programm „Soziale Stadt“ an. „Es ist logisch, ein Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten“, so Zoerner.
Wohnen, Soziales und Stadterneuerung als Einheit
Das Land NRW denke hier ebenfalls um: Die Trennung von baulichen und sozialen Fragen werde aufgehoben: Wohnen, Soziales und Stadterneuerung würden künftig als Einheit betrachtet. Was bedeutet das konkret? Bislang musste die Stadt sehen, wie sie ihre Problemlagen den einzelnen Fördertöpfen in Land, Bund und EU zuordnen kann.
Künftig werden Problemlagen und Lösungsansätze beschrieben. Das Land sehe dann zu, welche Töpfe dazu passten und wie das Vorhaben finanziert werden könne. „Die Fördertöpfe werden dann nicht mehr isoliert betrachtet. Bislang gab es ein großes Problem des Förderzugangs“, verdeutlicht Böhm. Das solle sich nun ändern – Dortmund sei hier mit seiner Umstrukturierung schon Vorreiter.
Immobilien sind entscheidend für das Wohl oder den Niedergang eines Quartiers
„Wohnen ist schließlich nicht nur die Immobilie. Wohnen ist auch das Quartier“, betont Zoerner. „In Westerfilde wird augenscheinlich, welche Probleme im Quartier entstehen, wenn die Bestände nicht vernünftig gemanagt werden“, verdeutlicht Birgit Zoerner.
Die Quartiere seien zentral. „In dieser Position ist das Land der Stadt gefolgt“, betont die Dortmunder Sozialdezernentin nicht ohne Stolz. Denn der seit einigen Jahren praktizierte Ansatz, nicht nur die Probleme, sondern auch Chancen und Potenziale zu beschreiben, habe beim Land überzeugt.
Zukunft des Quartiersmanagements unklar
Fraglich ist die Neuausrichtung der Quartiersmanagements wie in der Nordstadt. Sie sollen fortgesetzt werden, auch wenn sie nicht über Projekttöpfe finanziert werden können. Allerdings könnten sie künftig in städtischer Trägerschaft laufen. Bislang macht dies die „Stadtentwicklung Nord“ (STENO) im Auftrag der Stadterneuerung. „STENO“ ist der Zusammenschluss der gemeinnützigen Vereine Soziales Zentrum Dortmund e.V. und Stadtteil-Schule Dortmund e.V., die auf jahrzehntelanges Engagement im Stadtteil zurückblicken.
Neues Wohnungsaufsichtgesetz: Stadt dämpft übertriebene Erwartungen
Doch was bringt das neue Gesetz? Werden in Kürze in der Nordstadt reihenweise Häuser geschlossen oder übernommen? Böhm warnt vor übertriebenen Erwartungen. Teils zu schwammig formuliert, teils nicht praktikabel: So seien die festgelegten Quadratmeter – neun für Erwachsene, sechs für Kinder bis sechs Jahre – nicht dazu geeignet, die Überbelebung in den Griff zu bekommen. Zwei Erwachsene und fünf Kleinkinder könnten auf 50 Quadratmetern leben.
Ganz abgesehen davon, dass Kontrollen schwierig seien. Zudem seien (Teil-)Räumungen nur denkbar, wenn „angemessener Ersatzwohnraum“ zur Verfügung gestellt werde. Doch was ist angemessen, wer stellt diesen Ersatzwohnraum zur Verfügung und wer finanziert das? Hier macht das Gesetz keine Vorgabe. Im Zweifelsfall bleibt die Stadt auf den Kosten sitzen.
Politik ist gefordert – in Stadt und Land
Zoerner gibt den Spielball daher zumindest teilweise an die Politik zurück: „Wenn die Erwartung ist, dass wir stärker in der Wohnungsaufsicht aktiv werden, brauchen wir da Personal für“, verdeutlicht die Dezernentin. „Wir können nicht jedes Jahr zwei Prozent Personal abbauen und dann immer neue Aufgaben übernehmen.“
Denn bislang sind gerade mal zwei Beschäftigte mit jeweils geringem Stundenanteil für die Wohnungsaufsicht zuständig. Eine dritte Stelle wird gerade eingerichtet. Doch auch damit werde Dortmund nicht in die „Champions League“ der Wohnungsaufsicht vorstoßen. Frankfurt/Main sei da führend, beschäftige aber 28 Mitarbeiter in der Wohnungsaufsicht. Natürlich sei das nicht vergleichbar, weil hier auch ganz anderer Druck auf dem Wohnungsmarkt herrsche. Hier gibt es regelmäßig Kontrollen und Razzien, gemeinsam mit Polizei und Staatsanwaltschaft. In Dortmund wäre das in der Intensität nicht denkbar.
Keine weiteren Ankäufe von Schrottimmobilien im großen Stil – Stadt sind die Hände gebunden
Also dann doch verstärkte Ankäufe wie zuletzt bei der Dogewo21? Das kommunale Wohnungsunternehmen hat bereits 19 problematische und teils schrottreife Immobilien gekauft und saniert sie aufwändig. Das wäre natürlich der nachhaltigste Weg.
Jedoch seien der Stadt Dortmund und ihren Töchtern häufig die Hände gebunden, bedauert die Sozialdezernentin. „Der Ankauf ist sehr kompliziert. Doch der entscheidende Faktor ist, dass die Stadt nicht zu höheren Preisen als dem Verkehrswert kaufen dürfe“, verdeutlicht Birgit Zoerner.
Allerdings seien selbst Schrottimmobilien in der Nordstadt nicht „für einen Appel und ein Ei“ zu haben. Bei den meisten Zwangsversteigerung würden aktuell fast immer höhere Preise aufgerufen – „Da sind wir dann raus!“
Umdenken beim Land gefordert: Zuschüsse für Sanierung von Schrottimmobilien
Möglich wären Ankäufe dann nur, wenn auch hier ein Umdenken beim Land erfolge. Die Kommunen müssten die Möglichkeit bekommen, für sogenannte unrentierliche Kosten Zuschüsse zu bekommen, um handeln und prekär gefallene Schlüsselimmobilien übernehmen zu können. Ganz davon abgesehen, dass die Preise gleich anstiegen, wenn ein Kaufinteresse seitens der Stadt bekannt werde. „Daher können wir gar nicht mehr auftreten – die Preise sind zu hoch“, bilanziert Zoerner.
In Bremerhaven gebe es ein solches Vorhaben, verdeutlicht Böhm. Die Stadt übernehme hier Schrottimmobilien und könne 100 Prozent aller Kosten beim Land abrechnen. „Erst dann wären wir in der Lage zu verhindern, dass Immobilien in falsche Hände fallen oder ganze Viertel heruntergerissen werden.“
Private Eigentümer bleiben in der Pflicht
Doch eins ist klar: Die privaten Eigentümer wollen sie nicht aus der Pflicht lassen: Sie werden ihnen noch stärker als bisher auf die Füße treten, um Druck zu machen, sich um ihre Wohnungen zu kümmern. Und ihnen auch die Kosten dafür aufzubürden. „Es geht nicht an, dass die Gewinne privatisiert und die Kosten sozialisiert werden“, so Zoerner.
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