Von Susanne Schulte
Für einen Abend mit Wilfried Schmickler muss man ausgeruht sein, hellwach und konzentriert. Der Kabarettist fordert die ganze Aufmerksam seines Publikums. Darauf waren seine Dortmunder Fans eingestellt, die am Samstagabend den Saal im Fritz-Henßler-Haus füllten.
Wenn der Wasserkocher ein Verhältnis mit dem Kronleuchter eingeht
Schmickler weiß viel, hat viel zu sagen und selten etwas Gutes. Freizeitgesellschaft und Fitnessstress, die Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen und die Ablehnung alles Fremden, die Verflachung der Unterhaltung und der Literatur, der virtuelle Alltag und die Dominanz des Internets – er macht auf den Wahnsinn aufmerksam, in dem wir leben, ohne ihn noch als solchen zu erkennen.
„Stimulation durch Simulation“: Sei man früher mit der Familie in Freizeitparks gefahren, um dort eine Scheinwelt zu erleben, schalte man heute den Computer an. Die Internetsucht hat auch die Bundesregierung als Krankheit erkannt. Hinweise zur Hilfe findet man – im Netz.
Digitale Kommunikation macht auch vor den Haushaltsgeräten nicht halt. „Ich möchte nicht, dass mein Wasserkocher ein Verhältnis mit meinem Kronleuchter im Wohnzimmer eingeht. Dann komm ich nach Hause und beide sind weg – durchgebrannt.“
„Hunger ist etwas für Leute, die sich Verzicht nicht leisten können“
Schmickler redet gegen das Gerede vom Untergang des Abendlandes, gegen die Überfremdung – was haben Köttbullar, die schwedischen Fleischbällchen, mit Deutschland zu tun und wem schmecken sie nicht? – gegen den Unverträglichkeitswahn. „
Alle sind allergisch gegen alle. Reiche gegen die Armen, die Gesunden gegen die Kranken.“ Der Alltag scheint eine täglich Gratwanderung zu sein. So zitiert er zwischendurch immer aus dem Tagebuch eines Gratwanderers.
Auch über das Fasten. „Hunger ist etwas für Leute, die sich Verzicht nicht leisten können.“
Entspannung geht anders, aber nach dem Auftritt gibt es viel zu reden
Am Ende seines Auftritts ist nicht nur Wilfried Schmückler erschöpft. Auch sein Publikum. Entspannung geht anders, aber es gibt beim anschließenden Bier viel zu reden und zu diskutieren.
Schmickler schafft es, was ein Kabarettist erreichen will: Die Leute denken nach und manchmal auch in eine andere Richtung, als vor seinem Auftritt.