Von Susanne Schulte
Der Leseabend ist nicht nur für die Jugendlichen aus Eritrea und Nigeria eine Herausforderung. Auch die Erwachsenen kommen schon mal ins Stottern. Wie erklärt man verständlich die Wörter Aufräumanfälle und Kostbarkeiten, heimzahlen und Fiesling? Doch es gelingt das eine wie das andere. Dabei wird viel gelacht. Ruckzuck sind mehr als zwei Stunden vorbei und keiner der Frauen war es auch nur eine Minute langweilig.
Alltagsgeschichten helfen, die Sprachkenntnisse zu verbessern und das Leben besser zu verstehen
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Die Idee zu diesen Treffen hatte Kristina Sobiech von der young caritas Dortmund. Sie wollte und will den weiblichen Jugendlichen, die unbegleitet aus ihren Geburtsländern flüchten mussten, den hiesigen Alltag ein wenig näher bringen und dabei auch deren Sprachkenntnisse verbessern.
Als zweites hofft sie, junge Menschen dafür zu begeistern, sich in einem Projekt zu engagieren, das nicht gleich regelmäßigen Einsatz für die gute Sache fordert. Es ist ihr gelungen.
Vier Mädchen kommen an diesem Dienstagabend mit dem gleichen Buch in der Hand in den gemütlichen Aufenthaltsraum der Caritas-Wohngruppe. „Luisa – Ich helfe, wo ich kann (ob ihr wollt oder nicht“ heißt das Buch der Autorin Janne Nilsson. Sie haben sich die Geschichte selbst aus diversen Vorschlägen ausgesucht. Die noch nicht ganz zehnjährige Luisa erzählt darin in Tagebuchform von dem Leben in ihrer Familie und zeichnet dazu kleine Bildchen.
Projekt der young caritas Dortmund interessiert auch Studierende der Uni Essen
„Wer will als erste lesen?“, fragt Kristina Sobiech. Eines der Mädchen legt sofort los. Sie spricht schon gut Deutsch, geht aufs Gymnasium, fragt immer gleich, was die ihr unbekannten Wörter bedeuten und kringelt sich vor Lachen über die Ereignisse, die Luisa erzählt. Die erwachsenen Vorleserinnen hören an diesem Abend nur zu. Die Jugendlichen lesen lieber selbst.
Seit gut einem Jahr kommt Sobiech mit unterschiedlicher Begleitung in die Wohngruppe. Dieses Mal sind Maureen Schneider und Jasmin Oelmann dabei, dazu Sophia Rohloff und Lars Köhler von der Uni Essen. Im Rahmen ihres Studiums der Erziehungswissenschaft schreiben sie einen Projektbericht über die Leseabende.
Alle lernen voneinander: neue Wörter, neue Sichtweise, neue Gerichte
Sie sollen dokumentieren, wie Zusammenkünfte von Menschen funktionieren, die dabei auch etwas lernen. Service learning heißt das ganze auf Englisch. Es ist der zweite Besuch von Rohloff und Köhler in Dortmund, und ja, weil die Mädchen sich offensichtlich sehr über die Anwesenheit auch dieser beiden freuen, werden sie noch ein weiteres Mal kommen.
Jetzt fragen die Studierenden erst einmal, ob alle bei einer kleinen Aufgabe mitmachen wollen. Auf ein Blatt Papier sollen die Jugendlichen und die Erwachsenen drei Dinge malen, die sie jeden Tag tun und drei Dinge, die sie nie tun. Bei der anschließenden Präsentation der einzelnen Blätter kommt man von Höcksken auf Stöcksken.
Geplaudert wird über Fußball – die Mädchen spielen in Vereinen, – über Berufswünsche, Schulalltag und übers Essen. Und das alles auf Deutsch und sehr unbefangen. Alle haben an diesem Abend viel gelernt. Neue Wörter, neue Sichtweisen, neue Gerichte.
Ehrenamtlicher Einsatz ohne Verpflichtung und Druck – Schnuppern ist erwünscht
Wer Lust hat, sich bei Projekten der young caritas ehrenamtlich zu engagieren, kann sich auf der Webseite informieren www.youngcaritas.de oder Kristina Sobiech anrufen: 0231/18715126. Die jungen Leute bringen unter anderem reiferen Menschen den Umgang mit dem Smartphone bei oder ziehen abends mit heißen Getränken und viel Zeit durch die Stadt, um den Kontakt mit Menschen ohne Obdach zu suchen und zu pflegen. Auch zu den Vorleseabenden sind immer wieder neue Gäste willkommen.
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