Wenn Witze als Volksverhetzung gelten: Journalist Deniz Yücel spricht beim „Talk im DKH“ über seine Haft in der Türkei

„Journalismus ist kein Verbrechen“, betont Deniz Yücel in Dortmund eindringlich. Fotos: Alex Völkel
„Journalismus ist kein Verbrechen“, betont Welt-Reporter Deniz Yücel in Dortmund eindringlich. Fotos: Alex Völkel

Von Leonie Krzistetzko

„Journalismus ist kein Verbrechen“. Dass dieser Satz von Deniz Yücel kommt, verwundert nicht. Der Journalist und Türkei-Korrespondent der „Welt“ saß von Februar 2017 bis Februar 2018 in der Türkei im Gefängnis. Diese Erfahrungen beschreibt er in seinem Buch „Agentterrorist. Eine Geschichte über Freiheit und Freundschaft, Demokratie und Nichtsodemokratie“, über das er am Freitag im „Talk im DKH“ in der Nordstadt gesprochen hat.

„Talk im DKH“ feiert mit Deniz Yücel als Gast Besucher- und Anmelderekord

Mehr als 700 Menschen wollen sehen und hören, was Deniz Yücel zu sagen hatte.
Mehr als 700 Menschen wollen sehen und hören, was Deniz Yücel zu sagen hatte.

Brechend voll war es im Dietrich-Keuning-Haus in Dortmund, die Sitzreihen mit mehr als 700 Menschen bis hinten gefüllt, lange bevor Deniz Yücel die Bühne betrat. Ein „Rekord an Zuschauern und Anmeldungen“ habe es gegeben, sagte Moderator Aladin El-Mafalaani. Yücel ist seit über zwei Monaten mit seinem Buch auf Lesereise.

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„Agentterrorist“ heißt es, weil Yücel so 2017 Yücel von dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bezeichnet wurde. Zu dieser Zeit saß Yücel bereits in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wurde ihm Volksverhetzung. Weil er berichtete, was in der Türkei geschah.

Er habe sich nicht ausgesucht, verhaftet zu werden, so Yücel. Die Korrespondentenstelle war für ihn ein Traumjob: „Die Türkei ist zum einen für Journalisten sehr interessant, weil dort immer etwas passiert und man findet in Deutschland immer Redaktionen, die mehr von einem wollen, als man leisten kann.“ Es habe nie etwas anderes als Journalismus gegeben, was er machen wollte.

Journalist Deniz Yücel erzählt vom Teetrinken vor der Inhaftierung

Im Gespräch mit Aladin El-Mafalaani berichtet Deniz Yücel über seine Zeit in der Türkei - insbesondere die Haftzeit.
Im Gespräch mit Aladin El-Mafalaani berichtet Deniz Yücel über seine Zeit in der Türkei – insbesondere die Haftzeit.

Im Gespräch mit El-Mafalaani berichtet Yücel humorvoll von seiner Zeit in der Türkei, verpackt das Geschehene in kleine Anekdoten: wie ihm ein Witz über Türken und Kurden als Volksverhetzung ausgelegt wurde, oder wie er mit dem Polizeipräsidenten in Istanbul erst Tee getrunken hat, bevor er dann zwei Wochen im Polizeikeller unterkommen musste.

Dort sei er von anderen Inhaftierten mit Applaus aufgenommen worden, weil er zwei Jahre zuvor ein Interview mit einem Kommandanten der kurdischen Arbeiterpartei PKK geführt hatte. Dieses Interview war ein Grund für die angeordnete Untersuchungshaft.

Auch zögert er nicht, Scherze über die türkische Regierung zu machen. So bezeichnete er Erdogan als „Hobby-Islamist und Hobby-Nationalist“, der „hauptberuflich Verbrecher“ sei, nannte das Regime eine Mischung aus Teppichhändlern und Verbrechern.

„Talk im DKH“: Deniz Yücel wollte sich auch in der Haft nicht kleinkriegen lassen

Eine Verhaftung oder immense Schadensersatzforderungen seien in der Türkei für Journalisten „die höchste Auszeichnung“, bemerkte der Journalist spitz. In den letzten hundert Jahren türkischer Geschichte habe es keine Zeit ohne Inhaftierungen dieser Art gegeben.

Yücel ist sich sicher: „Wenn Politiker sich über Journalisten beschweren, kann man davon ausgehen, dass sie ihren Job ganz gut gemacht haben.“ Er selbst habe die Zeit im Gefängnis nur durch die große Anteilnahme der Gesellschaft an seinem Schicksal durchgestanden, so Yücel.

Die Angst davor, vergessen zu werden und im Gefängnis zu „verrotten“ verbinde alle Menschen in Haft.  Wenn er seine Zeit im Gefängnis mit einem Wort beschreiben müsse, so Yücel, würde er das Wort „kämpfen“ nehmen. „Ich war getrieben vom unbedingten Willen zu zeigen: Ihr kriegt mich nicht klein“, erzählte er.

Deniz Yücel über die Türkei: „Im Moment führen wir eine Fernbeziehung“

Weder seine Frau Dilek Mayatürk-Yücel, die er im Gefängnis heiratete, noch seine Zeitung, die „Welt“ würden wollen, dass er zurückgeht.

Vor allem aber denke er dabei an seine Kollegen: „Es gibt einige Kollegen, in deren Anklageschrift steht, dass sie zu Deniz Yücel Kontakt hatten. Und in dem Moment, wo jeder, der zu mir Kontakt hat, potenziell riskiert, dass man ihm das zur Last legt, wäre es unverantwortlich, in die Türkei zu gehen.

Deniz Yücel habe jedoch „nicht das Gefühl, mit der Türkei fertig zu sein“. „Im Moment führen wir eine Fernbeziehung“, sagte er und lacht.

„Talk im DKH“ am 20. Dezember 2019: Rapperin Lady Bitch Ray zu Gast

Am Freitag, 20. Dezember 2019, geht der „Talk im DKH“ um 19 Uhr in eine neue Runde. Hier sprechen Ahmat Toprak und Reyhan Sahin, auch als Rapperin unter dem Namen Lady Bitch Ray bekannt, im Dietrich-Keuning-Haus über ihre Bücher „Muslimisch, männlich, desintegriert“ und „Yalla Feminismus“. Der Eintritt ist frei, Anmeldungen erwünscht.

 

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