Zu einer breit angelegten Diskussionsrunde über nachhaltige Stadtentwicklung hatte die Ratsfraktion der Grünen ins Forum am Südwall eingeladen. Als Lösungsansatz stellten sie an dem Abend ihre in der Fraktion und mit den Bezirksvertretungen entwickelten acht Impulse zur Bewertung von städtebaulichen Entwicklungsprozessen vor und ließen diese auf Herz und Nieren prüfen.
In Dortmund fehlt bezahlbarer Wohnraum
Experten aus Wissenschaft, Planungsbüros und Verwaltung stellten aufbauend auf den Impulsen ihre Ideen vor, wie Dortmund sich auf die anstehenden Herausforderungen im Bereich Bauen, Wohnen und Gewerbe vorbereiten kann. Im Mittelpunkt standen Fragen zur Flächenkonkurrenz für bezahlbaren Wohnraum, gewerbliche Nutzungen und Grünflächen, aber auch Themen wie Mobilität, Resilienz,
Ressourcen und Klimaneutralität, als dauerhafte Anforderungen städtebaulicher Entwicklung im Bestand.
Fazit des Abends aus Sicht der Grünen: Die Impulse sind richtig, die Umsetzung erfordert politischen Willen und einen langen Atem im Rahmen einer sensibilisierenden Beteiligung der Stadtbevölkerung. Dabei müssen soziale und klimapolitische Ansätze zusammengedacht werden.
„Mit den aktuellen städtischen Planungen stellen wir die Weichen für die nächsten Jahrzehnte“, erklärt Katrin Lögering, Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion den Hintergrund der Veranstaltung. „Damit tragen wir – im Wissen um alle Zukunftsprobleme – eine große Verantwortung. Das gilt insbesondere auch für die Politik, die maßgeblich darüber bestimmt, wie sich die Stadt für die Zukunft aufstellt“, so Lögering. „Wir sollten uns nicht vorwerfen lassen, dass wir vorliegende Erkenntnisse ignoriert haben“.
Forderung: Die Flächen gehören in städtische Hand
In Dortmund fehlt bezahlbarer Wohnraum. Wo und wie dieser zukünftig bereitgestellt wird, war dann auch das zentrale Thema der gut besuchten Veranstaltung. Auf die Forderung der Grünen, neben mehr sozial gefördertem Wohnraum auch für mehr Wohnvielfalt – entsprechend der zunehmend vielfältigeren Lebensmodelle – zu sorgen, konnten sich alle einigen.
Konsens bestand auch darin, dass dies nur dann gelingt, wenn die Kommune steuern kann, das heißt, möglichst viel Fläche in städtischem Zugriff ist. Benjamin Davy, ehemaliger Lehrstuhlinhaber für Bodenpolitik an der TU Dortmund, wies in diesem Zusammenhang auf die grundlegende Bedeutung einer aktiven kommunalen Bodenpolitik hin.
„Die Kommunen müssen Boden besitzen, um die Entwicklung in die gewünschte Richtung zu lenken“, so seine zentrale Botschaft. Stefan Kuczera, Chefplaner des RVR, ergänzte, dass dabei auch die planungsbedingten Wertzuwächse von Grund und Boden von der Stadt abgeschöpft werden müssten.
Baunutzungsverordnung muss novelliert werden
Einig waren sich die Experten, dass eine gute Mischung von Wohnangeboten, unterschiedlichen Wohnungsgrößen und Wohnformen, der Belebung von Quartieren diene. Sie ermöglicht es den Menschen bei veränderten Lebensbedingungen im Wohnumfeld wohnen zu bleiben. Förderprogramme wie „Jung kauft Alt” schaffen dafür Anreize. Daraus ergibt sich zugleich die Forderung nach einer urbanen, durchmischten Stadt, in der Wohnen und Arbeiten zukünftig noch deutlich stärker zusammen gedacht werden. Vorbilder aus anderen Städten gibt es dafür schon, wie das Fachkonzept der „Produktiven Stadt“ aus Wien zeigt.
„Leider ist die rechtliche Situation in Deutschland nicht vergleichbar“, goss Stefan Szuggat, Dortmunder Planungsdezernent, Wasser in den Wein. „Die Baunutzungsverordnung und die darin enthaltene Nutzungstrennung sorgt für hohe Hürden und kassiert vieles von dem wieder ein, was als Ziel im Baugesetzbuch verankert ist.“
Zuspruch bekam er dafür von Stefan Kuczera: „Das Planungsrecht muss dringend verändert werden. Wir arbeiten immer noch auf der Basis von städtebaulichen Leitlinien der Nachkriegszeit. Das funktioniert für die Zukunft schon längst nicht mehr“. Er plädierte dafür, klare politische Ziele zu definieren und einzufordern. Dafür sollte Dortmund schon heute mehr Gebrauch von Novellen im Baugesetzbuch machen. So könnten urbane Mischgebiete häufiger im Bebauungsplan Anwendung finden und die Spielräume zur Festsetzung von Bebauungsdichten liberaler angewandt werden.
Grünes Ziel: Kein neues Bauland ausweisen
Einig waren sich die Experten auch darin, dass es möglichst keine weitere Baulandausweisung mehr geben sollte. Nachverdichtung sowohl beim Wohnen als auch für Gewerbeflächen muss erste Wahl sein.
Für die Grünen im Rat ist dabei das Leitbild einer dreifachen Innenentwicklung – effiziente Mobilität, grüne Infrastruktur und bauliche Nachverdichtung im Bestand – verpflichtend. Denn jede weitere Siedlung im Außenbereich führt zu zusätzlichen Kosten für Straßen, Schulen oder auch soziale Angebote. Dortmund muss nach innen wachsen und bestehende fußläufig erreichbare Zentren stärken.
„Bei den Impulsen greift im Grunde eins ins andere“, erklärte Hannah Sassen, Grünen-Mitglied im Planungsausschuss. „Kommen Wohnen, Versorgung und Arbeiten wieder mehr zusammen, müssen weniger Menschen täglich pendeln und Alltagswege verkürzen sich. Und wenn man zukünftig da baut, wo schon eine gute ÖPNV-Anbindung besteht, unterstützt eine ÖV-orientierte Stadtentwicklung zugleich die nötige Verkehrswende.“
Mobilität ist der Schlüssel für die Stadtentwicklung
Und diese bezieht sich nicht nur auf den Umstieg aufs Rad: „Die Bewirtschaftung von Parkraum oder die Steuerung über die Stellplatzsatzung, die besser als Mobilitätssatzung neu gedacht und weiterentwickelt werden sollte, gehören ebenso dazu“, erklärt Thomas Eltner, Stadtplaner und als Sachkundiger Bürger für die Grünen im Planungsausschuss,
Er unterstützte damit die Forderung von Dirk Becker vom Planungsbüro postwelters&partner und Christian Schlüter, Architekt und Vorsitzender des Gestaltungsbeirats in Dortmund, die Privatisierung des öffentlichen Raums durch parkende Autos zu reduzieren. Bei der geringen Verfügbarkeit von Flächen müsse nochmal sehr genau darüber nachgedacht werden, welche Ressourcen für das Abstellen von Autos verbraucht werden.
Christian Schlüter, der an der Hochschule Bochum den Fachbereich nachhaltiges Bauen leitet, plädierte insgesamt für einen deutlich bewussteren Umgang mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. „Nur weniger Bauen ist tatsächlich klimafreundlich“, so sein Fazit. Im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung Dortmunds muss der Ressourcenschutz und der Umgang mit grauer Energie in den Fokus gerückt werden.
„Bestehende Gebäude sollten erhalten, energetisch saniert, mitunter reaktiviert oder umgenutzt werden. Denn neben klimatechnischen und baukulturellen Aspekten sind Altbauten z.B. aufgrund niedriger Mieten Teil der sozial gerechten Stadt“. auch die anfangs gestellte Frage.
Stadtentwicklung ist Politik
In der anschließenden Diskussion wurden sowohl die Grünen Impulse als auch die Anregungen der Experten eingehend diskutiert und mit weiteren Anregungen aus dem Publikum bereichert. Zugleich wurde auch die eingangs gestellte Frage beantwortet: „Die Stadt gehört den Menschen, die hier leben. Deshalb wollen und müssen wir in einem demokratischen und partizipativen Prozess das Heft der Stadtentwicklung aktiv selbst in die Hand nehmen – im Sinne einer sozial gerechten und klimaresilienten Stadtentwicklung“, fassen die Grünen die Ergebnisse zusammen.
„Stadtentwicklung ist Politik. Denn es geht am Ende auch um Themen wie Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit. Wo entsteht neuer Wohnraum und für wen? Wie können wir eine lebenswerte Stadt für alle schaffen?”, so die Organisator:innen abschließend.
„Die vielen Teilenehmer:innen – trotz EM und parallel stattfindenden Deutschlandspiel – haben uns gezeigt, dass das diese Diskussion wichtig ist und weitergeführt werden muss. Wir Grüne verbinden damit den Auftrag, die Erkenntnisse in politisches Handeln umzusetzen und die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.“