
Ein weiterer toter Wohnungsloser wurde am heutigen Montagmorgen (27. Januar 2025) am Hauptbahnhof Dortmund entdeckt. Die Polizei fand den leblosen Körper gegen 8.27 Uhr im Bereich des Taxistandes und des Bäckers Kamps. Es handelt sich um einen 48-jährigen Mann aus Polen. Hinweise auf ein Gewaltverbrechen gibt es nicht, und die Todesursache ist noch unklar. Ein Todesermittlungsverfahren wurde eingeleitet.
Vierter Todesfall innerhalb kurzer Zeit
Dieser Tod reiht sich in eine Reihe tragischer Vorfälle ein: Am 19. Januar wurde ein 56-jähriger Wohnungsloser an der Reinoldikirche tot aufgefunden. Am selben Tag wurde ein 40-Jähriger, der ebenfalls obdachlos war, an der Brunnenstraße in Lünen gefunden. Nur wenige Tage später, am 22. Januar, starb ein 49-jähriger Obdachloser am Freistuhl in Dortmund. ___STEADY_PAYWALL___
Die Kriminalpolizei Dortmund hat in allen Fällen ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet. Laut den neuesten Erkenntnissen gab es bei keinem dieser Fälle Anzeichen für einen Kältetod. In allen Fällen führten medizinische Gründe in Kombination mit Alkoholmissbrauch zu den Todesfällen. Es gibt auch keine Hinweise auf Fremdverschulden.
Hilfsangebote geraten in die Kritik, Aufruf zur Wachsamkeit
Der erneute Tod eines obdachlosen Menschen rückt die Frage nach wirksamen Hilfsangeboten in den Fokus. Einrichtungen wie der bodo e.V. kritisieren seit langem, dass viele Übernachtungsstellen überfüllt und schwer erreichbar sind. Laut dem Verein stoßen obdachlose Menschen auf unüberwindbare Hürden, die es ihnen erschweren, die vorhandenen Angebote zu nutzen.
„Die Innenstadt ist voller Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen die Übernachtungsstellen nicht nutzen können. Für die meisten ist das keine freiwillige Entscheidung“, hatte der Verein nach dem ersten Todesfall gegenüber Nordstadtblogger deutlich gemacht.
Angesichts der Kälte und der jüngsten Todesfälle ruft bodo e.V. dazu auf, obdachlose Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. „Schauen Sie nicht weg, wenn Sie jemanden sehen, der Hilfe braucht. Sprechen Sie die Person an und alarmieren Sie bei einem Notfall die 112“, so der Appell.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Mehr auf dazu auf Nordstadtblogger:
Harte Kritik an Dortmunder Sozialamt: bodo e.V. fordert schnelle umsetzbare Lösungen
Todesfall eines Wohnungslosen in der Innenstadt: Bodo e.V. fordert funktionierende Angebote
bodo macht Schule: Ehemals Obdachloser spricht mit Schüler:innen über das Leben auf der Straße
Weiterer Todesfall in Dortmund: Obdachloser Mann leblos am Hauptbahnhof aufgefunden
Reaktionen
Zwei weitere Obdachlose in Dortmund verstorben (PM Polizei)
Nach dem Tod von zwei weiteren Obdachlosen in Dortmund ermittelte die Kriminalpolizei zur Todesursache. Ein Fremdverschulden kann ausgeschlossen werden. In beiden Fällen starben die beiden Männer an den Folgen schwerer Erkrankungen in Kombination mit starker Unterkühlung. Sie hielten sich im Freien auf.
Am Sonntagvormittag (2.2.2025) informierte eine Fußgängerin den Rettungsdienst über einen regungslosen Mann, der vor einem Geschäft an der Hagener Straße in Brünninghausen lag. Der Rettungsdienst transportierte den Mann in ein Krankenhaus, wo er verstarb. Die Kriminalpolizei ermittelt zur Identität des derzeit unbekannten Toten.
Am Mittwoch (5.2.2025) erblickte der Rettungsdienst auf der Kampstraße einen 49-jährigen Mann, der sich ebenfalls ohne festen Wohnsitz in Dortmund aufhielt. Das Team des Rettungswagens versorgte den aus Polen stammenden Mann sofort und lieferte ihn in ein Krankenhaus ein. Auch er verstarb auf einer Station.
„Jeder Mensch, der Schutz braucht, muss ihn bekommen“ Vor der Ratssitzung fordern VSE, Soziales Zentrum, GrünBau, Gast-Haus, Diakonisches Werk und bodo die Stadt Dortmund zum Handeln auf (PM)
Die niedrigen Temperaturen sind für Obdachlose lebensbedrohlich ‑ allein in den letzten drei Wochen sind in Dortmund mindestens fünf Männer gestorben. Für Akteure der Dortmunder Wohnungslosenhilfe zeigen sich durch diese Fälle auch Lücken im Hilfesystem; vor der Ratssitzung am Donnerstag fordern VSE, Soziales Zentrum, GrünBau, Gast-Haus, Diakonisches Werk und bodo Politik und Verwaltung erneut auf, Maßnahmen entwickeln, um Obdachlosigkeit wirksam und dauerhaft zu bekämpfen.
Im Herbst stand die Schaffung von niederschwelligen Unterbringungsmöglichkeiten für obdachlose Menschen auf der Tagesordnung des Rates. Er ist Teil eines umfangreichen Konzepts zum Umgang mit Drogenkonsum und Obdachlosigkeit in der Innenstadt. Weil der Rat sich darüber nicht einig wurde, wurde das Paket auf Februar vertagt. Für Lutz Rutkowski von bodo eine problematische Entscheidung: „Die Ankündigung zusätzlicher Unterbringungsmöglichkeiten ist nun über ein Jahr alt. Wir weisen allerdings schon seit Jahren darauf hin, dass das Hilfesystem Lücken hat, und dass es von der Verwaltung darauf nicht wirklich Antworten gibt. Sie bleibt beim Verweis auf die bestehenden Angebote. Dass diese in der Realität viele Betroffene nicht einbeziehen, findet aus unserer Sicht zu wenig Berücksichtigung.“
2023 hatten VSE, Soziales Zentrum, GrünBau, Gast-Haus, Diakonisches Werk und bodo in einem gemeinsamen Positionspapier Handlungsempfehlungen erarbeitet, um Wohnungslosigkeit in Dortmund bis 2030 zu beenden. Das Papier nennt neben besserer Prävention, der Förderung von Wohnraum für alle auch Eckpunkte für die nötige Ausgestaltung von Notunterbringung: niederschwelliger Zugang ohne die Kopplung an Leistungsansprüche, Einzelunterbringung in Wohnraum und spezifische Angebote für Zielgruppen wie junge Erwachsene, Alternde, Pflegebedürftige oder psychiatrisch auffällige Menschen. Diese Handlungsempfehlungen sollen einfließen in den Lokalen Aktionsplan, den der Rat im letzten Jahr beschlossen hat und der das Ziel setzt, Obdachlosigkeit in Dortmund bis 2030 zu beenden. „Wenn die Stadt an diesem Ziel festhalten will, ist es höchste Zeit, diesen Plan nun zu erarbeiten und umzusetzen“, so bodo-Sozialarbeiter Rutkowski.
Hilfestrukturen müssten grundsätzlich und ganzjährig funktionieren, betonen die Dortmunder Organisationen. Und im Winter seien spezifische Kälteschutz-Maßnahmen, aber auch verstärkte aufsuchende medizinische Hilfen essenzielle Überlebenshilfen: „Jeder Mensch, der Schutz braucht, muss ihn bekommen. Die bestehenden Hilfsangebote müssen während der kalten Jahreszeit länger geöffnet sein. Und es braucht eine unbürokratische, menschenwürdige und fußläufig erreichbare Unterbringung für alle, die auf der Straße leben“, sagt Gast-Haus-Geschäftsführerin Katrin Lauterborn. Einige Kommunen schaffen mit Winternotprogrammen zusätzliche Schlafplätze, verstärken Streetwork und bieten Transporte in Unterkünfte an. „Andere Städte zeigen, dass es geht“, so Lauterborn. „Die Stadtverwaltung und die Politik müssen gemeinsam mit den Trägern der Wohnungslosenhilfe eine Lösung finden, damit im Winter niemand mehr erfrieren muss. Es geht hier nicht um Politik oder Zuständigkeiten, sondern um Menschenleben. Und jedes einzelne zählt. Dies sollte die Haltung unserer Stadt sein.“
Das gemeinsame Positionspapier „Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden“ der Dortmunder Akteure finden Sie hier: https://bodoev.de/wp-content/uploads/2025/01/Positionspapier-gemeinnuetziger-Akteure-der-Wohnungslosenhilfe-zur-Ueberwindung-von-Wohnungslosigkeit-bis-2030.pdf
Thema Wohnungslosigkeit im Wahlkampf ignoriert – BAG Wohnungslosenhilfe fordert entschlossenes Handeln der zukünftigen Bundesregierung (PM)
Anlässlich des Internationalen Tags der sozialen Gerechtigkeit und mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen am kommenden Sonntag übt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) scharfe Kritik. Sie verweist auf die fehlende Aufmerksamkeit für die Themen Wohnen, Mieterschutz sowie Wohnungs- und Obdachlosigkeit im Wahlkampf. Angesichts der nach wie vor extrem hohen Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland ist diese Ignoranz alarmierend.
„Dass diese drängenden Themen viel zu wenig Beachtung finden, ist besorgniserregend und lässt Zweifel an einer zügigen Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen aufkommen. Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit sind längst keine Randphänomene mehr, sondern zählen zu den drängendsten sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Die neue Bundesregierung muss diese Themen konsequent auf die Agenda setzen und den Nationalen Aktionsplan entschlossen weiterführen, um die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden“, fordert Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W.
In ihrem ausführlichen Forderungskatalog Recht auf Wohnen garantieren! hat die BAG W Maßnahmen zusammengestellt, die zur Überwindung von Wohnungslosigkeit und zur Verbesserung der Lebenssituation von betroffenen Personen beitragen.
„Ein zentraler Schwerpunkt muss auf präventiven Maßnahmen liegen, wie der flächendeckenden Ausweitung von Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit. Ebenso muss der Mieterschutz gestärkt werden, etwa durch die Wirksamkeit der Schonfristzahlung auch bei einer ordentlichen Kündigung“, so Sabine Bösing, Geschäftsführerin der BAG W. „Gleichzeitig braucht es einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung für wohnungslose Menschen sowie die Bereitstellung von bedarfsorientierten Angeboten für wohnungslose Frauen, Familien und LGBTIQ+.“
Arnd Liesendahl, Mitglied des Specher:innenrats der FAG Partizipation der BAG W sowie Experte in eigener Sache: „Wohnungslosigkeit bedeutet nicht nur, keinen festen Platz zum Schlafen zu haben – es bedeutet, mit Ausgrenzung, Gewalt und Diskriminierung konfrontiert zu werden. Ohne eigenen Wohnraum wird man unsichtbar, verliert den Zugang zur sozialen Teilhabe und wird in der Gesellschaft nicht mehr wahrgenommen. Ich hoffe, dass die Politik endlich erkennt, wie wichtig es ist, diese Menschen zu unterstützen und konkrete Schritte zu unternehmen, um Wohnungslosigkeit zu beenden.“