Für die Neonazi-Splitterpartei „Die Rechte“ läuft es in Dortmund gar nicht rund: Eine immer deutlicher werdende Mobilisierungsschwäche auf der einen Seite und zunehmende Strafverfolgung gegen Aktivisten auf der anderen Seite – das passt sogar nicht zum selbsterklärten Verständnis. Nun hat ein weiterer Aktivposten sein Zimmer in Dorstfeld gegen eine Zelle im Knast getauscht. Christoph Drewer hat die nächste Haftstrafe angetreten. Sein Bruder Matthias sitzt derzeit schon in Untersuchungshaft. Die Liste der Inhaftierten wird damit immer länger.
Widerliche Hetze gegen Flüchtlinge bescherte Drewer eine erneute Haftstrafe
Am Montag (18. November 2019) hat Christoph Drewer, Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei und stellvertretender Kreisvorsitzender in Dortmund, eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel angetreten.
Der Rechtsextremist hatte im Juli 2015 bei einer Versammlung in der Kampstraße gegen Flüchtlinge gehetzt und war deswegen mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat belegt worden.
„Diese Menschen“ – brüllte Drewer in Dortmund ins Mikrofon – „die momentan zu Tausenden in unser Deutschland strömen, sind kriminell, haben kein Benehmen und diese werden hier in unserem geliebten Vaterland ihre kriminelle Ader knallhart ausleben. Diese werden rauben, vergewaltigen und morden.“
Körperverletzungsdelikte: Neonazi war bereits 2,5 Jahre in Haft
Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, bezeichnete Drewer in seiner Rede als „geisteskranke Volksverräter“ und „geisteskranke Subjekte“, die „täglich an den Bahnhöfen stehen und die Asylbetrüger begrüßen“. Den deutschen Frauen, so fügte er hinzu, wünsche er „eine Vergewaltigung durch die Asylbetrüger.“
Da die Tat in der Bewährungszeit eines Urteils aus 2012 fiel und Drewer auch 2016 vom Landgericht Münster in zweiter Instanz zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, dürften sich die Brüder über einen längeren Zeitraum nicht sehen. Denn es ist nicht die erste Haftstrafe für den 36-jährigen Bauarbeiter.
Bereits am 31. Oktober 2006 wurde er u.a. wegen verschiedener Körperverletzungsdelikte zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Dort in der Haft hatte der Hauptschüler dann seine Bauausbildung gemacht. Auch später kassierte er noch mehrere Geld- und Bewährungsstrafen, u.a. wegen Sachbeschädigung, Beleidigung und dem Erschleichen von Leistungen.
Auch der „Nazi-Hipster“ ist mehrfach vorbestraft und sitzt in U-Haft
Sein jüngerer Bruder Matthias – er machte vor einigen Jahren bundesweit als „Nazi-Hipster“ („Nipster“) Schlagzeilen – sitzt derzeit in Dortmund in Untersuchungshaft. Er saß bereits mehrjährige Haftstrafen u.a. wegen gefährlicher Körperverletzungen ab. So wurde er beispielsweise vom Landgericht Wuppertal zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten 2014 verurteilt.
Er hatte mit mehreren Neonazis in Wuppertal einen Flohmarkt angegriffen und dabei einer Frau von hinten mit einem Knüppel auf den Hinterkopf geschlagen. Als diese zu Boden sackte, erfolgte ein weiterer Schlag.
Die Geschädigte wurde mit Verdacht auf Schädelbasisbruch und möglichen Hirnblutungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach der „tumultartigen Situation“, so der Richter des Landgerichtes in seiner Urteilsbegründung, dirigierte der jüngere Bruder den Abzug der Angreifer.
Untersuchungshaft für Dortmunder Rechtsextremisten nach Angriff mit Pfefferspray
Doch auch danach handelte sich der heute 27-Jährige – zwischenzeitlich von Hamm nach Dortmund-Dorstfeld umgezogen – weitere Verfahren ein.
Weil er er am Abend des 12. Oktober auf dem Dorstfelder Hellweg zwei Passanten verfolgt und einen mit Pfefferspray attackiert haben soll, wurde Matthias Drewer sowie ein 32-jähriger Neonazi von der Polizei in Gewahrsam genommen. Für den 27-Jährigen bedeutete der Angriff einen Verstoß gegen bestehende Bewährungsauflagen. Noch am Wochenende erließ ein Richter Untersuchungshaft.
Die Brüder gehören nach Ansicht der Sonderkommission (SoKo) Rechts der Dortmunder Polizei zu aktuell 23 Rechtsextremisten (zwei aus Hamm), die die SoKo als Intensivtäter im Visier hat. Deren Arbeit hat zu zahlreichen Ermittlungserfolgen und auch Verurteilungen bei führenden Köpfen der Partei „Die Rechte“ und der rechtsextremen Szene geführt.
Gegen den Co-Bundesvorsitzenden Sascha Krolzig laufen mehrere Verfahren
„Dickster Fisch“ ist dabei der Co-Bundesvorsitzende der Partei, Sascha Krolzig. Der verhinderte Jurist, der sein Geld u.a. als Trauerredner und Herausgeber seiner eigenen Nazi-Postille „NS-Heute“ sowie als Aufstocker vom Jobcenter verdient, ist vielfach vorbestraft: Volksverhetzung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Beleidigung und Verleumdung vor Gericht füllen die Liste seiner Vergehen.
Krolzig wurde zuletzt zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Er hatte in Dortmund versucht, in einer Gaststätte eine Person mit einem Bierglas zu verletzen und ihn danach fremdenfeindlich beschimpft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bereits in der nächsten Instanz verloren hat Krolzig ein Verfahren in Bielefeld. Dort war er verurteilt worden, weil er im Internet den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Herford/Detmold, Matitjahu Kellig, als einen „frechen Judenfunktionär“ bezeichnet hatte.
Er kassierte vor dem Amtsgericht für diese Äußerung sechs Monate Haft ohne Bewährung. Das Urteil wurde vom Landgericht Bielefeld in der Berufungsverhandlung bestätigt. Die „antisemitischen Äußerungen haben die Grenze des Zulässigen überschritten und seien geeignet, zum Hass gegen Juden aufzustacheln“, so die Urteilsbegründung.
Der „Schriftleiter“ der „NS Heute“ ist im Visier der Strafverfolgungsbehörden
Zurzeit laufen strafrechtliche Ermittlungen u. a. wegen des Verdachts volksverhetzender Äußerungen in dem von ihm als „Schriftleiter“ zu verantwortenden Publikationsorgan „NS-Heute“ (Nationaler Sozialismus Heute), das er in seinem Verlag „Sturmzeichen“ herausgibt.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund ein umfangreiches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es geht um Volksverhetzungsdelikte in mehreren Ausgaben gegen Krolzig und einigen seiner Gastautoren. Der Online-Vertrieb der Hefte ist derzeit eingestellt.
Zudem rief er andere Händler und seine Abonnenten dringend dazu auf, auch keine Hefte mehr anzubieten. Die Online Seite des Verlages wurde mittlerweile mit dem Hinweis auf das Ermittlungsverfahren offline geschaltet.
Weitere Anklagen und Verfahren gegen Neonazis sind bereits in der „Pipeline“
Gegen weitere Neonazis laufen derzeit Ermittlungen bzw. Verfahren. Prominentester Beschuldigter ist Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt.
Nachdem die Galionsfigur der Neonazis – er ist auch Kreisvorsitzender der Partei „Die Rechte“ – zuletzt im vergangenen Jahr eine viermonatige Haftstrafe wegen Beleidigung absitzen musste, laufen neue Ermittlungen gegen ihn wegen Körperverletzung. Im September soll der Neonazis einen Mann mit seinem Gehstock ins Gesicht geschlagen haben.
Gegen acht Personen werden zudem Anklagen beim Landgericht Dortmund vorbereitet. Ihnen wird vorgeworfen, bei einer rechtsextremen Demonstration in Dorstfeld und in Marten am 21. September 2018 durch das Skandieren der antisemitischen Parole „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“ Volksverhetzung begangen zu haben. Das Verfahren wird allerdings frühestens im kommenden Jahr eröffnet.
Weitere Neonazis – unter anderem Steven F. und Daniel E. – sitzen derzeit schon in den Justizvollzugsanstalten Dortmund bzw. Castrop-Rauxel. Zusätzliche Verfahren – insbesondere gegen Steven F. – sind anhängig.
Offensichtliche Mobilisierungsschwäche der Neonazis bei Aufmärschen
Während die Neonazis immer häufiger in Verfahren verwickelt und auch inhaftiert werden, schafft es die selbsterklärte „Rechtspartei“ immer weniger, zu Kundgebungen zu mobilisieren.
So kamen zu der Versammlung am Vorabend der Europawahl in Dortmund-Hörde nur 184 statt der 300 bis 400 angemeldeten Versammlungsteilnehmer aus dem rechten Spektrum zur Abschlusskundgebung der Bundespartei.
Auch bei den Neonazi-Aufmärschen in der Nordstadt – eine Reaktion auf den schmerzhaften Schlag gegen die „Nazi-Kiez-Graffiti in Dorstfeld“ – kamen immer weniger TeilnehmerInnen. Zuletzt waren nur noch 50 AnhängerInnen gekommen. Die Partei beendete daraufhin ihren montäglichen Demo-Marathon schon Ende Oktober. Eigentlich hatte sie ihn bis zum 23. Dezember angemeldet.
Einen noch deutlicheren Tiefschlag erlebten die Neonazis trotz monatelanger und bundesweiter Mobilisierung in Bielefeld: Am 9. November demonstrierten sie gegen die Inhaftierung der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Doch statt der angekündigten eindrucksvollen Demo gab es nur einen kläglichen Aufmarsch von 230 Neonazis. Eindrucksvoll war hingegen der Gegenprotest: 14.000 Menschen gingen gegen die Neonazis auf die Straße.
Finanzielle Einbußen: „Kampf der Nibelungen“ verboten – Vorbereitung für den „Tag X“
Während die Mobilisierungsschwäche am Ego der Neonazis kratzt, bedeutet ein anderes Verbot einen nicht unerheblichen finanziellen Schaden: Die Stadt Ostritz hatte im vergangenen Monat erfolgreich ein Verbot des rechten Kampfsport-Events „Kampf der Nibelungen“ (KDN) durchgesetzt.
Die Veranstalter scheiterten vor den zuständigen Verwaltungsgerichten. Die Stadt hatte ihr Verbot damit begründet, dass von der Veranstaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe.
Die Veranstaltung habe keinen Sportcharakter, sondern diene der rechtsextremen Kampfertüchtigung und damit der „Vorbereitung eines politischen Kampfes“. Dem von den Rechtsextremen herbeigesehnten Tag X (Machtübernahme).
In den sozialen Netzwerken versorgte der Dortmunder Rechtsextremist Alexander Deptolla – er organisiert die Events – seine Anhänger mit regelmäßigen Updates und schürte bei ihnen weiter die Hoffnung einer Erlaubnis der Veranstaltung durch das Oberverwaltungsgericht. Letztendlich mussten seine aus ganz Europa angereisten Kämpfer und Anhänger enttäuscht die Heimreise antreten.
Polizeipräsident Gregor Lange verfolgt weiter eine „Null-Toleranz-Strategie“
„Die vielen Verurteilungen und der deutliche Rückgang der rechtsextremistischen Straftaten in den letzten Jahren zeigen, wie wichtig und auch erfolgreich der hohe Druck auf die rechtsextreme Szene ist“, betont der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange.
„Zusammen mit Stadt, Justiz und den vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern zeigen wir den rechten Demokratiefeinden, dass sie auch auf lange Sicht keinen Anschluss an die Stadtgesellschaft finden“, so Lange.
„Mit deutlich mehr Personal aus unserem Staatsschutz gehen wir bei Demonstrationen gegen antisemitische Parolen vor. Der wehrhafte demokratische Rechtsstaat macht mit einer Null-Toleranz-Strategie deutlich, dass für antisemitische und rassistische Verfassungsfeinde kein Platz ist“, stellt der Polizeipräsident klar.
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